Nur ganz kurz ein weiterer Buchtipp: Harris‘ Überblickswerk zum Thema „Nationalismus“ ist sehr lesenswert. Sie bietet einen gut verständlichen Überblick über die bestehenden theoretischen Ansätze, die mit kurzen Fallbeispielen unterfüttert und in einen breiten historischen und geographischen Hintergrund einbettet. Besonders erfrischend und überzeugend finde ich ihre (Neu-) Bewertung etablierter Theorien der Nationalismus-Forschung: So legt sie überzeugend dar, dass die ältere, auch in Schulbüchern noch weit verbreitete Unterscheidung von ethnischen und politischen definierten Nationen, die oft auch mit einer europäischen Ost- / Westunterscheidung gleichgesetzt wird, keinen Erkenntniswert besitzt, da „all nationalisms are civic and ethnic to a greater or lesser degree at different times“. Ebenso macht für sie eine Unterscheidung von „gutem“ und „schlechtem“ Nationalismus (oft auch als „guter Patriotismus“ und „schlechter Nationalismus“) unterschieden keinen Sinn, da es hierbei immer um die Bildung einer Gruppenidentität, einer kulturellen und politischen Einheit geht, der immer die Tendenz innewohnt, die eigene Gruppe zu favorisieren und damit zugleich andere(n) abzuwerten. Harris‘ Erklärungsansatz liegt in der Betonung zweier widerstrebender Forderungen nach „Selbstbestimmung“. Der Nationalismus mit seinem Wunsch nach einem Nationalstaat berührt sowohl die Frage nach ethnischer als auch nach politischer Selbstbestimmung, die aber, da homogene Nationalstaaten i.d.R. nicht realisierte Idealvorstellungen bleiben, gegensätzlich sind und Konflikte produzieren. In dieser Spannung zwischen Demokratie und Nationalismus sieht sie die wichtigste Herausforderung unserer Zeit. Angesichts der zahlreichen Konflikte, von denen sie einige, wie u.a. das Kosovo und Palästina, in ausführlichen Fallbeispielen behandelt, ist ihr hier sicherlich zuzustimmen.
Erika Harris, Nationalism. Theories and cases, Edinburgh 2009.