Die Haitianische Revolution

Arte hat am Samstag eine sehenswerte Dokumentation über die Haitianische Revolution von 1791 gezeigt, die auf den Videos bei Arte zur Zeit auch noch auf Deutsch komplett zu sehen ist (Update: mittlerweile leider nicht mehr). Die Revolution war ein epochemachendes Ereignis, das allerdings aus den Schulgeschichtsbüchern vollständig verschwunden ist, bzw. besser: nie Eingang in diese gefunden hat (warum eigentlich?). Für den Unterricht wären Haiti und seine Geschichte nicht nur wegen des  aktuellen Jahrestags des schweren Erbebens interessant.

In der Haitianischen Revolution befreiten sich Schwarze selbst vom Joch der Sklaverei und gründeten einen eigenen Staat. Ohne das im Detail nachgeschaut zu haben, fallen mir aus Unterricht und Schulbüchern nur Beispiele ein, in denen Weiße für die Abschaffung der Sklaverei eingetreten sind; die jungen Vereinigten Staaten (mit klarer Rollenverteilung von gut und böse) führten über diese Frage sogar einen Bürgerkrieg.

Ähnlich, wie es wichtig ist, Juden nicht nur als Opfer der Shoah, sondern als Individuen und Handelnde zu zeigen, müsste dies auch für „Schwarze“ gelten. Es ließe sich daran anschließend fragen, welches Bild von „Schwarzen“ im Geschichtsunterricht in Deutschland überhaupt vermittelt wird? Vermutlich eines, dass sie  überwiegend als passive Opfer europäischen Sklavenhandels und Imperialismus zeigt (siehe dazu auch den Beitrag hier). Dass  das in höchstem Maße problematisch ist, braucht hier wohl nicht weiter ausgeführt zu werden, scheint aber ein weiterer Punkt, der für die Einführung einer globalgeschichtlichen Perspektive im Geschichtsunterricht spricht.

Im letzten Vor zwei Jahren ist zur Haitianischen Revolution ein bemerkenswertes Buch mit zwei Essays erschienen, in denen die Autorin

„Buck-Morss zeigt, wie die Haitianische Revolution am Ende des 18. Jahrhunderts einen der bekanntesten deutschen Philosophen, G.W.F. Hegel, maßgeblich in seinem frühen Hauptwerk, der ‚Phänomenologie des Geistes“, geprägt und beeinflusst hat. […] die Französische Revolution proklamierte zwar die Allgemeinen Menschenrechte im Jahre 1791. Jedoch wiesen zeitgenössische Kritker/innen wie beispielsweise die Frauenrechtlerin Olympe de Gouges schon damals darauf hin, dass die Forderungen nach Freiheit und Gleichberechtigung, die als universell postuliert worden waren, in Wirklichkeit sehr partikular waren und bestimmte Gruppen nicht in das Universalismusversprechen einbanden, wie etwa die Frauen, denen weiterhin politische Rechte vorenthalten wurden. Die Haitianische Revolution stellte in dieser Hinsicht eine Radikalisierung der Französischen Revolution dar, weil sie die Gleichheit und Gleichberechtigung auch für Schwarze einforderte und dadurch realisierte, dass die Sklaven sich aus ihrer Knechtschaft befreiten. Dieses weltgeschichtliche Ereignis wurde, folgt man der Interpretation von Buck-Morss, zur zentralen Referenz der frühen Hegelschen Philosophie. Hegel war somit einer der wenigen Zeitgenossen, die die Bedeutung des ersten erfolgreichen Aufstandes von Sklav/innen, an dessen Ende die Proklamation der Unabhängigkeit der Republik Haiti am 1. Januar 1804 stand, erkannt hatten.“ (Zitat aus der Rezension auf h-soz-kult)

Der Rezensent weist übrigens darauf hin, dass nach Michel-Rolph Trouillot in der Folge „die Haitianische Revolution zu einem ‚undenkbaren Ereignis‘ wurde, weil sie eben nicht mit dem rassistischen Weltbild der Handlungsmacht schwarzer Menschen vereinbar“ gewesen sei. Das könnte auch eine mögliche Erklärung für den Ausschluss des Themas aus dem klassischen Schulgeschichtsunterricht sein. Das Buch von Susan Buck-Morss, Hegel, Haiti and Universal History, Pittsburgh 2009, findet sich übrigens in Auszügen auf Google Books.

Darüber hinaus ist noch das Louverture-Projekt hinzuweisen: ein englischsprachiges Wiki zur Geschichte Haitis zwischen 1791 und 1804, benannt nach dem führenden General der Revolution, sowie zu den Seiten der Duke Universität zur haitianischen Unabhängigkeitserklärung im britischen Nationalarchiv.

Außerhalb Haitis steht u.a. in Bordeaux seit 2005 ein kleines Denkmal, das an Toussaint Louverture erinnert; in Quebec seit 2010.

2 Gedanken zu „Die Haitianische Revolution

  1. Ich möchte noch auf Hans Christoph Buch (http://de.wikipedia.org/wiki/Hans_Christoph_Buch) hinweisen, einen Autor, der persönliche Verbindungen nach Haiti hat und auch über die frühe Revolution veröffentlicht hat. Leider zur Zeit nicht lieferbar ist „Die Scheidung von San Domingo. Wie die Negersklaven von Haiti Robespierre beim Wort nahmen“ (1982 bei Wagenbach erschienen, antiquarisch günstig zu kriegen), dafür aber ganz neu (und ebenfalls bei Wagenbach): Haiti – Nachruf auf einen gescheiterten Staat.

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