Gemeinsamkeiten & Unterschiede – spielend wiederholen

Vor einigen Wochen ist bei dem italienischen Verlag Horrible Guild das Spiel Similo erschienen und zwar zunächst in zwei Varianten: Märchen und Geschichte. Die deutsche Version des Spiel gibt es bei HeidelBÄR Games.

Simile bedeutet im italienischen „ähnlich“ und genau darum geht es: Das Spiel besteht aus 35 Karten, die jeweils eine historische Person bzw. im Märchenspiel eine Märchenfigur zeigen. Zufällig wird durch einen Spieler eine Karte ausgewählt, die von den übrigen Spieler in einem Raster von insgesamt 12 ausliegenden Karten erraten werden muss. Dafür erhalten sie vom tippgebenden Spieler mit 5 weiteren Karten Hinweise zu Ähnlichkeiten und Unterschieden mit der gesuchten Person. Die kurze Spielregel kann beim Verlag als PDF auf Deutsch heruntergeladen werden.

Das Spiel habe ich mir angeschaut im Hinblick darauf, ob es für den Geschichtsunterricht nutzbar ist. In der vorliegenden Form ist das leider nicht der Fall. Zum einen passt die Auswahl der Personen nicht zu den durch die Lehrpläne vorgegebenen Inhalten des Geschichtsunterrichts, zum anderen bleibt das Spiel notwendigerweise an der Oberfläche. Das Spiel soll ja jederzeit und von jedem spielbar sein, daher dürfen keine Vorkenntnisse vorausgesetzt werden. So werden beim Spielen in der Regel die comicartigen Zeichnungen genutzt, um äußere Ähnlichkeiten und Unterschiede zu benennen. Eine Tippkarte wird gelegt, weil die abgebildete Person „alt“ ist – genau wie die gesuchte Person -, oder weil sie ein rotes Kleidungsstück trägt oder Locken hat.

Mit einer kleinen Änderung lässt sich das Spielprinzip allerdings im Geschichtsunterricht sinnvoll einsetzen, nämlich indem man nur die Namen von Personen – ohne Bilder – auf Karten schreibt und mit diesen spielt. Damit wird das Spiel zugleich sehr fordernd, weil das Erkennen und Benennen von Ähnlichkeiten und Unterschieden nun sehr voraussetzungsreich ist: Die Spielenden müssen ein gemeinsames Wissen über die Biographien der Personen auf den Karten teilen, sonst funktioniert das Spiel nicht.

Diese Karten sind allerdings schnell erstellt. Ein Beispiel für Personen aus dem 19. Jahrhundert kann hier als PDF heruntergeladen werden. Einige Karten sind absichtlich frei gelassen, um weitere Personen zu ergänzen. Das Spielprinzip von „Similo“ (Spielregel als PDF) kann zur Wiederholung zentraler Inhalte am Ende einer Unterrichtseinheit eingesetzt werden. In Abänderung der eigentlichen Spielregel reichen 18-20 Personenkarten und das Spiel lässt sich für die Schülerinnen und Schüler vereinfachen, wenn der tippgebende Spieler aus den restlichen Karten selbst die 5 Karten auswählen kann, mit denen er seine Tipps geben möchte.

Vorgebene Listen mit Personennamen – wie das Beispiel oben schnell zeigt – wenig sinnvoll. Idealerweise wählen die Schülerinnen und Schüler selbst die historischen Personen aus, die für ein Thema oder einen Zeitraum relevant sind bzw. die sie im Unterricht kennengelernt haben und notieren diese auf Blankokarten, mit denen dann das Spiel mehrfach gespielt werden kann.

Digital Storytelling & Jewish memory

Film: Rückkehr nach Rivne von Centropa. Weitere Videos, Infos zu den Biographien und zu den aktuellen Projekten in der Ukraine und Moldawien unter Trans.History.

Die biographischen Videos eignen sich auch, um mit den von Euroclio im „Decisions und dilemmas“-Projekt entwickelten Anregungen zum Lernen mit „life stories“ im Unterricht zu arbeiten.

Leben in Europa nach dem 2. Weltkrieg: life stories – Aufruf zur Mitarbeit

Toni_Frissell,_Abandoned_boy,_London,_1945 „Millionen Deutsche waren bei Kriegsende unterwegs. Familien waren zerrissen, Frauen suchten ihre Männer, Eltern ihre Kinder, Kinder ihre Angehörigen. Flüchtlinge, Vertriebene und Ausgebombte waren auf der Suche nach einem Dach über dem Kopf. Kleine und große Nazis bemühten sich unterzutauchen. Hinzu kamen zehn bis zwölf Millionen Displaced Persons. Das waren unter anderem die ausländischen
Zwangsarbeiter und Kriegsgefangenen, die während des Krieges ins Deutsche Reich verschleppt worden waren, um in der Rüstungsindustrie und in der Landwirtschaft zu arbeiten, und nun in ihre Heimat zurückkehren wollten.“ (Buchner „Das waren Zeiten“ Ausgabe Rheinland-Pfalz Band 2, S. 188).

So oder so ähnlich wird die Situation nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland in vielen Schulbüchern beschrieben. Aber bedeutete es denn damals, wenn eine „Famillie zerrissen“, man selbst ein „Flüchtling“ oder „ausgebombt“? Lehrpläne und Schulbücher beziehen sich in der Regel auch nur auf die Situation in Deutschland, eine – eigentlich notwendige – europäische Perspektive fehlt bzw. schimmert nur an wenigen Stellen durch.

euroclio hat im Rahmen des Projekts „Decisions and dilemmas“ mit viel Aufwand eine umfangreiche Unterrichtseinheit zum Leben in Europa in der Nachkriegszeit erstellt. Die Unterrichtseinheit ist im Historiana-Portal unter CC-Lizenz abrufbar.

Kern der Unterrichtseinheit sind 23 aufwändig recherchierte „Life stories“, denen weitere folgen werden. Dabei handelt es sich um für den Unterricht auf Quellengrundlage geschriebene Kurzbiographien, die die Lebenserfahrungen von Menschen aus ganz Europa in den Nachkriegsjahren widerspiegeln. Die Auswahl der Biographien versucht eine möglichst breite Spannweite verschiedene Lebenssituationen abzudecken (jung/alt, Mann/Frau etc.), ohne allerdings insgesamt repräsentativ zu sein. Neben der Anschaulichkeit liegt die Stärke des Materials in seiner europäischen Perspektive.

Die Ruinen von Guernica 5603/37

Die Ruinen von Guernica
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Es gibt verschiedene Anregungen und mehrere Arbeitsblätter, die die Lernprozesse mit den Biographien strukturieren. Es geht vor allem darum, dass auch jüngere Lernende die abstrakten Begriffe aus den Darstellungstexten mit konkreten Vorstellungen füllen können, um ein vertieftes Verständnis der Situation der Menschen nach dem Krieg sowie ein Verständnis für die folgende politische Entwicklung in Europa entwickeln zu können.

Die Biographien sind großartige Lernmaterialien, liegen aber nur auf Englisch vor. Damit sind sie zumindest in jüngeren Klassen in Deutschland, Österreich und der Schweiz in der Regel nicht einsetzbar. Da alle Materialien jedoch unter CC-Lizenz vorliegen, können sie übersetzt und neu für alle interessierten Lehrkräfte und Lernenden zur Verfügung gestellt werden.

Dazu habe ich ein Google Doc erstellt: Oben finden sich die Links zu den bisher veröffentlichten Life Stories sowohl als Word-Doc wie als PDF. Darunter steht eine Tabelle, die alle Life Stories auflistet und in der letzten Spalte auf leere Google Docs verweist, in denen alleine oder gemeinsam an einer Übersetzung gearbeitet werden kann. Es wäre super, wenn sich ein paar Leserinnen und Leser für die Mitarbeit an der Übersetzung fänden. Wenn jede/r ein oder zwei Kurzbiographien übersetzt, haben wir schnell einen großen Materialfundus auf Deutsch zusammen, der zugleich allen Interessierten zugänglich und jederzeit erweiterbar ist.

Link zum Google-Doc „Life Stories“: https://goo.gl/xWknal

Flüchtling, Migrant, oder was? Vorschlag für eine Auftaktstunde zur Orientierung

20160513_154149Dieses Wochenende bin ich auf dem abschließenden Treffen des euroclio-Projekts „Teaching Europe“, in dem im vergangenen Jahr jeweils eine Lehrerin bzw. ein Lehrer aus jedem der 28 Mitgliedsstaaten vier Geschichts- und Politik-/Sozialkundebücher aus dem eigenen Land im Hinblick auf die Darstellung der EU untersucht hat. Die Kommunikationssprache ist Englisch. Somit liegt nun auf Englisch ein großer Fundus von Einzelanalysen vor, der in der Gesamtschau einen einmaligen Überblick über die Darstellung der EU in ausgewählten Schulbüchern aus allen Mitgliedsstaaten bietet. Wie wir die Ergebnisse der gemeinsamen Arbeit weitergeben und veröffentlichen  können, werden wir die kommenden Tage diskutieren.

euroclio macht großartige Arbeit, die in Deutschland vielleicht nicht immer in dem Maß wahrgenommen wird, wie sie es verdient hätte. Alle aktuellen Projekte von euroclio stehen für einen modernen, inhaltlich wie methodisch innovativen Geschichtsunterricht. Wenn die nächste Tage Zeit bleibt, werde ich über die ein oder andere Anregung vom Projekttreffen bloggen. Vorab möchte ich nur eine kleine Idee für eine Unterrichtsstunde weitergeben, die ich gemeinsam mit den Kollegen aus Lettland, den Niederlanden und der Tschechischen Republik heute in der ersten „working session“ erarbeitet habe.

Es handelt sich dabei um eine Einstiegsstunde in das Thema „Migration“ oder „Flüchtlinge“ in historischer Perspektive. Ziele der Stunde sind, dass die Schülerinnen und Schüler verschiedene Ursachen von „Migration“ kennenlernen, verschiedene Formen von Migration (Flucht vor Krieg, Verfolgung, Arbeitsmigration etc.) unterscheiden können und dass sie schließlich erkennen, dass Migration historisch betrachtet der Normalfall und keine Ausnahme ist.

Zum Einstieg erfolgt die Abfrage vorhandener Vorstellungen der Schülerinnen und Schüler über die Frage „Was ist (deiner Meinung nach) ein Migrant?“. Gegebenenfalls kann dies durch ein Bild als Impuls unterstützt werden. Dabei ist jedoch darauf zu achten, dass das Bild nicrefugees-800pxht zu stark lenkt.

In einem zweiten Schritt erhalten die Schülerinnen und Schüler mehrere Kurzbiographien von Migranten, die sie in Kleingruppen bearbeiten. Sie sollen dabei die Ursachen für das Verlassen des Wohnorts, Veränderungen der Lebenssituation sowie langfristige Folgen herausgearbeiten. Eventuell kann hier gerade bei jüngeren Lernenden ein Arbeitsblatt mit einem vorgebenen Raster hilfreich sein, um die Arbeit mit den Text zu stützen.

Bei der Auswahl der beispielhaften Biographien sollten verschiedene Räume und Zeiten Berücksichtigung finden (z.B. Antike: griech. Kolonien, Mittelalter: Juden evtl. Maimonides, 17. Jahrhundert: Hugenotten, 18. Jahrhundert: Revolutionsflüchtlinge, 19. Jahrhundert: Arbeitsmigration aus Italien, Irland oder der Pfalz, 20: Jahrhundert: Vertreibungen Griechenland, Türkei, Polen, Jugoslawien usw.) Gut ist es auch, wenn ein oder zwei Biografien mit regionalem Bezug zum Schulort dazugenommen werden können. Auf Deutsch finden sich einige Biografien, die sich gut für den Unterricht eignen, allerdings nur die Neuzeit und verschiedene von Formen von „Flucht“, aber nicht Migration allgemein abdecken, auf dem Blog „gefluechtet.de“.

In einem Gruppenpuzzle stellen sich die Schülerinnen und Schüler anschließend in Expertengruppen die verschiedenen Migrationsgeschichten vor. Gemeinsam wird abschließend die Eingangsfrage noch einmal aufgeworfen, um dann festzuhalten, welche unterschiedliche Ursachen und Typen von Migration es gab und gibt.

Diese Stunde bietet als Einstieg bereits einen Überblick über das Thema, an den in den Folgestunden auf verschiedene Art und Weise angeknüpft werden kann: Es können sowohl eine historische Epoche näher betrachtet als auch – z.B. im übergreifenden Fach Gesellschaftslehre – die aktuelle Flüchtlings- „Krise“ mit ihren Ursachen und Folgen in den Blick genommen oder anhand der Familiengeschichten der Schülerinnen und Schüler, auch in scheinbar homogenen Klassen gerade unter Berücksichtigung von „Binnenmigration“, das Thema vertieft werden.