Spielidee: Herausforderungen des Jahrhunderts

Belege habe ich dafür keine, daher kann ich nur vermuten, dass in den Wochen vor Weihnachten in Schule ein bisschen mehr gespielt wird als üblicherweise. Der Krankenstand ist hoch, so dann auch die Vertretungsstunden. Angesichts der wahlweise rot- oder schwarzumrandeten Augen scheint im Lehrerzimmer vor Weihnachten neben dem Christkind auch die Zombieapokalypse vor der Tür zu stehen… und dann sind auch noch alle Medienwagen, DVD-Spieler und Projekten ausgebucht. Da greift manch einer vor lauter Verzweiflung doch mal zu einem Spiel…

Hier eine kleine, neue Spielidee weniger für den regulären Unterricht als vielleicht eher für Vertretungsstunden:

Gespielt wird in Kleingruppen mit jeweils 2 Teams, die gegeneinander spielen. Die Teams können aus jeweils 1-3 Schülerinnen und Schüler bestehen. Jedes Team benötigt ein Set mit 10 Karten, die von 0-9 nummeriert sind (entweder selbst auf Fotokarton hergestellt oder z.B. aus einem Spiel wie UNO entnommen), einen Zeitmesser für 30 Sekunden (Sanduhr oder Smartphone) und ihre Schulgeschichtsbücher.

Die 10 Karten werden gemischt und als verdeckter Nachziehstapel bereit gelegt.

Für alle Kleingruppen / Teams wird ein Jahrhundert vorgegeben, also z.B. 17… / 18… / 19…, und für alle sichtbar an die Tafel geschrieben.

Nacheinander werden nun zwei Karten gezogen und aufgedeckt, die erste Zahl gibt den 10er, die zweite den 1er an. Also z.B. 19. Jahrhundert, 18…. die Karten 3 und 1 ergänzen dann die Jahreszahl 1831.

Die Teams müssen nun – so schnell wie möglich – ein Ereignis in ihrem Schulbuch finden, dass möglichst nah an diesem Jahr dranliegt. Sobald ein Team ein Ereignis gefunden hat, startet dieses den Zeitmesser. Das andere Team hat nun noch 30 Sekunden Zeit zu suchen.

Das Team, das das nächstgelegene Ereignis nennt, erhält einen Punkt. Liegen beide Ereignisse gleich weit entfernt (für 1831 z.B. das Hambacher Fest 1832 und der Beginn der Revolution in Belgien 1830) oder wird das gleiche Ereignis genannt, erhält das Team den Punkt, das den Timer gestartet hat.

Die Karte des 10ers wird anschließend abgeworfen (im Beispiel die „3“), die Karte des 1er (im Beispiel die „1“) wieder in Nachziehstapel gemischt. Danach beginnt die nächste Runde. Es werden insgesamt 9 Runden gespielt, das Team mit den meisten Punkten am Ende gewinnt.

P.S. Je nach Voraussetzungen können die Schulbücher auch weggelassen werden und die Teams beraten sich, um ein Ereignis zu nennen, ohne Hilfsmittel dabei zu benutzen. So kann das Spiel auch zur Wiederholung am Ende von Unterrichtseinheiten eingesetzt werden.

5 (erprobte) Ideen für Etherpads im Geschichtsunterricht

tikigiki-misc-memo-pad-004-800pxFür diejenigen, die noch nicht wissen, was ein „Etherpad“ ist, lässt sich das gut erklären als ein „weißes Blatt Papier im Internet“, das alle, die die genaue Internetadresse kennen, gemeinsam zeitgleich oder zeitversetzt bearbeiten können. Jede Bearbeitung, die man vom selben Gerät vornimmt, wird mit derselben Farbe gekennzeichnet. Oben rechts kann man noch einen Namen eintragen, so dass der Farbe dann auch ein Name zugeordnet ist. So kann jeder Benutzer nachvollziehen, wer was hinzugefügt oder korrigiert hat.

In der Regel gibt es unten rechts noch eine Chat-Funktion, wo gleichfalls Name und Farbe angezeigt werden, und die dazu dient, sich über den gemeinsamen Text zu verständigen, ohne diesen selbst zu verändern. Damit lassen sich „Edit-Wars“ vermeiden und Metadiskussionen über Probleme oder Uneinigkeiten außerhalb des eigenlichen Textes führen. (Ether-) Pads lassen sich mit einem Klick erstellen, die spezifische URL (Internetadresse) kann man anschließend als Link an die Mitarbeitenden weitergeben.

Teilweise werden zufällige Zeichenkombinationen für die Adresse erstellt, teilweise kann man dem Pad einen „Namen“ geben, der Bestandteil der Linkadresse wird. Bei einigen Anbietern lässt sich nach Registrierung ein Etherpad auch durch ein Passwort schützen, so dass man die URL und ein Passwort haben muss, um das Dokument sehen und bearbeiten zu können. Außerdem können die Pad-Inhalte auch gespeichert und z.B. als Word- oder PDF-Datei exportiert werden.

(Kostenlose) Anbieter gibt es viele. Beispielhaft nenne ich drei Pad-Angebote, die ich auch selbst nutze:

ZUMPad http://zumpad.zum.de/

Medienpad https://medienpad.de/

Titanpad https://titanpad.com/

Was kann man damit im Geschichtsunterricht anfangen? Da ist sicher viel denkbar und möglich, für den Einstieg hier mal fünf einfache Ideen aus meiner Unterrichtspraxis der letzten Jahre:

1 Parallel zu einem Projekt oder einer Unterrichtsreihe erstellen die Lernenden in einem Etherpad ein alphabetisch geordnetes Glossar mit den wichtigsten Fachbegriffen zum Thema, die sie mit eigenen Worten erklären. Längerfristig z.B. über die drei Jahre der Oberstufe ist ein Wiki hierfür besser geeignet, für einen kürzeren Zeitraum, weil viel einfacher zu bedienen und aufzusetzen, bietet sich die Nutzung eines Pads an.

2 Am Ende einer thematischen Einheit sammeln die Lernenden die aus ihrer Sicht relevanten Ereignisse und Jahreszahlen in chronologischer Reihenfolge in einem Pad (siehe auch den Blogbeitrag: Jahreszahlen, Textarbeit und Relevanz)

3 Die Lernenden notieren in einem Pad alle Gebäude einer bestimmten Epoche, z.B. aus dem Mittelalter, die in ihrem Schulort erhalten sind. Es können auch Denkmäler und Straßennamen gesammelt werden. In einem zweiten Schritt oder alternativ lassen sich diese „Orte“ auch auf einer interaktiven Karte, z.B. bei Google Maps, eintragen.

4 Die Lernenden nutzen Pads in Partnerarbeit oder in Kleingruppen um eine schriftliche Ausarbeitung oder ein Referat gemeinsam vorzubereiten.Voraussetzung dafür ist, dass Etherpads bereits kennengelernt und mindestens einmal genutzt haben.

5 Die Lernenden legen in einem Pad gemeinsam eine kommentierte Linksammlung zu einem Thema an, z.B. als Vorbereitung für eine Klausur in der Oberstufe.

Jahreszahlen, Textarbeit und Relevanz – Lasst die Schüler selbst denken!

Das Auswendiglernen von Jahreszahlen ist vermutlich das erste, was den meisten Menschen zum Stichwort Geschichtsunterricht einfällt. Das entspricht in der Regel nicht mehr der Wirklichkeit des Geschichtsunterrichts. Das Problem der Jahreszahlen bleibt.

Einerseits entwickelt sich der Geschichtsunterricht zu einem Denkfach, Auswendiglernen ist daher etwas verpönt, andererseits ganz ohne Jahreszahlen geht es auch nicht, außerdem lassen sie sich rein pragmatisch auch hervorragend prüfen und benoten.

Jeder Lehrer hat da so sein eigenes „Rezept“: Einige lassen Listen zu Beginn, andere am Ende einer Unterrichtseinheit lernen. Wiederum andere schreiben die „wichtigen“ Daten aus dem Unterricht an einen der beiden Tafelflügel. Ich muss zugeben, ich habe vieles ausprobiert, aber kein Rezept.

In der fachdidaktischen Literatur liest man zunehmend die Metapher von der Grammatik des Geschichtsunterrichts. Ich denke, dieses Bild kann sehr hilfreich sein, was dem Geschichtsunterricht fehlt ist im Vergleich mit den Fremdsprachen die regelmäßig Wiederholung und Festigung. Jahreszahlen wären dann innerhalb dieses Konzepts so etwas wie ein Teilbereiches des Wortschatz, mentale Konzepte wie Revolution, Fortschritt, Zeit oder Wandel.

Ebenso sehr wie das Lernen von „Jahreszahlen“ ähnlich wie das von Vokabeln wenig beliebt ist, ist auch die mittelfristige Behaltensquote in der Regel nicht besonders, es reicht gerade bis zum nächsten Test. In den Fremdsprachen setzt man dagegen auf stärkere Vernetzung: Wortfeldarbeit, ganze Sätze etc. Was machen wir in Geschichte?

Warum die Zahlen oder die mit ihnen verbundenen Ereignisse irgendwie wichtig sind, erschließt sich den Schülern nicht immer. Es ist also auch ein Frage mangelnder (persönlicher) Relevanz. Ganz in dem Sinne: Wir müssen das lernen, aber was hat das mit mir zu tun?

Von Schülern wird Geschichtsunterricht oft als ausgesprochen langweilig empfunden. Besonders dann, wenn er vor allem darin besteht, längere Texte (seien es nun Quellen oder Darstellungen) zu lesen und dazu Fragen zu beantworten, die wenig Motivationspotential besitzen und oft auf reine Infomationsentnahme abzielen.

Daraus resultiert übrigens auch ein Problem, dass die Schüler, soweit ich das beobachtet habe, bei der Nutzung von z.B. der Wikipedia habe. Gerade die Wikipedia ist in vielen historischen und biographischen Artikel in höchstem Maße detailverliebt. Als Historiker ist mir klar, was davon relevant ist für meine Frage und was nicht. Schüler stehen vor einem Berg von Informationen, die alle gleich wichtig scheinen. Deshalb eignen sich die Artikel der Wikipedia auch kaum zum Einstieg in ein unbekanntes Themenfeld, weil für die Bewältigung der Informationen Vorkenntnisse nötig sind. Das Vortragen von endlosen Details durch die Schüler, mehr oder weniger wortwörtlich aus der Wikipedia, ist dann quasi ihre Art der Kapitulation. Aber im Ernst: Wie sollten sie das besser machen? Wo lernen Schüler im Geschichtsunterricht, Relevanz zu beurteilen? Relevant ist das, was im Buch steht, was der Lehrer sagt und was im Test abgefragt wird. Erziehung zu mündigen Bürgern (klingt ganz schön altbacken, ist mir dennoch wichtig) sieht anders aus.

Eine methodische Abwechslung für den Unterricht könnte in einer Verbindung von Text- und Jahreszahlenarbeit liegen, in dem die Schüler selbst die Relevanz der Daten und Ereignisse diskutieren und damit für sich verständlich bedeutsam machen.

Voraussetzung ist, dass das Schulbuch nicht schon am Anfang oder Ende eines Kapitels eine Jahreszahlenübersicht bietet. Sonst heißt die logische Schülerbegründung: Weil das da in der Liste steht. Völlig verständlich, aber nicht sehr hilfreich.

Relevanz von Jahreszahlen und Ereigenissen lassen sich auch in der Auseinandersetzung der Schüler mit einem Darstellungstext ermitteln. Das ist eine alternative Methode der Textarbeit statt banale Fragen zu stellen. Aufgabe der Schüler ist es den Text einzeln zu lesen und anschließend in Kleingruppen je nach Länge und Inhalt des Textes 3/5/7 Daten bzw. Ereignisse zu benennen, die ihnen im Zusammenhang des Themas essentiell erscheinen und ihre Auswahl zu begründen. In der Diskussion der Ergebnisse der einzelnen Gruppen ergibt sich dann eine gemeinsame begründete Liste von Jahreszahlen, die von den Schülern als relevant erkannten Ereignissen. Und keine Angst: Es wird dort nichts Exotisches oder aus Augen des Historikes Irrelevantes stehen. Der Unterschied zu vorgegebenen Zahlenstrahlen oder Zeitleisten ist, dass die Schüler verstanden haben, warum diese Daten wichtig sind und das auch selbst begründen können, sie also für sie Sinn machen.

Durch die Auswahl und Diskussion erfahren die Ereignisse zudem eine Verknüpfung und zugleich wird das Textverständnis gesichert. Vor allem entwickeln die Schüler Kriterien für die Relevanz von Informationen und werden insgesamt souveräner im Umgang mit Texten. Es ist eine wichtige Erkenntnis, dass nicht alles in einem Text wichtig ist, dass Vorwissen nötig ist, um diese Entscheidung zu treffen und jeweils abhängig von der eigenen Fragestellung.

Es bleibt dann jedem selbst überlassen, inwieweit die so bestimmten Jahreszahlen direkt oder in einem längeren Zeitraum gelernt werden müssen und abgeprüft werden. Und natürlich gilt: Würde ich jede Stunde so aufbauen, würden die Methode schnell ihren Reiz verlieren… im Wechsel zwischen Routinen und ausreichend Abwechslung liegt die Würze des Unterrichts.