in europe: „history caught in the act“

Am vergangenen Wochenende habe ich das gemeinsame Projekt des europäischen Geschichtslehrerverbands euroclio und des niederländischen Fernsehsenders VPRO noch in Brüssel auf einem Seminar vorgestellt.

Jetzt ist das Projekt gestartet und die Materialien sind online verfügbar:

https://www.vprobroadcast.com/titles/in-europe-schools.html

An der Erarbeitung der beiden ersten Materialpakete habe ich in dem internationalen Team mitgearbeitet. An den weiteren Materialien werde ich aufgrund beruflicher Veränderungen leider nicht mehr mitarbeiten können.

Ausgehend von der TV-Serie, die erst Ende Dezember im niederländischen Fernsehen startet, haben wir für den Unterricht Kurzfassungen („Starter Clips“ genannt) erstellt, die das Thema in maximal 15 Minuten anreißen und verschiedene Blickwinkel aufzeigen. Davon ausgehend kann dann mit den Materialien weitergearbeitet und das Thema vertieft werden. Die Filme sind immer in Originalsprache, ausgehend von der beispiehaften Geschichte, die erzählt wird (bei „Difficult History“ Bosnien, bei „Migration“ Deutschland und Ghana) und die jeweils Englisch untertitelt sind. Alle Starterclips sowie die komplette Fernsehserie soll im kommenden Jahr dann in 5 Sprachen, darunter u.a. Deutsch, übersetzt und frei zugänglich gemacht werden. Um einen Eindruck von diesen „Starter Clips“ zu bekommen, ist hier das Video zum Thema „Migration“:

Bei aller Befangenheit scheint mir das Projekt in mehrfacher Hinsicht innovativ und mitmachenswert:

– Die Schülerinnen und Schüler erstellen selbst Videos, die sie über YouTube mit anderen Klassen in Europa teilen und diskutieren.

– Lokale und europäische Perspektive(n) sind durchgängig von Beginn bis Ende des Projekts miteinander verknüpft.

– Zum Erstellen der Videos hat VPRO eine Reihe von professionellen und hilfreichen Videoanleitungen erstellt, u.a. zur Recherche, zum Schnitt, zum Führen von Interviews.

– Zur Bewertung der Schülerarbeiten – gegenseitig durch Mitschüler oder durch Lehrer/innen –  haben wir ein bewusst einfach gehaltenes Raster entwickelt (Download als PDF), das den Schülerinnen und Schüler zu Beginn der Videoarbeit bereits ausgeteilt  werden sollte, dies sorgt für Transparenz und ein Bewusstsein für die Qualitätskriterien bei der Videoarbeit

– Das Projekt beruht auf einer Kooperation von zwei Klassen aus unterschiedlichen europäischen Ländern – VPRO und euroclio vermitteln über ein Online-Kontaktformular während der Laufzeit des Projekts allen Interessierten Partnerschulen bzw. Partnerklassen in Europa

– Die Materialien, insbesondere die Videos, aber auch die in den Unterrichtseinheiten skizzierte Heransgehensweise können auch langfristig losgelöst von Kooperationen für Unterricht und Projektarbeit in der eigenen Schule genutzt werden, so sind z.B. die Tutorials zum journalistischen Arbeiten unabhängig vom Projekt „in europe“ interessant und hilfreich für die Medienbildung in Schulen

Zusammenfassend lässt sich sagen: Wer sich auf das Projektarbeit mit „in europe“ einlässt, öffnet seinen Unterricht und schulisches Lernen inhaltlich, medial und räumlich. Wenn wir bei der Erstellung der Materialien nicht alles verkehrt gemacht haben, dann sind diese so strukturiert, dass sie auch vielleicht etwas unsichereren Lehrerinnen und Lehrern helfen, sich auf diese Form von Projektarbeit einzulassen, Kontrolle abzugeben und zugleich Schülerinnen und Schüler mehr Verantwortung und eigene Ausdruckmöglichkeiten zu geben.

Es würde mich freuen, wenn das Projekt und die Materialien eine breite Verwendung fänden. Bis Mitte 2020 läuft zunächst auch noch die Pilotierung. Wir freuen uns über konstruktive Rückmeldungen, um die vorhandenen Unterrichtseinheiten zu verbessern und die drei noch folgenden entsprechend aufzubauen und zu gestalten.

„Jüdische Erinnerung bewahren – Geschichte zum Leben erwecken“

So lautet das (deutsche) Motto von Centropa. Um dies vorweg zu sagen: Dies ist ein kleiner Beitrag, mit dem ich auf die Angebote von Centropa aufmerksam machen möchte – also quasi Werbung, aber einzig aus zwei Gründen: weil Centropa für den Unterricht sehr gute Lehr- und Lernmaterialien bereitstellt und offenkundig viel zu wenig Lehrerinnen und Lehrer in Deutschland dieses Angebot bisher kennen.

Anfang der Woche war ich auf der Fachtagung „Jüdisches Erbe“ und habe in einem Workshop versucht, einen Überblick über Online-Angebote zur jüdischen Geschichte und Kultur zu geben. Dabei habe ich auch Centropa kurz vorgestellt und war überrascht, dass keiner der Teilnehmenden Centropa kannte, obwohl auf der Fachtagung fächerübergreifend Lehrerinnen und Lehrer waren, die bereits engagiert, jüdische Geschichte und Kultur in Projekten und Unterricht aufgreifen.

Herzstück der Arbeit von Centropa sind zum einen Vernetzungsangebote für Lehrende und Lernende durch (Wander-) Ausstellungen, Seminare und Workshops – aktuell auch in dem Trans.History-Projekt mit einem besonderen Fokus auf der Ukraine und der Republik Moldau. Zum anderen finden sich online zahlreiche Videos, die aus Interviews mit Shoa-Überlebenden entstanden sind. Dabei hat Centropa einen ganz eigenen Stil entwickelt, diese Lebensgeschichten visuell zu erzählen, den ich für sehr ansprechend und auch für den Einsatz im Unterricht besonders geeignet halte. Zu vielen Filmen und Lebengeschichten gibt es auch für den Unterrichtseinsatz aufbereiteten Ideen und Lehrmaterialien.

Als Beispiel soll der Film „Rückkehr nach Rivne“ dienen, der die Geschichte von zwei jüdischen Mädchen im heute im ukrainischen Rivne erzählt, wie sie in einem Versteck den Holocaust und den Krieg überlebt haben:

Eine Version des Films mit deutschen Untertiteln findet sich auf den Projektseiten von Trans.History. Für den Geschichtsunterricht in Deutschland kann der Film zum Beispiele als ein Einstieg dienen, der einerseits konkret und anschaulich ist, zugleich aber zahlreiche Fragen und Anknüpfungspunkte zum Zweiten Weltkrieg und dem Holocaust aufwirft, mit denen im Anschluss weitergearbeitet werden kann.

Zudem – und auch das scheint mir ein guter Grund, mit diesen Videos im Unterricht zu arbeiten – wird die Geschichte der Menschen in den Filmen von Centropa als Lebensgeschichte erzählt und nicht auf den Holocaust reduziert. Da zahlreiche Filme und Fotos verfügbar sind, die Lebensgeschichten in einer Datenbank über Namen, Orte sowie Schlagwörtern suchbar sind, können regionale Bezüge hergestellt werden und das große Angebot eignet sich in besonderem Maße für differenzierende Zugänge mit unterschiedlichen thematischen Schwerpunkten oder offenen Formen von Projektunterricht.

Digital Storytelling & Jewish memory

Film: Rückkehr nach Rivne von Centropa. Weitere Videos, Infos zu den Biographien und zu den aktuellen Projekten in der Ukraine und Moldawien unter Trans.History.

Die biographischen Videos eignen sich auch, um mit den von Euroclio im „Decisions und dilemmas“-Projekt entwickelten Anregungen zum Lernen mit „life stories“ im Unterricht zu arbeiten.

Original oder Fälschung? Annäherung an eine Checkliste zur Prüfung digitaler historischer Bildquellen

Die Frage stellen sich nicht nur Geschichtswissenschaftler und Kunsthistoriker, auch Journalisten müssen tagtäglich ihreMerlin2525-Original-Business-Stamp-2-800px „Quellen“ prüfen. Eike Rösch hat in der letzten Woche im Medienpädagogik-Praxisblog auf eine Zusammenstellung der Journalistengruppe „First draft“ hingewiesen, die einen Kriterienkatalog (PDF) vorgelegt hat, um die Authentizität digital vorliegender Fotos und Videos zu prüfen.

Interessanterweise sieht die Gruppe eine volle Bestätigung immer erst durch direkte Kommunikation mit dem Urheber des Bildes bzw. Videos sowie ggf. ein weiteres Prüfelement wie die Übereinstimmung von Landschaft und Wetter im Setting als gegeben an. Für das Prüfen historischer Fotos und Videos dürfte das Gespräch mit dem Autor in der Regel nicht mehr möglich sein – selbst wenn, ist es für die Lern- und Arbeitssituation z.B. in einem schulischen Kontext in der Regel nicht realistisch. Über ein soziales Netzwerk oder eine Suchmaschine wird man auf historische Bilder aufmerksam, wie lassen sie sich diese vergleichsweise schnell und sicher prüfen? Es geht dabei vor allem um die Frage: Zeigt die historische Aufnahme tatsächlich das, was auf Twitter, Facebook & co behauptet wird, dass sie es abbildet bzw. könnte das abgebildete Geschehen so stattgefunden haben?

Das Thema ist bereits einmal ausführlich in diesem Blog diskutiert worden (siehe hier). Auch wenn die Fragen der Journalisten nicht eins zu eins auf historische Quellen übertragbar sind, geben sie doch gute, weiterführende Anregungen zur Prüfung digitaler Bildquellen.

Daher hier der Versuch das Schema der Journalistengruppe für den Geschichtsunterricht zu adaptieren. In dieser Ausführlichkeit ist dies sicher nicht oft möglich, aber exemplarisch sinnvoll, um die Arbeitsschritte kennenzulernen und einzuüben und ggf. für eigene Recherchen, Referate oder Ausarbeitungen darüber verfügen zu können. An den W-Fragen wird deutlich wie ähnlich dieses Verfahren der klassischen Quellenkritik ist, auch wenn die verwendeten Werkzeuge digital sind. Entscheidend bei der Prüfung ist das Zusammenführen der Antworten zu allen Fragen, erst dies lässt mit hoher Wahrscheinlichkeit Fälschungen, Remixe und andere nachträgliche Veränderungen ausschließen.

1 Liegt das Originalbild vor?

Um dies zu prüfen, kann das Foto in eine Bildersuchmaschine eingefügt werden. Findet sich in der Bilderrückwärtssuche nur das gesuchte Foto in exakt identischer Weise und auch kein Bild, das Teile des gesuchten Fotos enthält, ist dies ein erster Hinweis darauf, dass man eine unveränderte Aufnahme vorliegen haben könnte. Ob ein Bild, z.B. mit Photoshop, bearbeitet wurde, lässt sich auch mit der Online-Software FotoForensics prüfen: Dort kann ein Bild hochgeladen oder eine URL angegeben werden. Das Programm führt eine Fehlerstufen-Analyse (ELAError Level Analysis) durch, die die Bilder auf unterschiedliche Kompressionsstufen hin untersucht.

2 Wer ist der Fotograf?

Wenn die Information nicht bei der Aufnahme dabei ist, lässt sich dieses gleichfalls über die Bildersuche feststellen. Finden sich auf diese Weise verschiedene mögliche Autoren für das Bild, kann besonders Einträge von Archiven, Museen und ähnlichen Einrichtungen – auch wenn ihnen immer wieder mal ein Fehler unterläuft – als besonders glaubwürdig eingeschätzt und entsprechend genutzt werden. Im Idealfall ist das Originalfoto sogar im Bestand des Archivs oder Museums, auf dessen Seite man Informationen dazu gefunden hat.

Der Name kann auch zur weiteren Recherche dienen, um mehr über die Person und die möglichen Umstände der Entstehung der Fotografie zu erfahren, z.B. über biographische Aspekte: Hat die Person zu dem Zeitpunkt des Fotos schon/noch gelebt? Ist bekannt, ob sich die Person zu diesem Zeitpunkt in dem Ort bzw. Land aufgehalten, wo das Foto entstanden ist?

3 Wo wurde das Foto aufgenommen?

Ob sich beim Bild selbst kein Hinweis findet oder einer angegeben ist, prüfen lässt sich der Ort der Aufnahme durch Vergleiche mit ähnlichen Bildern (siehe oben Bildersuche) Hinweise liefern. Ein Abgleich mit ähnlichen Bildern, ein Prüfen möglicherweise vorhandener Textelemente im Bild (Sprache, Stil), bei Personen der Kleidungsstil sowie typischer Landschafts- oder Architekturmerkmale erlauben ggf. eine ungefähre, machmal auch genaue Verortung der Aufnahme. Die verschiedenen Elemente sollten zueinander stimmig sein. Landschaftsmerkmale lassen sich zusätzlich durch digitale Kartenwerkzeuge, wie z.B. Google Maps und Google Earth, überprüfen.

4 Wann wurde das Foto aufgenommen?

Die Exif-Daten helfen bei digitalisierten Fotos nicht weiter, zukünftig werden sie ein wichtiges Element der Prüfung für alle Aufnahmen nach Einführung dieser Metadatenaufzeichnung in digitalen Geräten darstellen. Das Bild sollte genau betrachtet werden, um möglicherweise vorhandene Anachronismen für das vermutete oder angegebe Aufnahmejahr zu entdecken.

Datum, Zeit und Ort sollten zumindest bei Außenaufnahmen anhand der Schatten geprüft werden. (Dies gilt im übrigen grundsätzlich: Bei möglichen Zweifeln zunächst einmal das Bildmaterial daraufhin untersuchen, ob es Unterschiede oder Unstimmigkeiten im Schattenwurf bzw. der Ausleuchtung gibt.) Ist ein Aufnahmedatum angegeben, kann bei Außenaufnahmen auch ein Abgleich mit historischen Wetterdaten für den Ort der Aufnahme zur Überprüfung herangezogen werden. Am einfachsten ist die Suche mit WolframAlpha (hier eine Beispielsuche für den 30. Januar 1933 – siehe aber auch Deutscher Klimaatlas und für globale Daten auf Englisch für den Zeitraum 1900-2010: ERA-20c).

5 Warum wurde das Foto aufgenommen?

Um dies für historische Aufnahmen zu prüfen, ist entweder eine Kontextualisierung des Fotos in der Biographie des Autors oder in der Erstveröffentlichung notwendig. Zu beiden kann eine Bilderrückwärtssuche (siehe oben) direkt führen. Bei mehreren Fundstellen sind entweder die angegebenen Metadaten heranzuziehen oder die älteste Fundstelle herauszufinden. Ggf. ist eine ergänzende Recherche zum Autor notwendig. Ein Abgleich der biographischen Informationen mit den Hinweisen zur Erstveröffentlichung (Hat dieser Fotograf für diese Zeitschrift gearbeitet? Hatte dieser Nutzer einen Account bei „Wer kennt wen?“ usw.) kann als zusätzliche Prüfung dienen.

85.000 historische Videos online – was macht der Geschichtsunterricht damit?

Das Video mit dem Bericht darüber, wie Arnold Schwarzenegger 1969 Mr. Universe wurde, ist das beliebste, aber vermutlich nicht das historisch interessanteste, sondern wohl eher in der Kategorie „kurios“ zu verorten. Es ist aber nur eines von insgesamt 85.000 Videos. Die Filme aus dem Archiv der britischen Pathé stehen nun auf Youtube online. Eine riesige Fundgrube für Historiker, aber auch für den Geschichtsunterricht.

Es stellt sich allerdings die Frage, wie diese Masse an digitalisiertem Filmmaterial für den Geschichtsunterricht genutzt werden könnte. Bislang wählt die Lehrkraft Filmmaterial aus, überlässt den Lernenden allenfalls innerhalb einer Auswahl die Entscheidung.

Natürlich lassen sich diese Quellensammlungen ignorieren oder als Materialfundus für Lehrkräfte nutzen. Natürlich lässt sich so weitermachen wie bisher: Schulbuch und Lehrkraft wählen das Lernmaterial aus. Aus pragmatischen Gründen war das bislang sinnvoll, weil der Gang ins Archiv oder in die wissenschaftliche Bibliothek nicht jede Stunde möglich ist. Nun stellt sich die Frage aber nur noch didaktisch. Die Quellen stehen digitalisiert online und sind jederzeit und überall verfügbar, aber kann die Arbeit mit solchen umfangreichen Quellenbeständen im Geschichtsunterricht sinnvoll sein oder stellt dies eine Überforderung der Lernenden dar?

Der Geschichtsbewettberb des Bundespräsidenten zeigt, dass – auch junge – Schülerinnen und Schüler selbstständig mit Quellen arbeiten können. Die eigene Frage an die Geschichte und das Projekt als Arbeitsform nicht mehr als Ausnahme, sondern als Regel. Der einfache und schnelle Zugriff auf so viel filmisches Quellenmaterial ermöglicht Formen historischen Lernens, wie wir sie eben z.B. vom Geschichtswettbewerb kennen, mit neuen Lernprodukten, verlangt aber auch andere Kompetenzen auf Seiten der Lernenden wie der Lehrenden.

Erste Ideen zur Arbeit mit großen digitalisierten Quellenbeständen im Unterricht hatte ich im Rahmen der Tagung der Europeana Sammlungen 1914-1918 in Berlin vor ein paar Wochen vorgestellt. Nachdem wir in den letzten Jahren vor allem digitale Tools in den Blick genommen haben, werden nun zunehmend digitalisierte Quellenbestände verfügbar, die grundlegende Fragen für Geschichtsunterricht und -didaktik aufwerfen und gemeinsam mit notwendigerweise vorhandenen Geräten – Stichwort: BYOD – zu didaktischen und methodischen Veränderungen historischen Lernens in der Schule führen könnten, ja, meiner Meinung nach, eigentlich führen müssen.

Lernvideos zur jüdischen Geschichte

In dem Projekt zur jüdischen Geschichte in Koblenz sind zwei weitere Videos fertig und online gestellt. Sie können im Projektblog oder auf Youtube angesehen werden. Aus der Arbeit an dem Geocache und den Videos ist übrigens quasi als Nebenprodukt auch ein neuer Artikel in der Wikipedia zur Judengasse in Koblenz entstanden.

Das genannte Projekt ist übrigens auch ein Grund für die Anmeldung zum COER13. Da ich selbst versuche, Materialien aus dem Unterricht zu entwickeln und als Open Educational Resources bereitzustellen (siehe auch die Unterrichtsreihe zum Alten Ägypten), hoffe ich in dem Kurs auf konkrete Anregungen und Tipps zu bekommen und freue mich auf die Diskussionen zur Bedeutung und Entwicklung von OER im deutschsprachigen Raum, auch wenn ich, ganz ehrlich, noch nicht absehen kann, wieviel Zeit ich in den nächsten Wochen in den Kurs investieren kann.

Erstellen eines Geschichtslernvideos

Für alle, die vielleicht auch eigene Videos für den Unterricht erstellen wollen, hier eine kurze Zusammenfassung meiner bisherigen Erfahrungen, als kleine Schritt-für-Anleitung. Es würde mich freuen, wenn das für den einen oder die andere hilfreich ist.

Vorbemerkungen:

Die Produktion der Screencastvideos ist technisch einfach, aber wenn man nicht sich selbst einfach beim Vortrag filmt, sondern mit Materialien (Bildquellen, Karten usw.) arbeitet, ist die Produktion sehr zeitaufwendig. Für die Produktion des letzten Videos habe ich drei Stunden benötigt – das wird sich sicher mit mehr Routine noch reduzieren.

Ich denke dennoch, dass sich der Aufwand lohnt, sonst sind es oft nur mehr oder weniger gute Vorträge als Film (siehe z.B. hier).  Das bestätigen auch die Rückmeldungen der Schüler der Sekundarstufe I, die hervorgehoben haben, dass die Videos so anschaulich seien und sie durch die Kombination von gesprochenem Text und Material das Thema gut verstanden hätten.

Vor 10 Jahren wären solche OER-Projekte, wie auch z.B. Segu, undenkbar gewesen. Gerade für Geschichte steht online eine riesige Anzahl freier, also nicht (mehr) urheberechtlich geschützter Quellen, vor allem in den Wikimedia Commons, als Fundgrube zur Verfügung.

Der Flipped Classroom ist eine mögliche methodische Variante. Um mit eigener Videoproduktion anzufangen, würde ich empfehlen nur in einer Klasse oder einem Kurs zu starten; und auch da vielleicht nur eine Stunde pro Woche zu „flippen“.

Ein Video pro Woche zu produzieren ist aufwendig genug. Das Produzieren der Videos macht aber zugleich viel Spaß, weil es auch eine kreative, gestalterische Arbeit mit verschiedenen Medien ist, die ich sonst in meinem Berufsalltag als Lehrer selten finde.

Nach einigen Jahren hat man auf diese Weise Videos für komplette Unterrichtsreihen zur Verfügung, die dann ein komplett anderes, sehr viel mehr individualisiertes Arbeiten erlauben als beim Start mit dem Flipped Classroom, wo zunächst immer ein Video zeitgleich für alle auf dem Plan steht.

Letzte Empfehlung vorab:

Wer seinen Unterricht in der Oberstufe umdrehen möchte, braucht eigentlich keine Videos. Hier reicht ein weit gefasster Auftrag: „Informiert euch über das Thema, berücksichtigt dabei besonders folgende Aspekte: … Ihr könnt dazu folgende Seiten im Buch nutzen oder selbst im Internet einen Film oder andere Texte dazu rercherchieren.“ Die Videos sind sicherlich eine Hilfe und ein zusätzliches Angebot, das aber in der Sekundarstufe I viel eher notwendig ist als in der Sek II.

Hinzu kommt, dass mehrere Studien belegen, dass viele jüngere Schülerinnen und Schüler mit den Verfassertexten in den Geschichtsschulbüchern  Probleme haben. Auch hier können selbst produzierte, auf die Lerngruppe zugeschnittene Videos unterstützend helfen. In den ersten Stunden war es übrigens so, dass, für mich durchaus überraschend, einige Schüler sowohl das Video geschaut als auch den Verfassertext im Buch gelesen hatten, obwohl diese explizit als alternative Aufgaben benannt waren.

Schritt für Schritt zur Videoproduktion

1) Einen eigenen Text schreiben: Dazu habe ich mir die entsprechenden Kapitel mehrerer Schulbücher angeschaut sowie Details zusätzlich recherchiert und nachgelesen. Das war nötig, da ich normalerweise in meinem Unterricht keine Lehrervorträge halte. Aufbauend auf den Vorgaben des Lehrplans habe ich aus diesen Informationen einen eigenen Text verfasst. Beim Schreiben hilft es, sich an journalistischer Sprache zu orientieren, am Schreiben für Radio oder Fernsehen zu orientieren: Dazu gehört u.a. das Formulieren kurzer Sätze und die Verwendung von nicht zu vielen Zahlen.

2) Geeignete Quellen und Materialien suchen: Erste Anlaufstelle sind, wie oben bereits gesagt, die Wikimedia Commons. Zum Einstieg in die Suche eignen sich auch die Artikel in der Wikipedia, wo sich meist die besten Abbildungen finden. Neben Bildquellen sind das auch Karten und Schemata. Sinnvoll ist es auf jeden Fall einen Blick in die anderen Sprachversionen zu werfen. Je nach Thema können auch andere Commons-Sammlungen, wie z.B. bei Flickr, hilfreich sein.

Bisher nur wenig eingesetzt, aber für jüngere Schüler sicherlich empfehlenswert ist die Arbeit mit Zeichnungen und Cliparts. Wer diese wie ich nicht selbst zeichnen bzw. anfertigen kann, findet hier auch entsprechende Fundgruben unter Creative Commons-Lizenzen, wie z.B. bei Phillip Martin oder OpenClipArts.

3) Bilder und Text zusammenbringen: Das ausgewählte Material wird in einem kleinen Storyboard in Beziehung zum Text gesetzt. Vor allem die Übergänge zwischen den Materialien müssen durchdacht und markiert werden. Dabei habe ich den Text jeweils noch einmal überarbeitet und teilweise ergänzt, damit die Materialien nicht nur der Illustration dienen, sondern einbezogen werden und selbst Informationen vermitteln.

Erstellt habe ich die einzelnen Bildschirmbilder mit der Software für die interaktiven Whiteboards in meiner Schule (hier: ActivInspire). Das hat den Vorteil, dass die einzelnen Elemente während der Aufnahme bewegt und verändert werden können und, was ich bislang aber nicht genutzt habe, auch für vorbereitete Aktionen programmiert werden können (z.B. Ein-/Ausblenden, kleine Bewegungs-/Filmsequenzen). Dan Spencer gibt hierzu ebenso wie zu Material und Screencastsoftware hilfreiche Tipps in seinem Google Doc zu Flipped Classroom Resources.

Bisher habe ich darauf verzichtet, mich selbst auch aufzunehmen, weil ich mich als Lehrperson nicht in den Mittelpunkt stellen möchte. Es geht um die Sache und ich finde, die besten Dokumentationen kommen ohne Moderator aus. Aber sowohl auf der Konferenz in Marburg als auch in den Kommentaren von Martin Lindner hier im Blog wurde darauf hingewiesen, dass die Lernvideos so persönlicher würden und auch einen persönlichere Ansprache ermöglichten. Aaron Sams und Dan Spencer hatten gesagt, dass ihre Schüler explizit darum gebeten hatten, dass sie selbst in den Videos zu sehen sind. Mal schauen, mir behagt die Idee, ehrlich gesagt, nicht, aber ich werde sicher mal in einem der nächsten Videos damit experimentieren. Es dauert eine Weile und braucht mehr als magere fünf Videos, bis man „seinen“ Stil gefunden hat.

4) Das Video produzieren: Aufgenommen habe ich die Videos mit der Software Camtasia Studio. Nach kurzer Einarbeitung ist die Software gut und intuitiv zu bedienen. Auf der Seite von Techsmith lässt sich eine 30-Tage-Testversion herunterladen. Es gibt auch OpenSource Alternativen. Einen Überblick über verschiedene Screencastvideoprogramme findet sich z.B. in der englischsprachigen Wikipedia.

Zu achten ist bei der Aufnahme schon darauf, wie und wo das Video später veröffentlicht werden soll. Es bietet sich an, was ich bei den ersten Videos nicht gemacht habe, die Vorlage im selben Seitenverhältnis zu gestalten wie es für die Aufnahme bzw. Publikation benötigt wird. Tut man dies nicht, erscheinen schwarze Ränder und die Bildschirmfläche wird nicht optimal ausgenutzt.

Camtasia Studio hat mich mit seinen Funktionalitäten bisher sehr beeindruckt und ich weiß, dass ich diese bei weitem noch nicht ausgeschöpft habe. Da ist noch viel Entwicklungspotential, das sicher auch in die folgenden Videos einfließen wird. Sehr angenehm ist, dass der Text nicht beim ersten Lesen perfekt sein muss, sondern dass man bei Versprechern einfach noch einmal beim Satzanfang beginnen und mit drei Klicks sowohl die entsprechende Bild- als auch zugleich Tonspur kürzen kann. Das hilft auch, falls mal das Telefon klingelt oder jemand ins Arbeitszimmer kommt. Es ist also nicht nötig, das Video immer wieder komplett neu zu sprechen, was die Bearbeitungszeit bereits enorm verkürzt. Ebenso hilfreich ist, dass auch nach der Videoproduktion die einzelnen Teile (Videospur, Tonspur, Callouts etc.) als Projekt weiter gespeichert sind. So lassen sich sehr einfach auch nachträglich noch Fehler korrigieren oder für den Einsatz in einer anderen Lerngruppe Veränderungen vornehmen.

5) Das Video nachbearbeiten: Hilfreich finde ich das Einfügen von Zooms auf Bildausschnitte, die genau an den gesprochenen Text angepasst werden können (wobei dies in den bisherigen Videos teilweise die Auflösung der Bildmaterialien überfordert hat) sowie die bei Camtasia Studio so gennanten „Callouts“, mit denen ich in das Video Markierungen, Hervorhebungen und vor allem Textfenster einfügen, um z.B. Jahreszahlen, Namen, Fremdwörter und Fachbegriffe im Bild unterstützend zum gesprochenden Text einzublenden.

Abschließend muss das Video nur noch produziert und veröffentlicht werden. Natürlich kann man seine Videos den Schülern auch in einer geschlossenen Lernplattform zur Verfügung stellen. Ich denke aber, es lohnt sich, die Eigenproduktionen, auch wenn sie alles andere als perfekt sind, sofern man urheberrechtlich unbedenkliche Materialien verwendet hat, unter CC-Lizenzen öffentlich ins Netz zu stellen. Nur so kann ein Pool an freien Lernmaterialien, Open Educational Resources, entstehen. Und nur so entstehen für die Lerner Wahlmöglichkeiten, weil ihnen vielleicht Stil, Stimme oder Nase von Kollegin x oder Kollege y besser gefallen, können sie sich natürlich gerne auch deren Videos anschauen 😉

Spanische Geschichte in kleinen Spielfilmhäppchen

Für die Geschichtsscreencastvideos bin ich weiter auf der Suche nach Inspirationen. Da kam mir der Bericht bzw. das Interview heute morgen im Radio gerade recht. Ein spanischer Lehrer hat im letzten Jahr auf seinem eigenen Youtube-Kanal (ClipHistoria) fast 1200 Videos für seine Schüler zur spanischen Geschichte online gestellt. Die Video sind allerdings (nur) Ausschnitte aus Filmen und TV-Serien, die er selbst zusammengeschnitten, online gestellt und chronologisch bzw. thematisch zusammengestellt hat. Der Kanal hat über 800 Abonnenten und die Videos sind über 600.000 angeklickt worden. Sowohl der Kollege wie auch der Journalist waren im Interview völlig begeistert, Leider wurde nicht darüber gesprochen, was die Schüler dann im Unterricht machen und wie die Geschichtsdarstellungen  der Filme besprochen werden. Der Lehrer berichtete nur von den positiven Reaktionen seiner Schüler und war der Meinung die Bereitstellung von der Videoausschnitte wäre durch das „Zitatrecht“ gedeckt. Ich bin kein Spezialist, was das Urheberrecht angeht, aber zur Zeit würde ich sagen, er begeht hier permanente Verstöße gegen das Urheberrecht…

Screencastvideos für den Flipped Classroom

Im Nachgang der Konferenz experimentiere ich zur Zeit mit der Erstellung eigener Lernvideos. Großes Kino ist das nicht, wird es vermutlich auch nicht werden, aber die ersten Ergebnisse stehen nun online in einem eigenen Youtube-Kanal. Das Bildmaterial stammt vor allem aus den Wikimedia Commons. Die Lernvideos stehen unter der Youtube Creative Commons-Lizenz, können also weiterverwendet, bearbeitet und verändert werden.

Das Erstellen von Videos ist für die Umsetzung der Flipped Classroom-Idee nicht zentral. Mir persönlich macht es sehr viel Spaß, allerdings ist die Einarbeitung in die Software und Produktion der Videos zunächst enorm zeitaufwändig. Ein längerer Bericht zu den ersten Erfahrungen im Unterricht und den Reaktionen der Schüler folgt in den nächsten Wochen.

Zeitzeugenarchiv des 20. Jahrhunderts

Unsere Geschichte – das Zeitzeugenarchiv des 20. Jahrhunderts ist ein gemeinsames Projekt von ZDF, Stern und dem Institut für Mediengestaltung der Fachhochschule Mainz.

Auf den Portalseitenseiten des Projekts heißt es dazu:

„‚Unsere Geschichte‘ ist ein einmaliges Archiv von Zeitzeugenberichten zu verschiedensten gesellschaftlichen, historischen und politischen Ereignissen des gesamten 20. Jahrhunderts. Hier finden Sie Berichte von denjenigen, die dabei gewesen sind.

Im Zeitraum von 1998 bis 2003 wurden im ZDF ‚Jahrhundertbus‘ mehr als 5.000 Interviews mit Zeitzeugen des 20. Jahrhunderts dokumentiert. Diese einmalige Sammlung soll in den kommenden Jahren „Schritt für Schritt“ über das Internetportal „Unsere Geschichte“ der Wissenschaft und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.

Das Institut für Mediengestaltung der Fachhochschule Mainz übernahm im 2007 unter Leitung von Prof. Tjark Ihmels als Kooperationspartner die komplexen Arbeitsbereiche Konzeption, Digitalisierung, Datenanalyse, Informationsarchitektur, Datenverwaltung, Speicherung, Navigation und Interfacedesign für die Entwicklung und Realisierung einer Online-Video-Datenbank.

Das Projekt wurde gefördert durch das „Ministerium des Innern und für Sport Rheinland-Pfalz“

Wie bildet sich die kollektive Erinnerung an historische Ereignisse ab? Zur Bearbeitung dieser zentralen und spannenden Frage der neuzeitlichen Geschichtsforschung ensteht am Institut für Mediengestaltung in Kooperation mit dem Verein ‚Augen der Geschichte e.V.‘ ein Online-Archiv. Dies stellt zukünftig ca. 5000 Stunden vorhandenes Interviewmaterial als Film und Text zur Verfügung. Weitere Zeitzeugenberichte sollen hinzukommen.“

Bis zum offiziellen Start des Portals sind die Videos nur passwortgeschützt zugänglich. Einen kurzer Bericht über das Projekt findet sich auch in der Online-Ausgabe der Frankfurter Rundschau.

So großartig und spannend die einzelnen Projekte sind (Lehrer haben ja immer etwas zu meckern ;)), mittlerweile gibt es doch einige Zeitzeugenportale online. Es wäre ja sinnvoll und wünschenswert, wenn die Videos der Zeitzeugenarchive auch breit im Geschichtsunterricht genutzt würden. Für die Nutzung in der Schule wäre es hilfreich, wenn die Videos der einzelnen Portale nicht nur innerhalb des jeweiligen Portals, sondern auch über eine Metasuche gefunden werden könnten. Eine Alternative wären Angeboten von Vorstrukturierungen der Materialauswahl durch Vorschläge für Unterrichtseinheiten … kaum eine Lehrkraft wird es leisten können, die verschiedenen Portale nach geeignetem Material zu durchforsten und dieses für den Unterricht bzw. für die weitere Bearbeitung durch Schüler (vor-) auszuwählen.