Tagesexkursion nach Verdun

Im Rahmen des Projekts haben wir eine Tagesexkursion nach Verdun unternommen. Das erste und letzte Mal, dass ich in Verdun war, lag nun schon über 10 Jahre zurück. Damals haben wir uns mit dem Bus von Ort zu Ort fahren lassen und sind jeweils für eine kurze Besichtigung ausgestiegen. Trotz mitgeführter Karte ist bei mir damals kein richtiges Bild der Entfernungen und der Lage der einzelnen Orte zueinander entstanden. Zudem fehlte mir die Erfahrung der Landschaft, die nur am Fenster des Busses vorbeizoge und in der die Bombenkrater und Laufwege noch zu erkennen waren. Um diese zu erkunden, hatten wir aber nicht ausreichend Zeit eingeplant.

Daher war dieses Mal die Idee, weniger Orte zu besichtigen und stattdessen die Landschaft des ehemaligen Schlachtfelds wandernd zu entdecken. Auf der Suche nach einer geeigneten Route, die in einem Tag gut machbar ist und die Besichtigung möglichst unterschiedlicher Aspekte und Orte ermöglicht, habe ich folgenden Rundwanderweg entdeckt (die Beschreibung ist allerdings nur auf Französisch verfügbar).

Anders als auf der französischen Seite vorgeschlagen würde ich empfehlen nicht den kompletten Rundwanderweg zu laufen, sondern am Mémorial zu starten und die Gruppe dann mit dem Bus am Fort Douaumont abholen zu lassen. Insgesamt dauert der Weg in dieser Form mit Besichtigungen und einer längeren Mittagspause ca. 6-7 Stunden.

Die vorgeschlagene Wanderung startet am Mémorial de Verdun, das 2016 zum 100. Jahrestag der Beginn der Schlacht von Verdun nach grundlegender Überarbeitung neu eröffnet wurde und einen guten Einstieg in den Tag bietet. Busparkplätze sind vorhanden.

IMG_20180529_114047.jpgVon dort geht es zum zerstörten Dorf Fleury-Devant-Douaumont. Von den Häusern ist nichts mehr zu sehen, die Informationstafeln geben – auch auf Deutsch – einen guten Überblick. Vor Ort gibt es zwei Denkmäler, eine Erinnerungskapelle sowie den Friedhof. Es kann sich lohnen, hier wie auch sonst auf der Route in entsprechender Größe ausgedruckt oder digital auf den Geräten der Schülerinnen und Schüler alte Fotos, wie man sie z.B. in den Wikimedia Commons findet, mitzunehmen und vor Ort mit der aktuellen Ansicht zu vergleichen.

Von dort geht es in einem langen Bogen zum Ossuaire von Douaumont (zur Entstehung siehe auch hier). Der Eintritt ist kostenfrei, nur für die Besteigung des 46 Meter hohen Turms ist eine Gebühr zu entrichten. In dem Knochenhaus sind die Gebeine von über 130.000 vor allem französischen Soldaten beigesetzt, seit 2016 auch von deutschen Soldaten, in der Eingangshalle wurde an der Decke eine Inschrift ergänzt, die darauf hinweist.

Gegenüber des Eingangs vor dem Friedhof befindet sich eine deutsch-französische Gedenkplatte zur Erinnerung an das Treffen von Kohl und Mitterand 1984. Das bei diesem Anlass entstandene ikonische Bild, das die beiden Hand in Hand zeigt, hat Eingang in fast jedes Geschichtsbuch gefunden. Vor Ort ist das Foto nicht zu sehen, es kann also hilfreich sein, dieses mitzunehmen. Zur Geschichte hinter dem Foto siehe auch diesen älteren Beitrag hier im Blog.

Der Friedhof vor dem Ossuaire umfasst über 16.000 Gräber, darunter auch ein Bereich mit Gräbern muslimischer Soldaten der französischen Armee. Neu hinzugefügt wurden an den Seiten (1996) ein Denkmal für die jüdischen Soldaten sowie (2006) ein Denkmal für die muslimischen Soldaten auf der gegenüberliegenden Seite des Friedhofs. Hier lässt sich zum einen das auch für die deutsche Geschichte wichtige Selbstverständnis der Deutschen und Franzosen (jüdischen Glaubens) statt „Franzosen/Deutsche und Juden“ ansprechen und die Bedeutung der französischen Kolonialtruppen sowie ggf. der Umgang der Deutschen mit ihnen, insbesondere auch den muslimischen Kriegsgefangenen.

Rund um das Ossuaire mit den oben genannten Stationen lässt sich sehr gut die Veränderung der Erinnerungskultur in Verdun in ersten 100 Jahren nach der Schlacht aufzeigen (explizite Einbeziehung einzelner Gruppen in das Gedenken, deutsch-französische Aussöhnung usw.).

Oberhalb des Ossuaire befindet sich ein kleines Restaurant, L’abri des pèlerins, das (überteuert) bei schlechtem Wetter eine Möglichkeit zum Einkehren und Aufwärmen bietet. Wer mit einer größeren Gruppe unterwegs ist, sollte vorab allerdings anrufen und reservieren.

Von dort lohnt sich ein kurzer Abstecher zum Bajonettgraben, danach geht es wieder zurück an der Landstraße entlang eventuell mit kurzen Abstechern zu den Ruinen eines kleinen Schutzbunkers und einem in Teilen rekonstruierten Laufgraben vorbei zum Fort Douaumont.

Im Fort Douaumont (Infos und Bilder in der Wikipedia) kann man selbstständig einen Rundgang machen – entgegen der Pfeilausschilderung. An der Kasse erhält man ein abgegriffenes Din A4-Blatt mit 8 Stationen, zu denen jeweils auf Deutsch kurze Informationen gegeben werden. Alternativ ist auch die Buchung einer Führung möglich – und, wenn man sich selbst nicht sehr gut auskennt, auch sinnvoll.

Vorbereitend eignet sich übrigens der Texte über „soldatischen Kriegserfahrungen“ von Bernd Ulrich bei der BpB gut, gerade in Abgrenzung und Differenzierung der Bilder vom Frontgeschehen, die in Spielen wie „Battlefield One“ und „Verdun“ vermittelt werden. Wir hatten den Text den Schülern in gekürzter Form (Download als Doc) als vorbereitende Lektüre für die Exkursion in Kopie ausgeteilt.

Für die Schüler war übrigens die (selbst organisierte) Besichtigung im Fort Douaumont der Höhepunkt der Wanderung, da hier die (schlechten) Alltagsbedingungen der Soldaten im Krieg deutlich vor Augen geführt wurden. Wer mehr Zeit für Verdun und Umgebung hat, dem bieten sich rund um Douaumont noch zahlreiche Besichtigungsmöglichkeiten sowie natürlich ein Besuch der Stadt und Zitadelle in Verdun selbst an.

Lost places, Jewish history & Geocaching

On invitation of Trans.History I will be holding a workshop in Lviv, Ukraine next week. It is a 3-day seminar about “Civil Society, Social Media and Jewish History in Ukraine in the 20th Century”. My workshop will be about using location- and game-based activities in- and outside the classroom to work with the „lost places“ of Jewish culture and history. For anyone interested here are already the slides for my workshop. Any comments are welcome:

Virtuelle Exkursionsorte für den Geschichtsunterricht

Hier habe ich eine Reihe von Beispielen von kostenlos, online verfügbaren historischen Orten und Gebäuden zusammengestellt, an die über das Web virtuelle Exkursionen von Zuhause oder aus dem Klassenzimmer unternommen werden können. Die Sammlung ist entstanden bei der Recherche für einen Beitrag für den im Frühjahr kommenden Jahres erscheinendencategory_genre_adventure-800px neuen Sammelband zu digitalen Medien im Geschichtsunterricht. An dieser Stelle noch ein großes Dankeschön an Michael Schmalenstroer für die ergänzenden Hinweise, die Eingang in die Liste gefunden. Weitere Hinweise sind herzlich willkommen!

Welterbe-Bildung: Oberes Mittelrheintal – Unterrichtsmaterialien als OER

Welterbe Bildung HEader„Ich weiß nicht, was soll es bedeuten…“ Zum Welterbe Oberes Mittelrheintal liegt nun eine Handreichung mit Unterrichtsentwürfen und -materialien vor, die in Zusammenarbeit von Pädagogischem Landesinstitut Rheinland-Pfalz und Zweckverband erarbeitet wurde. Die Handreichung gibt es als Printversion (bestellbar hier) sowie als Open Educational Resources auf einer eigenen Website.

Dort finden sich alle Texte und Materialien der Handreichung zum Download in mehreren Formaten (pdf, doc, odt), so dass sie an die jeweilige Lerngruppe und Lernsituation angepasst werden können. Es sind (fast) alle Fächer vertreten, wobei besonders viele Unterrichtsvorschläge für Geschichte vorhanden sind.

Die Handreichung ist nicht nur für Schulen am Oberen Mittelrhein interessant, sondern darüber hinaus für alle, die das UNESCO-Welterbe exemplarisch im Unterricht aufgreifen wollen oder das Mittelrheintal für Exkursionen oder Klassenfahrten als Ziel wählen. Die Einheiten können differenziert aufgerufen werden, ob sie sich für den Unterricht im Klassenzimmer oder im Welterbe vor Ort eignen (siehe Wahlmöglichkeit „Lernort“).

Für mich ist das Projekt wegweisend für die Entwicklung von OER in Deutschland. Wenn sich die Aus- und Fortbildungsinstitute der Länder auf den Weg machen und ihre (ohne kommerziellen Interessen) erstellten Materialien als OER zur Verfügung stellen (siehe dazu auch hier), wird bereits vorhandenes Potential sinnvoll genutzt.

Allerdings ergibt sich daraus zugleich die weiterführende Frage nach der Auffindbarkeit der entsprechenden Online-Angebote. Auch über die Lizenzfrage, hier von den Herausgebern mit der Einschränkung NC gewählt, ließe sich noch einmal diskutieren. Aber angesichts der vorrangigen Erstellung, Veröffentlichung und Nutzung von OER in der Praxis sind das nachgeordnete Fragen und Probleme.

Das Deutsche Eck in Koblenz als Erinnerungsensemble zu Vereinigung und Teilung Deutschlands

Deutsches Eck ErinnerungsensembleDie digitale Karte ist das Ergebnis eines Unterrichtsprojekts in einem Grundkurs Geschichte der Jahrgangsstufe 11 am Eichendorff-Gymnasium Koblenz anlässlich des 25. Jahrestags des „Mauerfalls“.

Der Freiherr vom Stein: kein Demokrat, aber ein „Wegbereiter der Demokratie“?

Es folgt… eine Premiere: In der in Kürze erscheinenden Handreichung zu außerschulischen Lernorten der Demokratiegeschichte in Rheinland-Pfalz des Pädagogischen Landesinstituts sind – soweit ich das überblicke – erstmalig in RLP zwei Beiträge unter Creative Commons-Lizenz erschienen. Das ermöglicht, dass ich die Beiträge auch hier im Blog zur Verfügung stelle. Der erste Beitrag beschäftigt sich mit Nassau und der Rezeption des Freiherrn vom Stein anhand der Denkmäler und Erinnerungsspuren vor Ort.

Da die Handreichung nur im Print erscheint, bringt die zusätzliche Veröffentlichung im Blog den Vorteil mit sich, dass die Materialien (Download als doc oder als odt-Datei) und Aufgabenstellungen (Download als doc oder als odt-Datei) auch digital und damit veränderbar zur Verfügung gestellt werden können. Sie sind somit einfach an die jeweilige Lerngruppe und den eigenen Unterricht anpassbar.

Wer sich für die komplette Handreichung interessiert, die u.a. Materialien zur Mainzer Republik, zum Hambacher Schloss und dem Karl-Marx-Haus in Trier enthält und auch z.B. für die Vorbereitung von Klassenfahrten oder Exkursionen nach RLP nutzbar ist, kann sie beim Pädagogischen Landesinstitut bestellen.

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Freiherr vom Stein Park in Nassau. Foto: Anne Bernsen, CC BY SA.

Nassau: Bedeutung des Ortes für die Demokratiegeschichte

Heinrich Friedrich Karl Reichsfreiherr vom und zum Stein, wie sein voller Name lautet, ist eine nicht unbedingt naheliegende Auswahl für eine Handreichung zum Thema Demokratiegeschichte. Während es noch zahlreiche Schulen gibt, die seinen Namen tragen, und in fast jeder Stadt eine Straße nach ihm benannt ist, dürfte Stein im Gegensatz den meisten Deutschen vermutlich kein Begriff mehr sein. Wenn man Stein heute noch kennt, so vor allem für seine kurze Reformtätigkeit in Preußen, die mit den Schlagwörtern der Städteordnung und Bauernbefreiung verbunden ist und in den meisten Schulgeschichtsbüchern auch weiterhin Erwähnung findet.

Stein war im Umgang mit Menschen ein überaus schwieriger Zeitgenosse. Ebenso schwierig ist seine politische Einordnung. Er lässt sich nicht eindeutig innerhalb einer politischen Strömung verordnen; er war weder Konservativer noch Liberaler. So wandte sich der vermeintlich „konservative“ Stein nach 1819 deutlich gegen die Karlsbader Beschlüsse und verteidigte die süddeutschen Verfassungen. (Siemann, 2007) Dabei ist besonders die Nassauer Verfassung hervorzuheben, deren hoher Stellenwert […] lange Zeit nur unzureichend gewürdigt worden [ist]. Tatsächlich enthält diese Verfassung bereits alle wesentlichen Elemente der vormärzlichen Repräsentativverfassungen in den Staaten des Deutschen Bundes. Die individuellen Freiheiten sind in ihr schon genauso verankert wie das Recht der Landeseinwohner auf parlamentarische Vertretung. Unter den Aufgaben, die dem Landtag übertragen werden, fehlen die Mitwirkung bei der Gesetzgebung und der Aufstellung des Haushalts ebensowenig wie die Kontrolle von Regierung und Verwaltung.“ (Schüler 2006, 56) Bei der Ausarbeitung dieser besonders fortschrittlichen Verfassung Nassaus durch den Freiherrn Ernst Marschall von Bieberstein und Karl von Ibell hatte sich Stein aktiv als Berater eingebracht. Auch wenn Stein bis zu seinem Lebensende an dem Ideal einer ständischen Gesellschaftsordnung festhielt, hat er in seiner Rückwärtsgewandtheit die politische Moderne Deutschlands wesentlich mitgeprägt.

Der Fokus dieses Beitrags liegt allerdings nicht auf Stein und seinem Wirken selbst, sondern auf dessen späterer Rezeption, die jeweils etwas über das (politische) Selbstverständnis ihrer Zeit verrät. Nassau an der Lahn ist bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts für den Freiherrn und sein Werk zu einem zentralen Erinnerungsort geworden, der sich in diesem Sinn auch als Lernort für Demokratiegeschichte eignet. Eine entscheidende Perspektivverschiebung in der Bewertung von Steins Leben und Wirken erfolgte in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg. In dem neuen demokratischen und förderalen Staat wurde Stein vorübergehend zu einem zentralen historischen Bezugspunkt und Stifter demokratischer Traditionen in Deutschland. Auch wenn die Aussagen in ihrer Allgemeinheit recht unbestimmt bleiben, ist es interessant zu sehen, dass sich die Schulen in diesem Sinne weiterhin in ihrem Leitbild explizit auf Stein beziehen:

Dabei fühlen wir uns grundlegend in programmatischer Weise den Idealen unseres Namensgebers ‚Freiherr-vom-Stein‘ sowie des symbolischen Schutzpatrons, des Heiligen Martin verpflichtet. Maßgebliche Erziehungsziele unserer Schule sind demzufolge Selbstverantwortung, Mitverantwortung und Solidaritätsfähigkeit.“ (http://www.steinschule-bad-ems.de/Leitbild.htm; Zugriff: 8.12.2013)

Zahlreiche Schulen in ganz Deutschland (siehe http://de.wikipedia.org/wiki/Freiherr-vom-Stein-Schule; Zugriff: 8.12.2013) sind heute noch nach Stein benannt, darunter eine Grundschule in Nassau selbst (Umbenennung 1957; http://www.vgnassau.info/html/cs_6691.html) sowie in relativer Nähe das Freiherr-Vom-Stein-Gymnasium in Betzdorf-Kirchen (Umbenennung 1963; http://www.fvsgy.de/), die Grundschule Freiherr-vom-Stein in Bad Ems (Einweihung 1953; http://www.steinschule-bad-ems.de/) sowie die in der Steinstraße gelegene Stein(grund)schule in Koblenz (gegründet 1933; http://www.steinschule-koblenz.de/).

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Das Freiherr-vom-Stein-Denkmal in Nassau von 1953. Foto: Anne Bernsen, CC BY SA.

Die Häufung von Schulum- oder neubenennungen nach dem Freiherrn in den 1950er und den frühen 1960er Jahren ist keine regionale Besonderheit: Siehe z.B. die Umbenennung eines Frankfurter Gymnasiums 1945 (http://freiherr-vom-stein.de/unsere-schule/geschichte-namenspatron/), des Gymnasiums in Münster 1954 (http://www.freiherr-vom-stein-gymnasium-muenster.de/index.php/schule/geschichte) oder in Fulda 1959 (http://fvs-fulda.de/freiherr-vom-stein-schule-fulda/Die-FvSS/geschichte-der-schule.html). Sie sind Teil eines einen wahren ‚Stein-Booms‘ nach dem Zweiten Weltkrieg, der u.a. die Neugestaltung des im Zweiten Weltkrieg zerstörten Denkmals in Nassau und dessen Einweihung 1953 in Anwesenheit des Bundespräsidenten Heuss mit sich brachte. In die gleiche Richtung gehen weitere Initiativen der Nachkriegsjahre, die Steins Bedeutung als Orientierungspunkt für die junge Demokratie deutlich werden lassen. Dabei waren es vor allem die Bundesländer mit der kommunalen Selbstverwaltung, die sich auf Stein bezogen. In Hessen werden seit 1951 Städte und Gemeinden, in Rheinland-Pfalz seit 1954 Bürger für ihr kommunalpolitisches Engagement mit der Freiherr-vom-Stein-Plakette geehrt. Gleichfalls als kommunalpolitische Auszeichnung verleihen auch Schleswig-Holstein (seit 1957) sowie das Saarland (seit 1989) eine Freiherr-vom-Stein-Medaille. Die Begründung für diese Neuentdeckung und Neuinterpretation Steins als Leitfigur für die (west-) deutsche Nachkriegsgesellschaft fasste der erste Präsident der 1952 in Essen gegründeten Freiherr-vom-Stein-Gesellschaft wie folgt zusammen:

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Das Freiherr-vom-Stein-Denkmal in Nassau von 1953. Foto: Anne Bernsen, CC BY SA.

Wir wollten helfen, um unser Volk nach beispiellosem Niedergang wieder auf einen Weg zu führen, der seinen großen geistigen und sittlichen Leistungen in der Geschichte entspricht. […] Der Freiherr vom Stein schien uns der Mann zu sein, der am ehesten unter den großen Staatsmännern als Vorbild dienen konnte und der wegen seiner beispielhaften Haltung zu Lebensfragen unseres Volkes von allen, unabhängig von Partei und Konfession, hoch geachtet wurde. Stein hat durch seine Reformen und vor allem durch sein persönliches Wirken die Kräfte der Freiheit und der Verantwortung belebt. Er wusste, dass überbetonte individuelle Freiheit zum schrankenlosen Egoismus ausarten kann, und dass nur die Verbindung von Freiheit und Verantwortung die Sicherheit der Existenz unseres Volkes und dessen glückliche Zukunft verspricht.“ (Zitiert nach: http://www.freiherr-vom-stein-gesellschaft.de/geschichtekategorie.php?k=1; Zugriff: 9.12.2013)

Kern der vorliegenden Vorschläge zur unterrichtlichen Einbindung und Gestaltung einer Exkursion nach Nassau bzw. Frücht als außerschulischen Lernorten zur Demokratiegeschichte ist eine Analyse der selektiven Rezeption Steins und eine kritische Auseinandersetzung mit dem Wandel des Stein-Bildes im Laufe der Zeit.

2 Historische Hintergrundinformationen

Heinrich Friedrich Karl Freiherr vom und zum Stein wurde am 26. Oktober 1757 in Nassau geboren. Die Familie entstammte einem alten Reichsrittergeschlecht und hatte auf dem Schloss in Nassau ihren Stammsitz. Der Vater, Carl Philipp Freiherr vom und zum Stein, war, obwohl protestantisch, Kammerherr am Hof des Mainzer Kurfürsten. Die Erziehung Steins erfolgte in diesem Rahmen einer protestantischen, eng mit dem alten Reich und seiner Verfassung verbundenen Familie. In den Jahren 1773 bis 1777 absolvierte Stein ein Studium an der Universität Göttingen, die damals mit ihren Professoren zu den fortschrittlichsten im Reich zählte. Er studierte Geschichte und Rechtswissenschaften, verließ aber, wie damals für Adlige üblich, die Universität ohne Abschluss. Am Reichskammergericht in Wetzlar machte er ein Praktikum und war kurz am Regensburger Reichstag als Jurist tätig. Eine damals für Adlige übliche „Kavalierstour“ zum Abschluss der „Ausbildungsphase“ führte ihn an die Fürstenhöfe in Mainz, Mannheim, Darmstadt, München, Frankreich, Österreich und Ungarn. 1780 begann Stein dann seine Tätigkeit in der preußischen Verwaltung als Referendar im Bergbau in Westfalen. Zur Zeit der beginnenden Industrialisierung war dies ein Arbeitsbereich mit vielen Innovationen und hoher Dynamik, dem sich unter anderen auch Goethe in Weimar intensiv widmete. Stein machte in der Administration schnell Karriere. 1782 wurde zum Geheimen Oberbergrat und 1784 zum Direktor der Westfälischen Bergämter und der Mindenschen Bergwerkskommission ernannt.

Zwei Jahre später folgte eine längere Reise nach England. Aufgrund des offenkundigen technischen Fortschritts dort sammelte er Informationen für seine Arbeit in Westfalen, wurde aber kritisch beobachtet und wohl nicht ganz zu Unrecht auch der Industriespionage verdächtigt, was diese Reise zu keinem Erfolg werden ließ.

Seine persönliche Karriere ging dennoch weiter – zum Teil gerade wegen der schwierigen Situation während der Revolutionskriege, in denen er in den Westprovinzen Preußens stark gefordert war und ebenso viel Engagement wie Organisationsgeschick bewies. 1796 folgte die Ernennung zum Oberpräsidenten der westfälischen Kammern, 1803 zum Oberkammer-Präsidenten von Münster und Hamm. In dieser Zeit eignete sich Stein umfangreiche Kenntnisse der Verwaltungspraxis und ständischen Selbstverwaltung in Westfalen an. Im Oktober 1804 wurde er als Minister des Akzise-, Zoll-, Fabrik- und Handelsdepartements im Generaldirektorium und als Direktor der Seehandlung in die preußische Regierung nach Berlin berufen, wo er einen wirtschaftspolitischen Reformkurs unterstützte, der Preußen auf die Auseinandersetzung mit Frankreich vorbereiten sollte.

Stein stand allerdings in Opposition vor allem zur Personalpolitik König Friedrich Wilhelms III., der den „widerspenstigen Staatsdiener“ im Januar 1807 entließ. Stein kehrte nach Nassau zurück, wo er im Juni 1807 Denkschrift mit dem Titel „Über die zweckmäßige Bildung der obersten und der Provinzial-, Finanz- und Polizeibehörden in der preußischen Monarchie“, die als „Nassauer Denkschrift“ Geschichte machen sollte.

Nach dem Tilsiter Frieden wurde Stein erneut am 3. Oktober 1807 zum Staatsminister ernannt. Es folgten nun die kurzen, aber entscheidenden Monate seiner Reformtätigkeit in Preußen. Das von Stein nicht selbst vorbereitete, aber verantwortete Edikt vom 9. Oktober 1807 hob die bäuerliche Erbuntertänigkeit auf und beseitigte die Ständeschranken. Die Städteordnung sowie ein weiteres Edikt, das eine moderne Staatsführung mit Fachressorts ermöglichte, gehen wesentlich auf ihn zurück. Diesem „Aufbruch in die Moderne“ durch Steins wegweisende Reformen, die auch die Judenemanzipation in Preußen mit anstießen, stehen antijüdische Äußerungen gegenüber, die an Aggressivität kaum zu überbieten sind.“ (Duchhardt 2007, 451) Mit tradierten Vorurteilen und negativen Klischees begründete er seine Ablehnung des preußischen Emanzipationsedikts und entwickelte auch die Idee einer Ansiedlung der Juden in Nordafrika.

Weitere Reformgesetze wurden vorbereitet, konnten aber nicht mehr umgesetzt werden, da Stein aufgrund eines durch die Franzosen abgefangenen Briefes über eine mögliche Volkserhebung nach spanischem Vorbild gegen Napoleon kompromittiert war und als Minister entlassen werden musste. Ihm gebührte daraufhin die fragwürdige „Ehre“, als Einzelperson persönlich vom französischen Kaiser geächtet zu werden. Stein blieb nur die Flucht, die ihn zunächst ins Kaiserreich Österreich nach Böhmen führte. Stein wurde zu einem zentralen Organisator und Publizisten des Kampfes gegen die Herrschaft Napoleons. Er verband diesen Kampf allerdings mit einer Ablehnung und Abwertung alles Französischen. Sein Kampf richtete sich nicht allein gegen Napoleon. Durchhardt attestiert ihm eine „volks- und kulturbezogenen Frankophobie“ (Durchhardt 2007, 348). Auf Einladung von Zar Alexander I. ging Stein 1812 nach Russland und übernahm ab Oktober 1813 die vorläufige Verwaltung der von französischer Herrschaft befreiten Gebiete. Er geriet zunehmend in Gegensatz sowohl zum österreichischen Staatskanzler Metternich wie auch zum russischen Zaren. Am Wiener Kongress nahm er nur noch am Rand teil.

Seit 1814 konkretisierten sich zugleich bereits zuvor entstandene Pläne, eine Edition der mittelalterlichen Quellen des als deutsch“ verstandenen Reichs in Angriff zu nehmen. Stein gehörte zu den Mitbegründern der Monumenta Germaniae Historica und gab damit wichtige Impulse für die Entwicklung der Mediävistik. Im Sommer 1815 unternahm Stein gemeinsam eine Rheinreise mit Goethe, die beide abschließend auch zum Kölner Dom führte. In seiner Begeisterung für das hohe Mittelalter, das als Höhepunkt vermeintlich „deutscher“ Machtentfaltung in Europa neu interpretiert wurde, entdeckte er auch die Gotik, zu deren Verständnis als „deutscher Baukunst“ er beitrug und die sich dann auch in der Gestaltung des Gedenkturms am Schloss in Nassau, der Grabkapelle wie auch des ersten Denkmals niederschlug.

In der älteren Literatur wurden seine letzten 15 Lebensjahre nach dem Wiener Kongress nur noch kurz abgehandelt und als zurückgezogenes Leben auf seinem Gut und Schloss im westfälischen Cappenberg charakterisiert. Dank neuerer Publikationen muss dieses Urteil revidiert werden. Stein beteiligte sich aktiv an der Einrichtung und Gestaltung der westfälischen Provinzialtage und wurde 1826 als Landtagsmarschall zu deren Vorsitzenden ernannt. (Vgl. vor allem Duchhardt 2007) Stein kritisierte die Karlsbader Beschlüsse ebenso wie die Demagogenverfolgung. Zeit seines Lebens hatte er gegen fürstliche Willkür gekämpft und unterstützte daher den Konstitutionalismus der süddeutschen Staaten, in denen er seine Grundforderungen nach individuellen Rechten und ständischer Mitbestimmung umgesetzt sah. Dies ging so weit, dass er sogar in den Verdacht oppositioneller Umtriebe durch die Mainzer Zentraluntersuchungsbehörde geriet. Die Freiheitsbewegung in Griechenland unterstützte er finanziell, vergleichbaren nationalen Bewegungen seiner Zeit, wie etwa in Polen oder in Lateinamerika, stand er gleichfalls positiv gegenüber. Die liberale Bewegung hingegen lehnte er ab. Als es 1830 dann in Frankreich und Belgien erneut zu Revolutionen kam, kritisierte er diese scharf und äußerte seine Befürchtungen vor einer Einmischung des „Pöbels“ in die Politik. Stein war und blieb bis zum Ende seines Lebens ein Vertreter adelig-ständischer Interessen. Er verstarb am 29. Juni 1831. Nach einer aufwändigen, von ihm selbst geplanten Überführung von Westfalen mit mehrfacher Überquerung des Rheins wurde er am 23. Juli 1831 in Frücht beigesetzt.

3 Erinnerungsspuren (Auswahl)

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Denkmal von 2007 im Park. Foto: Anne Bernsen, CC BY SA.

Voraussetzung für einen Besuch in Nassau und/oder Frücht sollte die vorangehende Erarbeitung der preußischen Reformen, speziell der Nassauer Denkschrift sowie des Oktoberedikts, im Unterricht sein. Die Schülerinnen und Schüler sollten darüber hinaus vorbereitend einen kurzen Text mit zumindest einer überblicksartigen Darstellung zum gesamten Leben Stein lesen.

Nassau

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Neogotischer Turm des Stein’schen Schlosses in Nassau. Foto: Anne Bernsen, CC BY SA.

  • Stein’sches Schloss mit ab 1815 nach Vorstellungen von Stein gestalteten Gedenkturm (Führungen in Sommermonaten an einem Samstag im Monat sowie Besichtigung des Gedenkturmes für Gruppen nach Voranmeldung bei der Gräflichen Verwaltung unter 02604-97080 möglich)
  • Denkmalstatue im 2007 eingeweihten Freiherr-vom-Stein-Park in Nassau
  • Denkmal auf Anhöhe über der Lahn in Nassau von 1953

Frücht

 

Berlin

Weitere Denkmäler für oder mit dem dem Freiherrn vom Stein finden sich u.a. in Marburg, Köln und Wetter an der Ruhr.

4 Links und Literatur (Auswahl)

Monika Bauer, Blätter zum Land 2/2007: Karl Freiherr vom Stein, hg. v. Landeszentrale für politische Bildung, Mainz 2007, online verfügbar als PDF: http://www.politische-bildung-rlp.de/fileadmin/files/downloads/BzL_Frhr_v_Stein_2.pdf

Heinz Duchhardt, Stein. Eine Biographie, Münster 2007.

Heinz Durchhardt (Hrsg.), Stein. Die späten Jahre des preußischen Reformers 1815-1831, Göttingen 2007.

Heinz Duchhardt, Mythos Stein. Vom Nachleben, von der Stilisierung und von der Instrumentalisierung des preußischen Reformers, Göttingen 2008.

Hans Fenske, Freiherr vom Stein. Reformer und Moralist, Darmstadt 2012.

Institut für staatsbürgerliche Bildung (Hrsg.), Der Reichsfreiherr Karl vom und zum Stein 1757-1957, Koblenz 1957.

Landeshauptarchiv, Der 28. Juni 1953. Das Freiherr-vom-Stein-Denkmal in Nassau http://www.landeshauptarchiv.de/index.php?id=401

Stephan Kaiser, Gedenkturm in Nassau und Grabkapelle in Frücht. Erinnerungen an den Staatsmann Karl Freiherr vom und zum Stein (1757-1831), in: Denk-mal! Denkmäler im Unterricht, Bd. 1: Allgemeine Denkmäler, PZ-Information 4/1997, S. 45-58.

Karl-Heinz Schönrock, Der ‚große Sohn‘ der Stadt Nassau, in: Geschichte und Geschichte rund um das Nassauer Land. Internetseiten der Verbandsgemeinde Nassau, online: http://www.vgnassau.info/html/ref_51/cs_6598.html

Winfried Schüler, Das Herzogtum Nassau 1806-1866. Deutsche Geschichte im Kleinformat, Wiesbaden 2006.

Wolfram Siemann, Stein und der Konstitutionalismus der süddeutschen Verfassungsstaaten, in: Heinz Durchhardt (Hrsg.), Stein. Die späten Jahre des preußischen Reformers 1815-1831, Göttingen 2007, S. 59-82.

Marcus Weidner, Internet-Portal „Westfälische Geschichte“: Karl Freiherr vom und zum Stein (1757-1831), http://www.reichsfreiherr-vom-stein.lwl.org/.

Eröffnung des Forst-Mayer Studien- und Begegnungszentrum in Laufersweiler

Einmaliges Erinnerungsensemble zur Geschichte des deutschen Landjudentums in Laufersweiler im Hunsrück.

Jüdische Geschichte

Gestern fand die offizielle Eröffnung des neuen Studien- und Begegnungszentrums in der ehemaligen Synagoge in Laufersweiler statt. In Laufersweiler ist ein einmaliges Erinnerungsensemble zum deutschen Landjudentum erhalten. Die ersten Bemühungen um einen Erhalt des Synagoge, deren Gebäude die Reichspogromnacht 1938 20140706_164731nur aufgrund der engen Bebauung überstanden hat und die nach dem Krieg u.a. als Wäscherei gedient hat, gehen ins Jahr 1983 zurück.

In den zurückliegenden über 30 Jahren wurde durch engagierte Bürger mit Unterstützung der Gemeinde, des Landes und der EU eine Struktur geschaffen, die Laufersweiler heute zu einem herausragenden Lernort jüdischer Geschichte in Deutschland macht.

In dem Synagogengebäude, das aufgrund der Nachkriegsnutzung durch eine Zwischendecke in zwei Etagen aufgeteilt ist, befinden sich unten eine ältere Ausstellung zu jüdischer Kultur, Religion und Geschichte der Juden in Laufersweiler. In der ersten Etage ist nun das Studien- und Begegnungszentrum mit Bibliothek, Arbeitstischen und Computern. Die Bibliothek enthält neben allgemeinen Standardwerken zu jüdischer…

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App in die Geschichte – Funktionen und Unterrichtsideen 2: Mapping Game

Das Spiel ist eine Funktion der WebApp „App in die Geschichte“. Es basiert auf den Möglichkeiten der Georeferenzierung durch mobile Endgeräte und eignet sich besonders für die Arbeit mit Fotos und Gemälden. Die Perspektive der historischen Ansicht einer Quelle kann im aktuellen Stadt- oder Landschaftsbild gesucht werden. Die Kamera des Smartphones oder Tablets erlaubt eine Aufnahme der heutigen Ortsansicht. Die geographischen Koordinaten des Aufnahmestandpunkts werden mit Hilfe der GPS-Funktion des Geräts automatisch erfasst und mit beiden Aufnahmen, dem historischen Original- und dem aktuellen Bild, verknüpft. Dem Nutzer werden die gemachten Bilder zudem auf einer Landkarte (engl. map) angezeigt.

Andere Nutzer derselben Lerngruppe können die neuen Aufnahmen im Hinblick darauf bewerten, inwiefern sie die Perspektive des Originals tatsächlich wiedergeben. Der Autor des Fotos erhält für positive Bewertungen seiner Aufnahmen durch andere Nutzer Punkte für die Highscore. Es können bis zu fünf Sterne vergeben werden; jeder Stern entspricht einem Punkt in der Highscore-Wertung.

Das Mapping Game eignet sich besonders, Schülerinnen und Schüler durch praktisches Ausprobieren entdecken zu lassen, „dass Fotos etwas ‚intentional Gemachtes‘ sind, dass sie z.B. im Auftrag entstehen, bestimmten Konstruktions- und Wahrnehmungsgewohnheiten folgen und dass ihre handwerkliche Gestaltung etwas mit der beabsichtigten Wirkung zu tun hat. Es lohnt sich daher, Schülerinnen und Schüler öfter selbst fotografieren, sie z.B. eine fotografische Vorlage mit der eigenen Handy-Kamera rekonstruieren zu lassen und dabei den kompositorischen Entscheidungen des Fotografen nachzuspüren.“ (Andreas Weinhold, Fotografie, Zensur und Propaganda im Ersten Weltkrieg: Förderung historischer Bildkompetenzen, in: Medienbrief 1 (2014), S. 18).

Ideen für den Unterrichtseinsatz

Mit dem Mapping Game kann man gut in ein lokal- oder regionalhistorisches Thema einsteigen. Insbesondere die Themen historische Stadtentwicklung sowie Umgang mit den baulichen Überresten des kulturellen Erbes sind interessant. Die Schülerinnen und Schüler erhalten den Auftrag alte Ansichten ihres Schulortes im heutigen Stadtbild wiederzufinden. Die Aufnahmen der Lernenden werden mit den Originalansichten verglichen, um Kontinuitäten und Veränderungen des Ortes zu beschreiben und damit seine Historizität wahrzunehmen. Dies bildet den Ausgangspunkt für die Formulierung von Fragen oder Hypothesen für die weitere Arbeit.

Das Spiel eignet sich auch für Exkursionen und Klassenfahrten. Die Lehrkraft stellt eine Auswahl von thematisch ausgewählten Stadtansichten für die Lerngruppe zusammen. Anstatt oder auch vorbereitend zu einer Stadtführung erkunden die Lernenden die unbekannte Stadt mit Hilfe der Fotos und einem Stadtplan, indem sie die fotografierten Orte im heutigen Stadtbild wiederfinden und fotografieren. Die Fotos können dann zu einer Nachbereitung und Vertiefung des Ausflugs im Unterricht dienen.

Ansätze für thematische Fokussierungen sind vielfältig denkbar. So können u.a. chronologische Zugänge gewählt werden (die Stadt im Mittelalter, in der Frühen Neuzeit, im 19. Jahrhundert oder im Zweiten Weltkrieg), ebenso wie Bauwerke (Kirchen, Befestigungen etc.), Kunst-Epochen (Romanik, Gotik etc.), biographische (Geburtshaus, Schule, Gedenkplatten etc.) oder kategoriale Aspekte (wie Repräsentationen von Herrschaft im Stadtbild: Burg, Rathaus etc.). Falls keine Bilder im App-Archiv zur jeweiligen Stadt vorhanden sind, kann eine Kooperation mit dem jeweiligen Stadtarchiv angefragt werden, oft ist auch eine Online-Suche z.B. in den Wikimedia Commons hilfreich.

Unabhängig von der Verortung auf einer Karte kann mit selbst hochgeladenen Foto-Ikonen, Karikaturen oder Gemälden auch anders gearbeitet werden: Die Schülerinnen und Schüler erhalten dann den Auftrag, dasselbe oder verschiedene Bilder in einem eigenen Standbild nachzustellen und dieses als Referenzfoto hochzuladen. Alle Mitglieder der Lerngruppe können die selbst gemachten Fotos anschließend im Hinblick darauf bewerten, ob die Umsetzung gelungen ist.

Die Standbilder und Fotos sind natürlich kein Selbstzweck, sondern dienen der Annäherung an das Original und dessen Deutung. Es geht insbesondere um das Erkennen von Haltungen und dem Verhältnis der Personen zueinander, bei deren Erschließung ein Vergleich von Standbildern, Beobachtungen beim Standbildbau und die eigenen Empfindungen als Beteiligte im Standbild helfen können.

Weiterlesen: Funktionen und Unterrichtsideen Teil 3 – Tagging Game

Bild Mapping Game

Kriegsgefangenenlager als Erinnerungsorte 2 – Lamsdorf/Łambinowice als Lernort

Łambinowice ist heute ein unscheinbarer Ort, der in der Woiewodschaft Opole liegt. Der deutsche Ortsname ist vielen bekannt und im Gedächtnis geblieben: Lamsdorf. Dort gab es seit dem deutsch-französischen Krieg wiederholt Kriegsgefangenen-, Arbeits- und Durchgangslager.

Mir sagte das nichts bis zur Studienfahrt vor zwei Wochen, auf der wir einen ganzen Tag in Łambinowice selbst sowie einen halben Tag im Kriegsgefangenen-Museum und -Archiv in Oppeln verbracht haben. Der Ort hat mich tief beeindruckt. Ich vermute, dass sowohl der historische Ort als auch sein didaktisches Potential bei deutschen Lehrkräften wenig bis gar nicht bekannt ist, deshalb möchte ich beides in diesem Blogbeitrag darstellen, in der Hoffnung den ein oder anderen vielleicht zur einer Fahrt dorthin motivieren zu können.

Die Geschichte eines Militärstandorts in Lamsdorf reicht bis in die preußische Zeit zurück: 1860 begannen die Planungen zur Einrichtung eines Truppenübungsplatzes wurde in der Nähe des Orts. Den Namen Lamsdorf erhielt der Truppenübungsplatz ab 1900. Im deutsch-französischen Krieg 1870/71 wurde der Ort zum ersten Mal als Lager für französische Kriegsgefangene genutzt. Gräber der französischen Gefangenen finden sich noch auf dem alten Friedhof heute und sind die ältesten erhaltenen Überreste. Nach 1871 war der Ort wiederum Exerzier- und Übungsplatz. Zahlreiche Fotos und Postkarten dokumentieren diese Zeit und lassen sich gut im Unterricht einsetzen.

Im Ersten Weltkrieg erfolgte ein größerer Ausbau und wiederum eine Nutzung als Kriegsgefangenenlager. In Lamsdorf waren u.a. russische,

Gräber rumänischer Soldaten. Datierung des Krieges auf den Gedenkplaketten: 1916-1919

französische, britische, rumänische  und serbische Soldaten interniert. Über 7000 von ihnen starben durch Auszehrung und Unterernährung.

Nach dem Ersten Weltkrieg und der Abtretung von Teilen Oberschlesiens an das wieder errichtete Polen richtete man im ehemaligen Kriegsgefangenlager ein Sammelzentrum für Aussiedler aus den nun polnischen Gebieten Oberschlesiens ein. Danach wurden während der Weimarer Republik hier Sportstätten und ein Stadion errichtet, die dann von den Nationalsozialisten in der Folge auch für die Neuorientierung der Sporterziehung zur Wehrertüchtigung von Schülern genutzt wurden. Spätestens ab dem 26. August 1939 wurden auf dem daneben weiter existierenden Militärgelände mit der Neueinrichtung eines Kriegsgefangenenlagers konkrete Kriegsvorbereitungen unternommen.

Zunächst war Lamsdorf ein Durchgangslager (DuLag) und wurde dann ab Mai 1940 mit dem Eintreffen britischer Gefangener zu den größten Stammlagern (StaLag) der Wehrmacht während des Zweiten Weltkriegs. Im Lauf des Kriegs wurden hier fast alle Gegner Deutschlands interniert: u.a. Franzosen, US-Amerikaner, Griechen, Jugoslawen, Polen (besonders aus dem Warschauer Aufstand als über 6000 Aufständische nach Lamsdorf gebracht wurden) und vor allem Soldaten der Sowjetarmee.

Entsprechend der NS-Ideologie erfuhren die Gefangenen eine sehr unterschiedliche Behandlung. Die Soldaten der Sowjetunion waren in eigenem Lagerkomplex untergebracht und bildeten mit insgesamt rund 200.000 Gefangenen, von denen über 40.000 gestorben sind, die bei weitem größte Gruppe. Für sie wurden auch keine Einzel-, sondern nur noch Massengräber angelegt.

Im Januar erfolgte die Evakuation des Lagers mit Märschen ins Zentrum Deutschlands. Kranke und Schwache wurden im Lager zurück und sich  selbst überlassen. Mitte März befreite die Rote Armee die Gegend und damit auch das Lager.

Ab Juli 1945 bis zum Herbst 1946 wurde in der Nähe ein Arbeits- und „Umsiedlungs“-Lager für Schlesier aus den umliegenden Dörfern errichtet. In der Erinnerungsliteratur ist dieses auch als „Hölle von Lamsdorf“ (so der Titel des Buchs von Heinz Esser) bezeichnet. Man schätzt, dass ca. 1000-1500 Menschen in diesem Lager gestorben sind.

Heute befinden sich auf dem riesigen Gelände der verschiedenen Lager noch Überreste einzelner Baracken, zahlreiche Denk- und Mahnmäler aus unterschiedlichen Zeiten, ein Friedhof sowie ein Museum. In seiner Kontinuität dürfte der Ort einmalig sein. An der kurzen Zusammenfassung seiner Geschichte lässt sich erkennen, dass hier nicht nur deutsch-polnische, sondern wie in einem Brennglas 150 Jahre europäischer Geschichte anschaulich und erfahrbar werden.

Als Einstieg vor Ort oder im Klassenzimmer kann der im Januar 2012 sehr professionell und aufwändig erstellte Film zur Geschichte des Ortes dienen, der auf der DVD auch in einer deutschsprachigen Version verfügbar ist. Auf Youtube findet sich eine kurze Zusammenfassung auf Polnisch, die aber einen guten Eindruck des insgesamt etwa 20 Minuten langen Films vermittelt:

Die Wikipedia-Artikel sind noch etwas dürftig und in der deutschen Version fokussiert auf das Nachkriegslager. Als Einführungslektüre kann ich den Sammelband von Edmund Nowak empfehlen, der auch auf Deutsch vorliegt und der auch einige Statistiken und Fotos beinhaltet, mit denen im Unterricht gearbeitet werden kann:

Edmund Nowak (Hg.), Lager in Lamsdorf/Łambinowice (1870-1946), Opole 2009 (Polnische Originalversion 2006).

Das Museum in Łambinowice bietet ein pädagogisches Programm auch auf Deutsch an. Auch deutschsprachige Arbeitsmaterialien für Schülergruppen sind vor Ort verfügbar. In der Regel kommen Schülergruppen ab 15 Jahren sowie Studierende.

Die Ausstellung im Museum besteht aus drei Räumen, von denen der erste Anfang dieses Jahres komplett neu gestaltet wurde und das Thema Kriegsgefangenenschaft allgemein in den Blick nimmt.

Ein Eindruck der musealen Inszenierung des neu gestalteten ersten Raumes der Dauerausstellung.

Die Inszenierung ist auf den ersten Blick fesselnd. Die Kollegen der Studienfahrt fanden allerdings, dass die Texte zu den Objekten deutlich zu tief angebracht sind und durch die verschiedenen Multimediastationen und Videoinstallationen mit offener Lautsprecherbeschallung eine zu hohe Lautstärke ensteht.

Die beiden weiteren Räume sind der Geschichte der Lager in Lamsdorf sowie der Geschichte von Katyn gewidmet. Dieser Ausstellungsteil ist bereits einige Jahre alt und soll demnächst überarbeitet und ergänzt werden. So ist z.B. die Geschichte des Nachkriegslager zwar im Film aufgegriffen, in der Ausstellung aber noch ausgespart. Ein Denkmal wurde 1995, der Friedhof für die deutschen Nachkriegsopfer 2002 eingeweiht.

Interessant in diesem Zusammenhang, eventuell auch als Material für den Unterricht, sind ein Artikel im Spiegel zum zweiten Prozess gegen den polnischen Lagerkommandanten 2001 sowie eine Besprechung der FAZ zur 2004 erschienen deutschen Übersetzung des Buches zum System der Nachkriegslager im Oppelner Schlesien von Edmund Nowak.

Die Auseinandersetzung mit dem Ort Lamsdorf sollte auch die Geschichte und Gegenwart des (unterschiedlichen) Gedenkens mit umfassen. Die Ausstellung ist dazu noch nicht geeignet, die zahlreichen Denkmäler und Infotafeln auf dem Gelände sehr wohl. Auch die Eintragungen in den Gästebüchern können durchgesehen und thematisiert werden. So kommen z.B. viele Besucher auch aus Übersee, aus Australien oder den USA: Es sind die Enkel und Urenkel, der in den beiden Weltkriegen inhaftierten Soldaten und Offiziere, die über Familienerzählungen und Tagebücher ihrer Vorfahren den Wunsch entwickeln, diesen Ort zu besichtigen.

Zum offiziellen Gedenken fehlen noch Lernmaterialien. Am großen Ehrenmal finden mehrfach im Jahr Gedenkfeiern und Kranzniederlegungen statt. Allerdings noch nie von einer offiziellen sowjetischen oder russischen Delegation, auch hier sind es die Nachfahren der Kriegsgefangenen, die den Ort aufsuchen. Gefangenenahme im Krieg wurde in der Sowjetunion als Verrat betrachtet. Die verstorbenen Kriegsgefangenen waren folglich keine Helden, die überlebenden Heimkehrer waren starken Repressionen ausgesetzt, viele von ihnen kamen nach ihrer Kriegsgefangenenschaft in ein sowjetisches GuLag.

Ergänzend zu Łambinowice lohnt sich der Besuch im zentralen Kriegsgefangenenmuseum und -archiv in Oppeln. Um genau zu sein, ist das Museum weniger lohnenswert, wenn man bereits vor Ort in Łambinowice war. Die kleine Ausstellung richtet sich vor allem an jene, die nicht zum Lager selbst fahren. Was sich hingegen sehr lohnt, ist das Archiv. Auch hier gibt es ein eigenes archivpädagogisches Angebot. Das Archiv hat umfangreiche Bestände von Kriegsgefangenenakten mit einem Schwerpunkt im Zweiten Weltktrieg. Die Aktenbestände stammen nicht nur aus Lamsdorf. Ergänzt werden die überwiegend auf Deutsch verfassten Akten durch eine große Fotosammlung. Nach Anmeldung und Absprache mit den Pädagogen kann hier an Archivalien in Form von Geschichtswerkstätten sowohl mit deutschen wie auch mit deutsch-polnischen Gruppen hervorragend projektorientiert geforscht und gelernt werden.

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Geocaching: historisches Lernen vor Ort und unterwegs

Auf den Geschichtsseiten des Bildungsservers Rheinland-Pfalz findet sich neu ein Artikel zum Geocaching:

http://geschichte.bildung-rp.de/entwicklung/geocaching.html

Der Beitrag ist eine erweiterte und überarbeitete Version des Texts, der vor kurzem hier im Blog erschienen ist.