Linksammlung für Geschichts- und SozialkundelehrerInnen

Wer hat nicht schon die Erfahrung gemacht, dass die von einem Einzelkämpfer gepflegte und oft aufgerufene Linksammlung von einem auf den anderen Tag aus dem Netz verschwunden ist? Wer hat nicht schon versucht, im Kreis der Fachkollegen eine gemeinsame Material- oder Linksammlung für den Unterricht auf einer Lernplattfom einzurichten, aber es hat sich niemand beteiligt? Die Massen an angebotenen guten Materialien und Quellensammlungen im Internet ist kaum noch überschaubar.

Aus genau diesen Erfahrungen heraus habe ich vor einigen Monaten bei Diigo eine Gruppe für Geschichts- und SozialkundelehrerInnen eingerichtet (die neuesten Link sind hier auch immer rechts neben den Artikeln sichtbar). Im Sinne des Social Bookmarking erlaubt die Gruppe den Austausch, die Bewertung, Kommentierung und Verschlagwortung von relevanten Links durch Fachkollegen für den Politik- und Geschichtsunterricht. Über die Schlagworte ist auch die Bewältigung einer großen Anzahl von Material- und Quellenverweisen handhabbar. Außerdem hat man so die Links für den Unterricht und die Vorbereitung nicht nur auf dem heimischen Rechner verfügbar, sondern überall dort, wo man Zugang zum Internet hat. Diese Diigo-Gruppen eignen sich übrigens auch hervorragend als gemeinsame Arbeitsplattform für Oberstufenkurse.

Es würde mich freuen, wenn möglichst viele Kollegen sich (möglichst aktiv) beteiligten, so dass wir zu einem regen Austausch und einer großen und hilfreichen Linksammlung für die Unterrichtsvorbereitung kommen. Wer mitmachen möchte, muss ein eigenes Konto auf Diigo einrichten und dann auf den blauen „Join this group“-Button der Gruppe klicken. Wer noch nicht registriert ist, kommt über den Button auch direkt zur Anmeldeseite. Der Gruppenzugang wird dann so schnell wie möglich von mir freigeschaltet.

Urheberrecht im Geschichtsunterricht – Vorschlag für eine Vertretungsstunde

Der Deutsche Bund habe Goethe „für die intendierte neue Ausgabe seiner Werke ein Privilegium erteilt, daß kein Buchhändler in Deutschland wagen darf, sie je nachzudrucken. Dies regt ihn nun [an], die Redaktion der neuen Ausgabe rasch zu betreiben und mich wieder um meine tätige Hülfe zu ersuchen.“  So schreibt Eckermann am 27. März 1825 an seine Verlobte Johanna Bertram.

Goethe erhielt als erster ein solch umfassendes Privileg, nachdem er sich 75jährig im Januar 1825 mit einer Bittschrift an die Deutsche Bundesversammlung sowie an die Regierungen Österreichs, der Schweiz, Holland und Dänemark gewandt hatte, um jenen Schutz zu erwirken. Goethe bekam nach und nach begrenzte Zusicherungen, eine allgemeine Regelung folgte für den Deutschen Bund 1837.

Klaus Seehafer bewertet diesen Vorgang in seiner Goethe-Biographie (³2004, S. 437) überaus positiv:  „Eine solches Privileg stellt etwas ganz Neues dar und bedeutet einen ungeheuren Fortschritt in der deutschen Verlagsgeschichte. Goethe gelingt es damit als erstem Autor, sich mit Erfolg gegen Raubdruck zur Wehr zu setzen.“

Das Ersuchen Goethes führte zu einem grundlegenden Wandel des Urheberrechts, das heute in einer breiten gesellschaftlichen Debatte in Frage gestellt wird. Neben der hohen Aktualität besitzt das Thema einen wichtigen Bezug zur Lebenswelt der Schüler, die durch die Möglichkeiten der digitalen Medien täglich mit Fragen des Urheberrechts konfrontiert sind (bei der Verwendung von Fotos, Textzitaten, dem Kopieren von Musik, Filmen und Spielen, um nur einige Beispiele zu nennen).

Durch die Thematisierung des Urheberrechts im Geschichtsunterricht erkennen die Schüler dieses als historisch gewachsene Regelung, die auch Wandlungen unterworfen ist. Der Bittbrief Goethes an die Bundesversammlung vom Januar 1825 (word.doc) eignet sich als Quelle gut für den Unterricht, da an ihm das Vor- und Nachher gut aufgezeigt werden können. Ggf. kann auch versucht werden, das Vorwissen der Schüler zur Geschichte des Buchdrucks zu aktivieren und im Zusammenhang mit Goethes Ausführungen zu klären, welchen Wandlungen der Buchdruck überhaupt erst eingeleitet hat. So wäre auch die Integration des hier vorgestellten Quellenausschnitts in eine längere  Unterrichtseinheit zum Buchwesen vom Skriptorium der Mönche über das frühe Druckwesen bis zur digitalen Publikation im Internet denkbar. Voraussetzung für den Einsatz der vorliegenden Quelle ist die vorangehende Behandlung des Deutschen Bundes im Unterricht.

Als Einstieg lässt sich ein aktueller Artikel zum Thema aus der Tagespresse entnehmen. Alternativ kann auch das Vorwissen der Schüler über die geltenden Urheberrechtsbestimmungen in bezug auf Musik, Computerspiele o.ä. stehen.

An die anschließende Quellenlektüren schließen sich zunächst Fragen zur Klärung des Textverständnisses sowie ggf. Nachfragen der Schüler zum Verständnis einzelner Wörter an. Die Schüler arbeiten aus dem Text Goethes heraus, wie die Situation des Urheberrechts zum Zeitpunkt des Schreibens ist und welche Forderung er erhebt.

In arbeitsteiliger Gruppenarbeit stellen die Schüler nun mit Bezug zum vorliegenden Quellentext die Vor- und Nachteile der Regelungen für Autoren, Herausgeber und evtl. auch für die Leser gegenüber. Damit werden neben dem historischen Wandel auch die unterschiedlichen Interessen verschiedener gesellschaftlicher Gruppen in diesem Zusammenhang deutlich. Die Ergebnisse werden vorgetragen und miteinander verglichen.

In einer abschließenden Diskussion kann in Rückkopplung an den Einstieg erneut thematisiert und hinterfragt werden, ob die gesammelten Vor- und Nachteile heute noch in gleicher Weise gelten oder Veränderungen stattgefunden haben, die eine Überarbeitung des rechtlichen Rahmens notwendig machen. Als Redenanlass kann auch folgendes Zitat projiziert werden, zu dem die Schüler kritisch Stellung nehmen:

Als Goethe im Oktober 1825 ein entsprechendes Privileg des österreichischen Kaisers erhielt, bezeichnete er dieses dem Großherzog Carl August gegenüber als „das wunderbarste Dokument, das die Literaturgeschichte aufzuweisen hat“.

Weitere Informationen und gute Überblicke zur Geschichte des Urheberrechts finden sich auf artnet und bei der Bundeszentrale für politische Bildung.

PS. Dank an Sebastian Dorok für den Hinweis: Materialien für den Unterricht zum Thema Urheberrecht gibts auf folgender Seite aus Österreicht: Ideen sind etwas wert.

PPS. Wichtiger Hinweis von Matthias Spielkamp von iRights.info (siehe auch den ausführlichen Kommentar), die auch Materialien zum Thema für den Schulunterricht zusammengestellt haben.

Symbolische Kommunikation: Königsherrschaft

Während in der historischen Forschung das Thema der symbolischen Kommunikation seit Jahren bearbeitet wird und auch an anderer Stelle in diesem Blog bereits thematisiert wurde, hat es bisher kaum Umsetzung im  schulischen Geschichtsunterricht gefunden. Gespannt darf man sein auf das angekündigte Heft von Geschichte lernen zu dem Thema „Herrschaft im Mittelalter“ in einer der nächsten Ausgaben.

Aufgrund der Komplexität des Ausgangstextes scheint der folgende Unterrichtsentwurf, den ich hier zur Diskussion stellen möchte, nur für die Oberstufe geeignet. Ich freue mich über Rückmeldungen und Verbesserungsvorschläge.

Der Schwerpunkt dieses Unterrichtsvorschlags liegt auf der Königsherrschaft im Mittelalter. Der Einstieg kann über ein Bild einer Königsdarstellung oder das weiterhin in Büchern weit verbreitete Schema der „Lehnspyramide“ erfolgen, das im Anschluss an diese Einheit kritisch diskutiert werden kann. Möglicherweise erstellen die Schüler in anderer Form eine eigene graphische Umsetzung von mittelalterlicher Herrschaftsstrukturen.

Im Mittelpunkt steht ein Text von Gerd Althoff zu  Strukturellen Eigenheiten ottonischer Königsherrschaft, der den Wandel von der karolinigischen zur ottonischen Königsherrschaft aufzeigt. In einem Tafelbild werden die Unterschiede gesichert und gegenübergestellt. Wichtig ist dabei herauszuarbeiten, dass es sich bei den Mechanismen der ottonischen Königsherrschaft um in sich logische und der veränderten Situation  im Verhältnis von Königtum und Großen des Reiches angemessene Maßnahmen handelt.

Vertiefend können dann weitere Formen symbolischer Kommunikation anhand zweier Quellenausschnitte zur Königswahl Konrads II. und der Belagerung von Tivoli durch Otto III. stehen. Vorschläge für Arbeitsaufträge finden sich jeweils unter den Texten.

Ein alternativer Einstieg kann über die Abfrage der Schülervorstellungen zur Königsherrschaft erfolgen, die sich in der Regel auch noch in Oberstufe wie folgt zusammenfassen lassen: „Der König sitzt auf seinem Thron und erteilt Befehle. Die Leute machen, was er sagt.“ Die Schüler verfügen zumeist über ein statisches, durch Märchen, Legenden und Spielfilme bestimmtes Bild von königlicher Herrschaft. Durch die oben beschriebene Unterrichtseinheit lässt sich ein conceptual change anregen, indem der Wandel von der Herrschaft der Karolinger zu den Ottonen analysiert wird und ansatzweise der Spielraum königlicher Herrschaft im hohen Mittelalter mit Mitspielern, Gegnern und Grenzen, einige der Spielregeln sowie deren Umsetzung in symbolische Formen aufgezeigt werden.

Erst das Überdenken ihrer Alltagsvorstellungen zur mittelalterlichen Königsherrschaft ermöglicht es Schüler in der Folge das Besondere am Versuch des „Absolutismus“, die Macht in den Händen des Königs zu bündeln, zu verstehen. Für die meisten Schülern scheint dies nichts Neues und bleibt ihnen unverständlich,  da ein König in ihren Vorstellungen ja eh schon schrankenlose Befugnisse besitzt. Übrigens gilt dies auch für Widerstände gegen und Grenzen dieses königlichen Zentralismus ebenso wie die Kritik an dem Begriff des „Absolutismus“, diese  können eigentlich nur dann angemessen verstanden werden, wenn adäquate Konzepte zur Königsherrschaft im Mittelalter vorhanden sind, da die Konflikte der Zentralmacht in der Frühen Neuzeit mit „alten“ Einrichtungen, Rechten bzw. Freiheiten ausgefochten werden, die aber im Unterricht zuvor selten thematisiert wurden.

Herrscher, Stadt und Privilegien

Eine sehr schöne Bildquelle zur Beschäftigung mit dem Thema Schriftlichkeit  und Herrschaft im Übergang von Mittelalter zur Frühen Neuzeit findet sich  in dem Festbuch des Einzugs des späteren Karl V. als neuer Graf von Flandern 1515 in Brügge, das von der British Library zusammen mit anderen Festbüchern in einem ebenso informativen wie sehenswerten Internetauftritt veröffentlicht wurde.

Beim Herrschaftsantritt zogen die neuen Fürsten festlich in die Städte des Landes ein. Dieser Einzug wird als Adventus, Joyeuse Entrée oder Blijde Inkomst bezeichnet und stellte eine aufwändige Inszenierung der Verhältnisses der Stadt zu ihrem neuen Landesherrn dar. Intensiv erforscht werden diese Formen symbolischer Kommunikation u.a. seit 10 Jahren in dem Sonderforschungsbereich 496 an der Universität Münster.

Die Stadt wurde für den Ersteinritt des neuen Herrn mit umfangreichen, ephemeren Kunstwerken an verschiedenen Stationen geschmückt, die u.a. politische Botschaften transportierten. Zentral in den Inszenierungen waren Festbögen in den Straßen, durch die der Herrscher einzog. In der Renaissance wurden diese Einzüge in Büchern schriftlich und bildlich festgehalten. Ein besonders schönes Exemplar bietet die Joyeuse Entrée des jungen Karl 1515 in Brügge.

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In einem der dokumentierten Bögen (siehe oben) wurden Karl zwei Szenen dargeboten, die ihn an seine Verpflichtungen als Herrscher erinnern sollten. Im Mittelpunkt der Herrschaftsübernahme stand die Zusicherung der urkundlich belegten Privilegien der Stadt. Im rechten Bogen ist eben jene Szene von einem von Karls Vorgängern zu sehen: Ludwig von Nevers (1322-46, Graf von Flandern) übergibt  an Vertreter der Stadt die Urkunde mit den städtischen Privilegien. Er hatte die Privilegien der Stadt 1327 erneuert. Im linken Bogen ist Moses mit den beiden Tafeln der 10 Gebote zu sehen.

Was lässt sich an diesem Bild im Unterricht lernen?

Zum einen lässt sich ansatzweise das komplexe Verhältnis von Landesherrn und Stadt in Mittelalter und Früher Neuzeit thematisieren. Interessant erscheint mir aber insbesondere die Annäherung an die Bedeutung städtischer Privilegien und das zeitgenössische Verhältnis zu Schrift und Urkunden, die durch das Nebeneinanderstellen der 10 Gebote mit den städtischen Privilegien angedeutet wird. Wieder aufgreifen lassen sich die Ergebnisse wieder später im Unterricht, z.B. bei der Menschen- und Bürgerrechtserkärung die in der Präambel bekanntermaßen die nachfolgenden Recht als „unveräußerlich und heilig“ definiert.

Das Bild kann im Zusammenhang mit dem Thema Stadt im Mittelalter eingesetzt werden. Als Einstieg scheint es mir zu komplex, aber zur Vertiefung scheint es mir durchaus geeignet, da es einen wichtigen Aspekt bezüglich der Vielfalt der komplexen Herrschaftsverhältnisse aufzeigt, der in der vereinfachenden Gegenüberstellung freie Reichsstädte gegenüber „unfreien“ Städten vieler Geschichtsbücher zu kurz kommt.

Update1: Zum Thema Joyeuse Entrée/Blijde Inkomst besteht übrigens noch Arbeitsbedarf in der deutschen Wikipedia, wie ich gerade gesehen habe. In der englischen, französischen und niederländischen Wikipedia ist das Thema  Zudem behandeln die englische und portugiesische Wikipedia das Thema des königlichen Einzugs.

Update2: Zur Einführung in das Thema Rituale und symbolische Kommunikation im alten (d.h. mittelalterlichen und frühneuzeitlichen) Europa eignen sich neben dem hervorragenden Band zur Ausstellung „Spektakel der Macht“, die bis Anfang Januar 2009 in Magdeburg gezeigt wurde, auch die kurzen Artikel auf der Webseite der Ausstellung.

Einladung: Linksammeln für Geschichtslehrer

Wer hat nicht schon die Erfahrung, dass die von einem Einzelkämpfer gepflegte und oft aufgerufene Linksammlung von einem auf den anderen Tag aus dem Netz verschwunden ist? Wer hat nicht schon versucht, im Kreis der Fachkollegen eine gemeinsame Linksammlung für den Unterricht auf einer Lernplattfom einzurichten, aber es hat sich niemand beteiligt? Die Massen an angebotenen Materialien und Quellensammlungen im Internet ist von einem alleine schon lange nicht mehr zu bewältigen. Aus genau diesen Erfahrungen heraus habe ich bei diigo eine Gruppe für Geschichtslehrer eingerichtet, die im Sinne des social bookmarking den Austausch, die Bewertung, Kommentierung und Verschlagwortung von relevanten Links durch Fachkollegen für den Geschichtsunterricht erlaubt. Über die Schlagworte ist im gegensatz zu linearen Linklisten im Netz auch die Bewältigung einer großen Anzahl von Material- und Quellenverweisen handhabbar. Es würde mich freuen, wenn möglichst viele Kollegen sich beteiligten, so dass wir zu einem regen Austausch und einer nachhaltigen Linksammlung für die Unterrichtsvorbereitung kommen. Nur kurz  ein eigenes Konto auf diigo einrichten, dann auf den „Apply-to-join“-Button der Gruppe klicken, der Zugang wird dann so schnell wie möglich von mir freigeschaltet.

Zu den Funktionen und Vorteilen von diigo siehe auch:

http://nachdruck.wordpress.com/ (2009)

http://www.neunetz.com/ (2007)

Nachtrag (23.09.09): Gerad entdeckt über Twitter (@david_gerlach) www.lehrerwink.de: Die Seite ist gegliedert nach Primar- und Sekundarstufe und unterscheidet entsprechend die Fächer. Sind auch schon einige Links für den Geschichtsunterricht dabei. Riesenproblem: Die Schlagwörter sind nur allgemein aufgeführt und werden nicht spezialisiert, wenn man sich z.B. auf die Unterseiten zum Geschichsunterricht begibt. Man kann zwar per Schlagwort suchen, aber einfacher wäre es natürlich über eine jeweils fachspezifische Auflistung von Schlagwörten auf die Linkempfehlungen zugreifen zu können.

 

Geschi bili 3: Social bookmarking von Geschichtslehrern

Eine Gruppe bei diigo bietet eine Riesenauswahl an englischsprachigen, kommentierten und verschlagworteten Links für den Geschichtsunterricht:

http://groups.diigo.com/groups/history-teachers

Wäre es nicht sinnvoll, eine vergleichbare Gruppe auch für den deutschsprachigen Raum einzurichten? Falls es sowas schon gibt, wäre ich für den Hinweis dankbar. Ansonsten könnten so die verstreuten Linktipps  der  verschiedenen Internetseiten und Blogs zu Geschichte und Geschichtsunterricht stärker vernetzt und nachhaltig für die Unterrichtspraxis nutzbar gemacht werden. An anderer Stelle ist die mangelnde Vernetzung ja noch vor kurzem beklagt worden…

Auf jeden Fall finden sich in der oben verlinkten diigo-Gruppe erstmal jede Menge Surftipps für das (voraussichtlich verregnete) Wochenende. Ab heute ist hier nämlich vorübergehend Pause wegen der Tagung geschichtsdidaktik empirisch 09 in Basel. Bin schon mächtig gespannt 😉

Archivale des Monats: September 1939

Hinter der schlichten Fassade verstecken sich wahre Juwelen: Das Geschichtsportal des Landes Rheinland-Pfalzes bietet in Zusammenarbeit mit dem Landeshauptarchiv Koblenz und dem Landesarchiv Speyer jeden Monat ein in exzellenter Auflösung digitalisiertes und kommentiertes Fundstück aus den Archiven an. Die Dokumente werden zum Download im pdf-Format zur Verfügung gestellt. Bei älteren handschriftlichen Quellen sind auch Transkripte beigefügt.

Die Quellen sind für den Unterricht aufbereitet und können sowohl in einer Vertretungsstunde als auch im regulären Unterricht eingesetzt werden und den regionalen Bezug stärken. Die älteren Fundstücke bleiben alle online, so dass bereits ein kleine Sammlung zu verschiedenen Themen wie den Hexenprozessen, dem Pfälzischen Aufstand von 1849 oder einer Schulspeisung in Koblenz 1949 bereit stehen. Langfristig soll hier eine Datenbank mit für den Unterricht aufbereiteten Quellen zur regionalen Geschichte des heutigen Rheinland-Pfalz entstehen.

Für diesen Monat ist nun ein Werbe-Plakat für die SS vom September 1939 online gestellt worden. Die Unterlagen aus dem Landesarchiv Speyer zeigen das Bemühen, bei Kriegsbeginn Freiwillige für die SS-Verfügungstruppen, – Totenkopfverbände und die Polizei anzuwerben. Interessant sind die ersten Rückmeldungen der Bürgermeister aus dem Bezirk Kusel zu dieser Werbeaktion, die nicht einen einzigen Freiwilligen melden konnten.

Denkmäler Kindertransport

Bekanntlich sieht man nur, was man weiß… und zufällig war ich diesen Sommer sowohl kurz in London als auch in Danzig. Aufmerksam geworden durch einen Artikel aus geschichte lernen vom Mai 2009 über die  „Mahnmale zur Erinnerung an die Kindertransporte“ entdeckte ich mit großer Überraschung, dass vor dem Hauptbahnhof in Danzig eine Kopie des Londoner Denkmales von 2006 steht, das von Frank Meisler, einem gebürtig aus Danzig stammenden Künstler, geschaffen wurde. Erst bei genauem Hinsehen merkte ich, dass es sich gar nicht um eine Kopie handelt. Die Denkmäler sind ähnlich, aber verschieden. Bei dem Danziger Denkmal dreht sich der eine Junge noch einmal winkend um; in London schauen einige Kinder noch unsicher aber zugleich neugierig umher.  Es ist sicher nicht verkehrt  bei dieser ungewöhnlichen Denkmalkombination an die Darstellung von Abschied und Ankunft zu denken.

Das Denkmal in Danzig wurde zum 70. Jahrestag der Kindertransporte, die auch von Danzig nach London führten, im Mai dieses Jahres eingeweiht. Die unten stehenden Fotos können in besserer Auflösung runtergeladen werden und im Unterricht z.B. als Einstieg in das Thema eingesetzt werden. Die Kuriosität eines ähnlichen Denkmals an zwei so unterschiedlichen und weit entfernten Orten kann Interesse wecken. Wie bei zwei „Fehlerbildern“ lädt es ein, die beiden Darstellungen genau zu betrachten und miteinander zu vergleichen.

Die Mimik und Gestik der Kinder lassen sich deuten; Hoffnungen, Befürchtungen antizipieren. Offenkundig sind keine Erwachsenen dabei, warum gehen Kinder alleine auf die Reise? Was bedeutet das für sie? Welche Gegenstände haben sie dabei, was könnte noch in den Koffer sein? Mit diesen Fragen lassen sich die Fotos auch im Unterricht mit jüngeren Kindern, z.B. in der Grundschule, einsetzen (siehe dazu auch Vorschläge zu einer altersgerechten Konzeption im pädagogischen Konzept von Yad Vashem, S. 32ff.). Je nach Klassenstufe kann das Thema anschließend durch geeignete Materialien oder  eigene Recherchen weiter bearbeitet werden.

Bewertung wikipedia-Artikel

Wikipedia ist wahrscheinlich mittlerweile die in der Schule, also von Schülern und Lehrern, am häufigsten genutzte Informationsquelle, oft auch leider die einzige… was sich immer wieder in schlechten Referaten und Ausarbeitungen niederschlägt. Über den Blog von Gabi Reinmann bin ich vor einiger Zeit auf wikibu.ch aufmerksam geworden.

FireShot capture #1 - 'Wikibu

wikibu bietet eine vor allem quantitative Kriterien zur Bewertung der Qualität von wikipedia-Artikeln. Zusätzlich werden Informationen zur wikipedia-eigenen Bewertung sowie zu Hauptautor und Veränderungsfrequenz mitgeliefert. Natürlich ist das keine umfassende Qualitätsbewertung (siehe dazu auch die Diskussion im denkarium), aber dennoch für Schüler und Lehrer eine wichtige Hilfe, vor allem weil so deutlich wird, wie die Artikel entstehen und  diese nicht nur als gegeben hingenommen werden.  Zur Schulung der sogenannten „Informationskompetenz“  mit wikipedia bietet wikibu eine gut aufgebaute 3stündige Unterrichtseinheit an.

Diese Informationskompetenz aufzubauen gehört sicher zum allgemeinbildenden Auftrag der Schule, doch denke ich, dass dem Geschichtsunterricht mit seiner Methodik der Quellenkritik eine besondere Rolle zukommen kann. Darauf ist schon mehrfach hingewiesen worden, beispielhaft sei hier nur auf den Vortrag von Vadim Oswalt zu Quellenkritik im Zeitalter des Internet aus dem letzten Jahr hingewiesen.

wikipedia hat Lexika als Nachschlagwerke bei Schülern vollkommen verdrängt. Durch die permanente Verfügbarkeit hat das auch den positiven, viel zu selten genannten Effekt, dass viel mehr Schüler als früher einfach mal etwas nachschauen, was sie nicht wissen oder verstehen. Ein anderes Problem als das der Quellenkritik, aber ein ebenso gravierendes, stellt die Handhabung der verfügbaren Informationsmengen dar, die Schüler oft überfordern und denen es auf in der Oberstufe nicht immer gelingt, wichtige von weniger wichtigen Informationen zu trennen.  Ein Blick in einen knappen Lexikonartikel oder für die neueste Geschichte in das LeMO ermöglicht da oft einen besseren Einstieg in ein neues Thema als sich in Details verlierende wikipedia-Artikel. Aber das müssen Schüler eben erst lernen bzw. wir als Lehrer vermitteln.