Learning Quest: Leben am Hof Ludwigs XIV.

martin_jean-baptiste_-_a_stag_hunt_at_versailles_-_c-_1700„Du bist ein/e junge/r Adlige/r. Du folgst dem Ruf des Königs Ludwig XIV. folgt und kommst aus der Provinz nach Versailles. Wir schreiben das Jahr 1702. Du willst am Hof des Königs leben und aufsteigen. Dafür musst du als Neuling das Leben am Hof kennenlernen. Je weiter du aufsteigst, desto näher kommst du dem König…“

Nach längerer Pause komme ich mal wieder dazu, einen kurzen Beitrag zu schreiben. Im Kopf hatte ich das schon länger, mal eine Unterrichtsreihe mit spielerischen Elementen umzusetzen… nun habe ich auch endlich eine Idee für die Umsetzung im Unterricht und die erste Stunde ist noch viel besser angekommen, als ich gehofft hatte.

Worum geht es? Für die 7. Klasse steht laut Lehrplan in Gesellschaftslehre das Thema „Absolutismus“, Ludwig XIV. und Versailles an. Die Unterrichtsidee basiert darauf, dass sich die Schülerinnen und Schüler selbst einen Charakter erschaffen, um im Rahmen der oben skizzierten Geschichte das Schloss Versailles und das Leben am Hof zu entdecken.

Dabei müssen sie als junge Adlige lernen, sich vor Ort auszukennen, die grundlegenden Verhaltensregeln lernen und natürlich auch einiges über Ludwig XIV. Erfahrung bringen. Insgesamt gibt es acht Aufgaben bzw. Rätsel zu lösen. Jede richtig gelöste Aufgabe gibt dem Adligen Zugang zu einem weiteren Raum, der näher am Schlafgemacht des Königs liegt. Ziel ist es, sich die Teilnahme am „Lever du Roi“, also den privilegierten Zugang zu diesem besonderen Ritual zu erhalten.

Den Adligen steht dabei als Ausgangswerte 3 Ehrenpunkte sowie 20.000 Goldmünzen zur Verfügung. Legen Sie Lösungen vor, die falsch sind, verlieren sie einen Ehrenpunkt. Wer alle Ehre verloren hat, muss den Hof in Versailles wieder verlassen. Die Goldmünzen können sie einsetzen, um sich z.B. bei mir Tipps für die Lösung der Aufgaben zu holen. Aber auch wer pleite, kann das Leben am Hof in Versailles nicht mehr finanzieren und muss gehen.

Die Unterrichtsreihe ist auf sechs Stunden angelegt. Die Schülerinnen und Schüler sind ausdrücklich dazu angehalten, gemeinsam zu arbeiten, sich gegenseitig zu helfen und zu unterstützen – freiwillig als befreundete Adlige oder gegen virtuelle Goldmünzen. Die Schülerinnen und Schüler dürfen auch ihr Buch nutzen, um die Aufgaben zu lösen.

Wer sich davon ein Bild machen mag, dem stelle ich hier die ersten Materialien mal zum Download zur Verfügung:

Anregungen, Rückmeldungen und konstruktive Kritik sind sehr willkommen, um das Projekt besser zu machen. jean-baptiste_martin_-_the_stables_viewed_from_the_chateau_at_versailles_-_wga14144Es ist daher kein „best practice“, sondern ein Eindruck in die laufende Unterrichtsarbeit, den ich gerne teilen und als Ansatz hier zur Diskussion stellen möchte.

„Warum nicht digital und online?“ … höre ich die antizipierte Frage regelmäßiger LeserInnen dieses Blogs… der Bernsen macht doch sonst immer irgendwas mit so digitalen Medien und so und jetzt nur auf Totholzkopien…

Nun ja, der Grund ist recht banal: Ich unterrichte seit Beginn des Schuljahrs an einer neuen Schule und damit auch in dieser Klasse. Mehrfach versucht habe ich in dieser Klasse (in anderen hat das prima funktioniert) Unterrichtsstunden im Computerraum abbrechen müssen. Auch Ansätze frei gewählter, individueller Zugänge innerhalb der weiten Oberthemen sind völlig gefloppt, weil ein Teil der Klasse nicht in der Lage oder willens war, sich auf die Lernsituationen einzulassen und dermaßen Rabatz geschlagen hat, dass ich einen Cut gemacht habe und zu einem sehr stark lehrerzentrierten, strukturierten Frontalunterricht zurückgekehrt bin, der aber überhaupt nicht meinen Vorstellungen von gutem Unterricht entspricht und bei vielen Schülerinnen und Schüler auch nur zu offener Langeweile und verstecktem Eskapismus geführt hat.

Deshalb nun mit diesem spielerischem Ansatz ein neuer Versuch, auf diese Weise den Schülerinnen und Schülern Spaß aufs Lernen und die Auseinandersetzung mit schwierigen Aufgaben und Herausforderungen zu machen, ihr Interesse an Geschichte wieder zu wecken und sie dazu zu bringen, längere Texte nicht nur zu überfliegen, sondern gründlich zu lesen und sie zu verstehen – Texte, die ein Teil der Klasse im Unterricht normalerweise nicht mal ansatzweise lesen würde. Genau das ist – zumindest in der ersten Stunde – zu meiner großen Freude gelungen und es war toll beobachten: Alle Schülerinnen und Schüler haben gelesen, sich in den Text reingekniet, ihn bearbeitet, markiert, unterstrichen, um ihn zu verstehen und damit Aufgabe des ersten Raums zu lösen. Ich bin sehr gespannt, ob der Ansatz auch über mehrere Stunden trägt und es gelingt über die vorgesehenen sechs Unterrichtsstunden einen Spannungsbogen aufzubauen, der mit einer Rahmengeschichte eine spielerisches Entdecken der Zeit Ludwigs XIV. ermöglicht.

2 Gedanken zu „Learning Quest: Leben am Hof Ludwigs XIV.

  1. Sehr geehrter Herr Bernsen, ich bin gerade erst auf Ihren Blog gestoßen und wirklich begeistert. Die Idee zum Absolutismus ist in meinen Augen überragend. Wie hat die Sequenz denn funktioniert? Hat sich auch eine schwierige Klasse damit fangen lassen?
    VG

    Like

  2. Hallo Herr Worbs, vielen Dank für die nette Rückmeldung. Die Antwort ist ja und nein. Grundsätzlich ist die Antwort ja, aber die weiteren, hier noch nicht veröffentlichten Materialien waren teilweise zu schwierig für die viele Schülerinnen und Schüler.

    In Teilen waren die letzten „Räume“ zu sehr konventionelle Arbeitsblätter und der spielerische Ansatz nur noch „Rahmung“. Speziell beim Merkantilismus war zudem die Sichtung und Korrektur der Lösungen nicht gelungen. Kurzum die Reihe braucht noch mindestens einen zweiten Durchgang und jede Menge Überarbeitung. Einschränkend sehe ich auch, dass die Erarbeitung einer solchen Reihe für einen einzelnen Lehrer sehr aufwändig und daher im Alltag nur ausnahmsweise zu leisten ist. Zusammenarbeit mehrere Lehrer, Austausch erstellter Reihen oder auch redaktionelle Erstellung solcher Learning Quests z.B. durch einen Verlag – idealerweise in einem offenen, digitalen Format, so dass die Materialien an die jeweilige Lerngruppe leicht anpassbar sind – sind in der ein oder anderen Form notwendig.

    Mit professioneller Unterstützung wäre es auch denkbar, das Konzept für ein oder mehrere Szenarien digital als Serious Game zum Geschichtslernen z.B. als App aufzubereiten. Das würde den Verwaltungsaufwand bei der Durchführung minimieren, die Punktevergabe und das Feedback automatisieren und damit vereinfachen und beschleunigen und noch einmal ganz andere Möglichkeiten der Kollaboration, der Materialauswahl und Aufgabengestaltung bieten.

    Das Grundprinzip (Rahmenstory, Spielelemente, Einbettung von Quellen und Darstellungen in die fiktive Geschichte, Progression von leichten zu schweren Aufgaben, Wahlmöglichkeiten, integrierte optionale Hilfestellungen, kollaborative Elemente usw.) hat auf jeden Fall geholfen, die Schülerinnen und Schüler zu einer intensiven Auseinandersetzung mit historischen Inhalten zu motivieren und besitzt meines Erachtens das Potential darauf aufbauend andere Unterrichtsreihen zu weiteren historischen Themen zu entwickeln.

    Like

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.