85.000 historische Videos online – was macht der Geschichtsunterricht damit?

Das Video mit dem Bericht darüber, wie Arnold Schwarzenegger 1969 Mr. Universe wurde, ist das beliebste, aber vermutlich nicht das historisch interessanteste, sondern wohl eher in der Kategorie „kurios“ zu verorten. Es ist aber nur eines von insgesamt 85.000 Videos. Die Filme aus dem Archiv der britischen Pathé stehen nun auf Youtube online. Eine riesige Fundgrube für Historiker, aber auch für den Geschichtsunterricht.

Es stellt sich allerdings die Frage, wie diese Masse an digitalisiertem Filmmaterial für den Geschichtsunterricht genutzt werden könnte. Bislang wählt die Lehrkraft Filmmaterial aus, überlässt den Lernenden allenfalls innerhalb einer Auswahl die Entscheidung.

Natürlich lassen sich diese Quellensammlungen ignorieren oder als Materialfundus für Lehrkräfte nutzen. Natürlich lässt sich so weitermachen wie bisher: Schulbuch und Lehrkraft wählen das Lernmaterial aus. Aus pragmatischen Gründen war das bislang sinnvoll, weil der Gang ins Archiv oder in die wissenschaftliche Bibliothek nicht jede Stunde möglich ist. Nun stellt sich die Frage aber nur noch didaktisch. Die Quellen stehen digitalisiert online und sind jederzeit und überall verfügbar, aber kann die Arbeit mit solchen umfangreichen Quellenbeständen im Geschichtsunterricht sinnvoll sein oder stellt dies eine Überforderung der Lernenden dar?

Der Geschichtsbewettberb des Bundespräsidenten zeigt, dass – auch junge – Schülerinnen und Schüler selbstständig mit Quellen arbeiten können. Die eigene Frage an die Geschichte und das Projekt als Arbeitsform nicht mehr als Ausnahme, sondern als Regel. Der einfache und schnelle Zugriff auf so viel filmisches Quellenmaterial ermöglicht Formen historischen Lernens, wie wir sie eben z.B. vom Geschichtswettbewerb kennen, mit neuen Lernprodukten, verlangt aber auch andere Kompetenzen auf Seiten der Lernenden wie der Lehrenden.

Erste Ideen zur Arbeit mit großen digitalisierten Quellenbeständen im Unterricht hatte ich im Rahmen der Tagung der Europeana Sammlungen 1914-1918 in Berlin vor ein paar Wochen vorgestellt. Nachdem wir in den letzten Jahren vor allem digitale Tools in den Blick genommen haben, werden nun zunehmend digitalisierte Quellenbestände verfügbar, die grundlegende Fragen für Geschichtsunterricht und -didaktik aufwerfen und gemeinsam mit notwendigerweise vorhandenen Geräten – Stichwort: BYOD – zu didaktischen und methodischen Veränderungen historischen Lernens in der Schule führen könnten, ja, meiner Meinung nach, eigentlich führen müssen.

Krieg in den Medien

Die Bundeszentrale für politische Bildung hat bereits 2007 die DVD-Rom „Krieg in den Medien“ herausgegeben. 2010 wurden die Materialien in Teilen aktualisiert und überarbeitet. Ich kannte die DVD bisher nicht. Vor zwei Wochen nun war ich auf einer Fortbildung, in der die DVD sowie mögliche Einsatzszenarien im Unterricht verschiedener Fächer vorgestellt wurden – und ich muss sagen, ich war und bin begeistert.

Mein spontanes Fazit vor zwei Wochen war: Wenn die Schulbuchverlage solch gelungene multimedialen Materialien erstellen würden, wäre ich durchaus bereit dafür entsprechend Geld auszugeben und sie  im Unterricht einsetzen. Vergleichbares habe ich da im Bereich Geschichte noch nicht entdeckt. Vieles, was dort für teures Geld als interaktiv und/oder  multimedial angeboten wird, ist oft nur eine Zusammenstellung von Powerpoint-Präsentationen (siehe z.B. hier). Eine Frechheit und reine Geldmacherei.

Deshalb soll die DVD „Krieg in den Medien“ hier ausführlicher vorgestellt werden, denn sie scheint mir  zu Unrecht nur wenig bekannt. Zumindest kannte sie keiner der Kollegen, denen ich davon erzählte.

Die DVD gliedert sich in drei Einheiten:

1) Live dabei? Der Krieg und die Medien

2) Medienprodukt Krieg? Die Inszenierung des Krieges in den Bildschirmmedien

3) Alles Propaganda? Medien als Instrument der Beeinflussung

Alle drei Einheiten bieten zunächst eine Einführungstour und anschließend einen Wissensteil. Die Einführungen sind sehr gut durchdacht und didaktisiert und können (je nach Fach und Klasse) eins zu eins als Einstieg in das Thema übernommen werden. Sie enthalten zudem auch einzelne zum Teil hervorragende (Zuordnung verschiedener Sprechertexte zur selben Filmsequenz) und auch weniger gelungene (einfach Bildpuzzle) interaktive Übungen. Die Wissensteile sind informativ, allerdings auch etwas textlastig, und daher nicht unbedingt in dieser Form für alle Schularten und Klassenstufen geeignet. Die Lizenzierung der DVD ist hingegen ideal für Schulen, da mit Erwerb einer DVD die Inhalte auch auf weitere Computer kopiert werden dürfen (dafür ist sogar höchst komfortabel) im Startmenü ein eigener Punkt vorgesehen, so dass alle Schüler an eigenen Rechnern individuell oder in Kleingruppen am Material arbeiten können, ohne dass man eine teure Schullizenz oder einen Klassensatz DVDs erwerben müsste.

Die Medienauswahl ist sehr weit gespannt und reicht von Plakaten über Radioausschnitte, Film und Fernsehen bis zu relativ aktuellen Computerspielen. Vor allem die Fotos und Filmsequenzen sind toll ausgewählt und können direkt, ggf. auch losgelöst von der Einbettung in der DVD, im Unterricht eingesetzt werden. Das erleichtert die Arbeit in der Vorbereitung des Themas für den Unterricht ganz enorm. Etwas schade ist, dass einige der Abbildungen und Filme sehr klein dargestellt. Zumindest für die Filmausschnitte bietet sich hier ein Umweg über das Dateiverzeichnis an, so dass von dort aus direkt in einem anderen Player gestartet werden können.

Geeignet sind die Materialien nicht nur für den Geschichtsunterrichts, sondern ebenso für die Fächer Politik/Sozialkunde, Deutsch, Religion, Ethik oder auch Kunst. Dabei sollte man die DVD durchaus als Steinbruch betrachten, aus dem man für den eigenen Unterricht fertige Einheiten oder eben auch nur aufbereitete und ausgewählte Materialien beziehen kann. Mit diesen lässt sich auch sehr gut am interaktiven Whiteboard arbeiten, z.B. zur Analyse von visuellen Inszenierungen von Krieg.

Neben den genannten Inhalten bietet die DVD noch einige erwähnenswerte Extras, dazu gehören u.a. (soweit gesehen: gelungene) Arbeitsblätter im PDF-Format, die in der Neuauflage auch auf der DVD selbst vorhanden sind, ein Glossar   eine Film- und Spieledatenbank sowie eine Linkliste zum Thema.

Der zeitliche Schwerpunkt liegt auf der zweiten Hälfte des 20. Jahrhundert. Es finden sich aber auch zahlreiche Materialien zum 1. Weltkrieg auf der DVD. Einige Kapitel schlagen sogar einen Bogen bis ins Mittelalter. Das ist allerdings die Ausnahme.

Es bietet sich an je nach Schwerpunktsetzung weitere Materialien hinzuzuziehen. Zu nennen wäre zunächst die hier bereits vorgestellte Seite http://www.conflicthistory.com, die sich u.a. eignet für eine Aktualisierung des Themas, eine Ausweitung der globalen Perspektive oder eigene Recherchen der Lernenden. Ergänzend gibt es auch mehrere Printpublikationen. Im Umfeld der DVD-Produktion gab es eine Tagung, zu der ein lesenswerter Band entstanden ist. Das Inhaltverzeichnis kann beim Verlag eingesehen werden, die didaktischen Materialien können kostenlos auf den Seiten des Instituts für Friedenspädagogik in Tübingen heruntergeladen werden. Anfang diesen Jahres ist zudem bei der BpB eine Lizenzausgabe von Michael Howards Der Krieg in der europäischen Geschichte erschienen. Eine kurze Rezensionsnotiz der NZZ findet sich auf Perlentaucher.

Bestellt werden kann die DVD über die Bundeszentrale für politische Bildung. Sie kostet 7 €. Das Buch von Michael Howard, Der Krieg in der europäischen Geschichte, ist als Band 1106 in der Schriftenreihe der BpB erschienen und für 4,5€ erhältlich.