Angeregt durch den Verweis auf dem Paderborner FNZ-Blog lese ich gerade das neue Buch von Wolfgang Schmale. Darin schien mir eine Beobachtung ganz interessant, die auch teilweise helfen kann, die vom „Basler Kaffeekränzchen“ aufgeworfene Frage nach der Zurückhaltung von Geschichtswissenschaftlern beim Bloggen zu beantworten:
„Die meisten Studierenden nehmen die Sache mit den digitalen Medien pragmatisch hin, ohne dabei unkritisch zu sein. Im Grunde bevorzugen sie die Arbeit mit dem Buch, mit Gedrucktem, weil dies – paradoxerweise – wohl weniger aufwändig als die Arbeit mit einem bestimmten digitalen Medium, dem Internet bzw. WWW, zu sein scheint […] gerade weil eine Reihe von Qualitätsprüfungen von anderen vorab durchgeführt wurde, während im Web die Qualitätsprüfung und -bestimmung auf den individuellen Nutzer zurückfällt.“ Schmale (2010, S. 21f.)
Ein ähnliches Verhalten sehe ich auch bei Schülern in meiner Unterrichtspraxis. Nur wenige sind begeistert von der Arbeit mit Computer und Internet. Für die meisten ist diese Art von Arbeit schwieriger, sowohl was die Handhabung der Technik als auch was die von Schmale angesprochene Qualitätsprüfung angeht. Ich denke, es geht also nicht nur um das Bloggen selbst, sondern um den gestaltenden Umgang mit digitalen Medien. Es ist schlicht Arbeit und zwar viel Arbeit, gerade die Pflege eines Blogs. Das ist Arbeit, die, wie vielfach angemerkt (noch?) nichts für die wissenschaftliche Karriere bringt und bei der man nicht weiß, ob sie gelesen wird und wenn ja, von wem. Siehe dazu auch den Kommentar eines Lesers von gestern, der eine Außenperspektive auf die Blogosphäre vermutlich ganz gut zum Ausdruck bringt.
Wenn nicht gerade in der Schule oder der Uni mit Gastzugang auf einer zentralen Plattform publiziert wird, geht wohl in der Regel die intensive Rezeption der aktiven Teilhabe voraus. Dabei sind die Vorbildfunktion von Lehrenden und die Anerkennung durch Peer-Gruppen natürlich wichtige Motivationsfaktoren. Der Verweis auf Blogbeiträge zur Meinungsbildung, Vorbereitung von Themen und Anregung von Diskussionen in Schule und Universität wäre schon ein erster wichtiger Schritt.
Das Bild des Kaffeekränzchens war zunächst nicht so gemeint, gibt aber m.E. sehr gut die deutsche Geschichtsblogosphäre wieder, die aus einer überschaubaren Gruppe mehr oder minder miteinander bekannter Menschen besteht, die sich über für sie relevante Sachverhalte austauschen; wie beim Kaffeekränzchen eben, nur dass hier niemand dazu einlädt und die Kommunikation über Blogs, Links und Kommentare erfolgt (und man im schlimmsten Fall, falls die Kollegen nicht so nett sind, seinen Kaffee selbst kochen muss; dafür hat man dann aber auch keine lästigen Gäste am Wohnzimmertisch, die länger bleiben, als einem lieb ist).
Interessant bleibt die gleichfalls in Basel benannte Kluft zwischen deutsch- und englischsprachiger Mediennutzung im Bildungsbereich, die sich auch auf Schulebene zeigt. Der geneigte Leser möge nur einmal auf Twitter die Beiträge unter den Hashtags #Geschichte und #history oder noch deutlicher #Geschichtsunterricht und #historyteacher vergleichen.
Das gleiche Bild ergibt sich auch beim Einsatz von Social Bookmarking: Während die im Mai 2009 eingerichtete anglophone Gruppe auf Diigo gerade vor wenigen 600 Mitglieder überschritten hat, sind es in einer ein halbes Jahr später eingerichtete deutschsprachige Gruppe zählt bis heute gerade mal acht Mitglieder. Vergleichbare Gruppen bei anderen Anbietern sind mir nicht bekannt. Die große Diskrepanz hat sicher mit der größeren Reichweite der englischen Sprache zu tun, aber allein reicht das als Erklärung nicht aus.