Hape Kerkelings eurozentristische Weltgeschichte

Bevor es ins Wochenende geht, muss ich mit ein bisschen Verspätung noch ein paar Gedanken zur Terra X-Premiere mit Hape Kerkeling loswerden, deren zweite Folge am Sonntagabend auf dem ZDF läuft.

Die Besprechungen, die im Laufe dieser Woche im Google RSS-Feed zum „Geschichtsunterricht“ auftauchten, waren durchweg positiv: „Gelungene Premiere“, „hohe Einschaltquoten“ usw.

Auch wenn es einigen kleinlich erscheinen mag, würde ich dafür plädieren, sich die erste Folge noch einmal genauer anzuschauen.

Dabei geht es mir nicht um Humor. Um möglichen Vorurteilen gegenüber verbissenen Geschichtslehrern entgegenzuwirken: Ich halte es für selbstverständlich, dass man Geschichte amüsant und unterhaltsam darstellen kann, für eine breite Öffentlichkeit in gewissen medialen Formen ist das sogar ein Muss. Vielmehr wundert es mich, dass es solche Formate im deutschsprachigen Fernsehen bisher kaum oder sogar nicht gegeben hat – ganz im Gegensatz z.B. zu Großbritannien.

Humor ist sicher Geschmackssache: Persönlich finde ich vieles bei horrible histories zum Kugeln komisch. Auch Hape Kerkeling hat neben vielen Flopps teilweise großartig lustige Sachen gemacht. Die erste Folge der „Weltgeschichte“ konnte mir allerdings kaum ein Schmunzeln entlocken. Für mich waren die 45 Minuten allenfalls ein Dahinplätschern von netten Urlaubsbildern, was wohl auch Teil des Konzepts ist. Am besten gefallen haben mir noch die im Hintergrund eingespielten Zitate der Pop- und Schlagergeschichte, die neben den aufwändigen, aber langweiligen Verkleidungsszenen zumindest ein wenig die Ernsthaftigkeit des Duktus eines doch übermäßig seriös daherkommenden, historisch allenfalls angehauchten Reisefernsehens gebrochen haben. Auf die Geschichtsdarstellung bezogen entspricht die Sendung allenfalls vielfach belachten Touren von Asiaten oder Amerikanern in zwei oder drei Tagen durch Europa, wo gerade bei jedem Busstopp ausreichend Zeit bleibt und ein Foto zu machen.

Positiv hervorzuheben ist, dass unter dem Titel der „Weltgeschichte“ immerhin auch Ausflüge nach Indien und China unternommen wurden und nicht versucht wurde, eine rein „deutsche“ oder „europäische“ Geschichte zu erzählen. Hier steckt aber zugleich das Problem, nicht in den Bildern, sondern im gesprochenen Text. Welche Inhalte werden (unbewusst?) vermittelt?

Mir ins Ohr gesprungen sind die völlig überholten Klischees eines „kulturell hoch stehenden Westens“, der weitgehend mit einer konstruierten europäischen Kulturgemeinschaft übereingesetzt wird, dessen Entwicklungslinie im Alten Ägypten beginnt, gegenüber einem „barbarischen Osten“. Ich halte das für in höchstem Maße problematisch und frage mich, ob ich hier überempfindlich reagiere oder warum das sonst niemand kritisch anmerkt; und natürlich stellt sich auch wieder, warum der Geschichtslehrerverband seinen Namen dafür hergibt und für einen Einsatz an den Schulen wirbt.

Diese Gegenüberstellung ist kein Einzelpunkt, sondern zieht sich wie ein roter Faden durch die gesamt Sendung. Wer das nachvollziehen möchte, kann sich in der ZDF Mediathek die Folge ja noch einmal anschauen.

Aus dem Gedächtnis sei auf einige Stellen hingewiesen:

Die hierarchische gegliederte altägyptische Gesellschaft wird ziemlich wörtlich als bis zum letzten Bauern glücklich geschildert, ihre Monumente als Zeugnisse einer hochstehenden Kultur. Obwohl das alte China durchaus vergleichbare Vorstellungen einer richtigen gesellschaftlichen Ordnung kennt und sich diese z.B. auch in der chinesischen Architektur widerspiegeln, wird neben die Bilder der eindrucksvollen Bauten des chinesischen Altertums allein auf die Brutalität der Herrscher, die despotische Unterdrückung und Ausbeutung des Volkes hingewiesen. Ähnliches gilt für Griechen und Perser. Die letzteren treten nur als Aggressoren auf, die die griechische Kultur und Demokratie gefährden. Vom frühen persischen Staatswesen und den kulturellen Leistungen kein Wort.
Was bezweckt das ZDF mit einer solchen Darstellung? Oder, wobei ich nicht weiß, was ich schlimmer fände, wissen sie gar nicht, welche Art von Weltbild sie hier vermitteln? Lustig ist das nicht, wohl aber gefährlich.

Noch am Sonntag nach der Ausstrahlung hatte übrigens Eric Makswitat in einem lesenswerten Beitrag in seinem Blog die Sendung als „Hatz durch die Pralinen der Geschichte“ beschrieben…

5 Gedanken zu „Hape Kerkelings eurozentristische Weltgeschichte

  1. Gut … ich bin keine Geschichtslehrerin, kann also zum Inhaltlichen nicht so viel sagen.

    Ich hatte mir ehrlich gesagt mehr davon versprochen. Mehr Komik a la Kerkeling. Im wesentlichen war es ein Aufguss von alten Terra X-Folgen mit viel Dazwischen-Gequatsche, vielleicht auch ein paar lustige Kommentare.

    Also … ich bin etwas enttäuscht.

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  2. Eine eurozentristische Weltgeschichte kann man sich sparen.
    Eine Kerkeling-Sendung zu Geschichte hätte ich mir aus ohne den Hinweis nicht angesehen. Jetzt werde ich es wohl machen müssen, falls sie gar nicht so eurozentristisch sein sollte. :-((

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  3. Pingback: Unterwegs in die Weltgeschichte mit Hape Kerkeling | Historikerkraus.de - Das Blog

  4. Zur zweiten Folge, wo ich nur kurz reingeschaut habe: Was soll daran „Welt“-Geschichte sein?

    Das byzantinische Reich „sollte noch einmal tausend Jahre bestehen“ und bewahrte das Wissen und die Errungenschaften der Antike „und dann kamen die Minarette“ – das hat er jetzt nicht wirklich gesagt?

    Doch hat er: Die zweite Folge knüpft mit ihrer christlich-eurzentristischen Sichtweise nahtlos an die erste an. Der Islam als Bedrohung des antikenchristlichen Abendlands. Was ist mit den Überlieferungssträgen des antiken Wissens über den islamischen Herrschaftsbereich? Was ist mit dem christlichen Beitrag zum Niedergang des byzantinischen Reiches?

    FÜr mich gibt es nur eins: Abschalten und auf keinen Fall im Unterricht einsetzen, es sei denn zur Dekonstruktion und zum Offenlegen des zugrundeliegenden Weltbildes.

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