VR 3D Modelle und entdeckendes Lernen

Die minoische Kultur ist zwischen ca. 2700 und 1400 v. Chr. die erste Hochkultur, die geografisch betrachtet in Europa, um genau zu sein auf Kreta, entsteht, und sich u.a. durch eine aufwändige Stadt- und Palastkultur sowie die Entwicklung einer Schrift (zunächst Hieroglyphen, dann darauf aufbauend die Linear A) auszeichnet.

Aus den Lehrplänen und damit auch aus den Schulgeschichtsbüchern ist die Geschichte der Minoer und von Mykene – soweit ich das überblicke – weitgehend verschwunden. Das Altertum wird (fast immer) reduziert auf den Dreiklang von Ägypten, Griechland und Rom – teilweise werden zugunsten der neuesten Geschichte auch hier bereits Teile weggelassen.

Obwohl die „Minoer“ eine Schrift entwickelt haben, ist diese bis heute nicht entziffert. Das heißt, unsere Kenntnisse und Vorstellungen über ihre Geschichte basieren ausschließlich auf den Ausgrabungen und den dort gemachten Funden.

Einige dieser Funde, besonders aus dem Archäologischen Museum in Heraklion, sind als 3D Modell aufbereitet. Diese können genutzt werden, um im Rahmen von ca. einer Doppelstunde mit Schülerinnen und Schülern sich in Form von entdeckendem Lernen sich dieser Hochkultur zu nähern. Voraussetzung ist nicht zwingend, aber sinnvollerweise die vorangehende Beschäftigung mit dem Konzept „Hochkultur“ sowie einem groben  Überblick zur altägyptischen Geschichte.

Ablauf

Zu Beginn steht mit einer Karte des östlichen Mittelmeers, ggf. auch nur der Ägäis, und von Kreta ein kurzer Input zur räumlichen und zeitlichen Einordnung und der fehlenden Entschlüsselung schriftlicher Quellen gegeben.

Aus der gemeinsamen Überblick welche Quellenarten nun zur Verfügung stehen, folgt dann die Aufgabe als „Forscher“ einige der Funde zu untersuchen, um Aussagen über die Kultur der Minoer treffen zu können.

Dazu können z.B. die hier im Beitrag abgebildeten 3D Modelle genutzt werden. Die Klasse teilt sich in mehrere Gruppe auf. Jede Gruppe übernimmt eine Quelle und untersucht diese unter der Leitfrage, welche „Informationen“ aus der Quelle über das Leben und die Kultur (Religion, Wirtschaft, Kunst etc.) der Minoer gewonnen werden können.

Anders als bei Quellenabbildungen in Schulbüchern fehlen bei den 3D Modellen einordnende Texte, so dass die Schülerinnen und Schüler ausschließlich auf die Untersuchung der Modelle angewiesen sind.

Die 3D Modelle bieten gegenüber zweidimensionalen Bildern den Vorteil, dass sie gedreht und gewendet und damit von allen Seiten und als Gegenstände bzw. Körper betrachtet werden können. Die Arbeit mit den Modellen dürfte aufgrund ihrer Anschaulichkeit auch eine hohe (zumindest Anfangs-) Motivation auslösen.

Die Modelle sind alle kostenfrei ansehbar,  können auch im Vollbild (Button unten links im Bild) und über eine VR-Brille (Button unten in der Leiste) betrachtet werden.

Nach der ersten Gruppenphase gehen die Schülerinnen und Schüler in gemischte Expertengruppen und tragen jeweils die Untersuchungsergebnisse ihrer Ausgangsgruppe zu „ihrer“ Quelle vor. Auf dieser Grundlage verfassen die Expertengruppen dann einen kurzen abschließenden Bericht, der z.B. an folgenden Fragen orientiert ist bzw. versucht, diese (begründet am Material) zu beantworten:

  • Wie lebten die Minoer?
  • Wie war ihre Gesellschaft aufgebaut?
  • Handelt es sich um eine „Hochkultur“? (vorausgesetzt: Konzept und Kriterien wurden vorab besprochen)

Eine Gruppe trägt ihren Ergebnisbericht vor, die anderen Gruppen ergänzen und diskutieren ggf. abweichende Ergebnisse.

Die Schülerinnen und Schüler lesen anschließend einen zusammenfassenden Text über die minoische Kultur z.B. aus einem Kinderlexikon oder einem Schulbuch gelesen werden, an dem sie ihre Ergebnisse mit dem „Forschungsstand“ abgleichen.

Abschließend können sie vertiefend darüber hinaus versuchen zu erklären, welche Informationen über die minoische Kultur im Darstellungstext sich anhand der Quellen aufzeigen oder belegen lassen.

P.S. Gegebenfalls kann auch diese Rekonstruktion mit einbezogen werden:

 

 

 

 

Virtual Reality im Geschichtsunterricht

Die Zahl von Virtual Reality-Angeboten zur Geschichte wächst und damit stellt sich die Frage, was sich ihnen im Geschichtsunterricht anfangen lässt. Virtuelle Realität (kurz: VR) meint laut Wikipedia dabei zunächst die „Darstellung und gleichzeitige Wahrnehmung der Wirklichkeit und ihrer physikalischen Eigenschaften in einer in Echtzeit computergenerierten, interaktiven virtuellen Umgebung“. Erweitert sollen hier aber auch 360°-Videos mit in die Betrachtung einbezogen werden.

Es finden sich zur Zeit vor allem Abbildungen historischer Objekte, also Quellen, die in 3D-Ansicht zugänglich gemacht werden: d.h. sie können gedreht und von allen Seiten betrachtet werden, außerdem bietet die Zoom-Funktion die Möglichkeit, sich Details genauer anzuschauen. Außerdem werden historische Orte und Rekonstruktionen virtuell begehbar gemacht. Der Betrachter wählt jeweils seine Blickrichtung und Perspektive aus. Selten sind (noch) Inszenierungen mit nachgestellten Spielszenen, in denen die Nutzer sich wie mitten in einen Geschichtsfilm versetzt fühlt. Diese können, aber müssen aber weder quellennah sein und noch Quellen (-zitate) enthalten.

Angereichert werden die meisten Angebote durch zusätzliche Informationen, die per Klick an jeweiligen Detail abrufbar sind. Sie können sowohl auf mobilen Endgeräten wie Smartphones oder Tablets oder VR-Brillen angeschaut werden. Einige Angebote sind nur als App verfügbar und setzen daher ein entsprechendes Betriebssystem voraus, andere lassen sich online in jedem Browser auch an einem stationären PC nutzen.

Aus geschichtsdidaktischer Sicht handelt es sich um Abbildungen von Quellen. Vorteile gegenüber den Bildern von historischen Orten und gegenständlichen Quellen z.T. in gedruckten Büchern ist der Eindruck der „Gegenständlichkeit“ gegenüber der Wiedergabe in 2D: Die Objekte lassen sich drehen, von unten oder der Rückseite betrachten, ggf. auf einem Foto zu klein wiedergegebene Details können durch den Zoom vergrößert und damit genauer betrachtet und analysiert werden.

Grundsätzlich sind für Quellen wie Darstellungen in VR-Form dieselben Arbeitsweisen anzuwenden wie sonst auch in Geschichtswissenschaft bzw. -unterricht. Wichtig ist, und dies gilt für jüngere und ungeübte Lernende sowie inbesondere für das mögliche Immersionserlebnis bei Inszenierungen, sich nicht „blenden“ lässt, sondern das Angebot sinnvoll didaktisch einzubetten und ggf. eine kritische, analytische Distanzierung anzuregen. Gerade das (kurzzeitige, aber mit Hilfe einer Brille komplette) Eintauchen in ein historisches VR – Erlebnis kann die Gefahr der „Überbewältigung“ mit sich bringen und ist daher im Sinne des Beutelsbachers Konsenses besonders aufmerksam zu begleiten.

Die Integration von Virtual Reality in Schule und Unterricht ist in jedem Fall sinnvoll, um eine sinnvolle und kritische Nutzung der Technologie in allen Fächern aufzuzeigen und zu erlernen. Besonders interessant scheint zuletzt die Möglichkeit, dass Lernende selbst VR-Produkte im Rahmen des Unterrichts erstellen bzw. bei der Erstellung beteiligt sind, so  „hinter die Kulissen“ schauen und zugleich auch die technologischen Bedingungen, Möglichkeiten und Grenzen kennenlernen. Auf ein solches größer anlegtes Projekt, in dem deutschlandweit Schulen zusammenarbeiten, sei abschließend noch verwiesen:


Beispiele für VR-Angebote zur Geschichte:

Projektbüro „Here I Stand …“ Lutherausstellungen USA 2016 – Landesamt für Denkmalpflege und  Archäologie Sachsen-Anhalt – Landesmuseum für Vorgeschichte: www.here-i-stand.com/de/order#three-d-objects

Britisches Museum – Altägyptisches Boot:

WDR Kölner Dom in 360°: http://dom360.wdr.de/

WDR Inside Auschwitz – Das ehemalige Konzentrationslager in 360°: https://www.youtube.com/watch?v=QwC5d75iTcA

Deutschlandfunk Kultur Stasiverhöre. Manipulierte Geständnisse: http://blogs.deutschlandradiokultur.de/stasiverhoer/

„Du bist nichts wert“ – im geheimen Stasi-Gefängnis (360°-Video): https://www.youtube.com/watch?v=whRxD3T65ec