Zypern: 40 Jahre Teilung, 10 Jahre EU-Beitritt des Südens

Auch wenn sich bei Zypern nur schlecht von „mitten in Europa“ sprechen lässt, liegt es geographisch doch eher am Rand, so sei an dieser Stelle zum Jahrestag der türkischen Invasion daran erinnert, dass es innerhalb der EU weiterhin ein geteiltes Land mit geteilter Hauptstadt und einem Sperrgebiet inklusive UN-Blauhelm-Soldaten gibt. Das Zypern-Problem war mir bis zu einem Urlaub auf der Insel vor ein paar Monaten nicht präsent. Es scheint gerade im „Mega-Gedenkjahr“ 2014 und angesichts der aktuellen Konflikte in Nahost und der Ukraine auch sonst weitgehend vergessen.

Der Besuch vor Ort hat bei mir allerdings einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Die Fotos zeigen die geteilte Hauptstadt, den Absperrungen der „Pufferzone“ und die „Geisterstadt“ Varosia, die damals einer der modernsten Ferienorte war, seit 40 Jahren im Sperrgebiet liegt und langsam verfällt und dadurch paradoxerweise wieder zur Touristenattraktion wird.

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Der Norden hat sich als Türkische Republik Zypern 1983 unabhängig erklärt, wird aber nur von der Türkei anerkannt, die weiterhin Zehntausende von Soldaten im Norden stationiert hat. Der EU-Beitrittskandidat Türkei ist also zugleich Besatzungsmacht. Nur der Süden ist international anerkannt und trotz des ungelösten Teilungsproblems seit 2004 EU-Mitglied. Auch wenn die Nichtanerkennung und Begriffe wie Besatzungsmacht eine eindeutige Schuldzuweisung nahelegen, ist der Konflikt historisch komplexer. Das Instrumentalisieren und Ausspielen der beiden ursprünglich gemischt siedelnden Volksgruppen geht mindestens auf die Zeit der britischen Kolonialherrschaft zurück.

Die Invasion erfolgte aus türkischer Sicht, um die türkischsprachige Minderheit zu schützen, nachdem es langjährige zunehmend aggressive Konflikte auf der Insel gegeben hatte und eine Annexion ganz Zyperns durch die Militärjunta in Athen befürchtet wurde. Beide Nato-Mitglieder Türkei und Griechenland befanden sich 1974 am Rande eines Kriegs, der nur durch internationale Vermittlung vermieden werden konnte. Die Trennungslinie von vor 40 Jahren existiert auch heute noch. Die Militärjunta in Griechenland stürzte über den Konflikt auf Zypern, was den Weg erst frei machte für Beitrittsverhandlungen Griechenlands mit der EU, die 1976 begannen und zum Beitritt Griechenlands 1981 führten.

Zur Einführung in Geschichte und Gegenwart Zyperns eignet sich gut das Heft aus Politik und Zeitgeschichte von 2009, das auf den Seiten der BpB gelesen und auch als PDF heruntergeladen werden kann. Einführend mit einem guten, wenn auch kurzen historischen Überblick lässt sich auch die leider schon ältere Folge der Arte-Sendung „Mit offenen Karten“ anschauen:

Zum Jahrestag gibt es bei der ARD einen Überblickbericht, der auch downloadbar ist sowie einen Podcast des Deutschlandfunks. Einen Blick in die „Geisterstadt“ Varsosia bei Famagusta bietet aktuell der kurze Beitrag von Euronews, der zum Jahrestag auch die Zukunftsperspektiven der geteilten Insel anreißt. Al Jazeera hat zum Jahrestag eine Umfrage in Zypern zur Einschätzung der politischen Zukunft der Insel durchgeführt. Die Antworten auf die Fragen 2 und 4 können vergleichend auch gut zum Einstieg in das Thema im Geschichts- oder Politikunterricht benutzt werden.

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Film: Fetih 1453 – Die Eroberung Konstantinopels

Nun ist es schon eine Weile her, dass ich den Film auf DVD geschaut habe. Grundlegende Informationen finden sich in der Wikipedia, Besprechungen, die sich auch im Unterricht einsetzen lassen, z.B. in der Berliner Zeitung, der Süddeutschen oder dem Guardian.

Meinen Eindruck vom Film habe ich auf der Seite kunstundfilm.de bereits gut zusammengefasst vorgefunden, deshalb sei der Beitrag hier in einem kurzen Auszug zitiert:

Interessant ist «Fetih 1453» vor allem als Dokument des aktuellen Selbstverständnisses der Türkei. Als boomende Regional-Macht besinnt sich das Land auf vergangene Größe, an die es anknüpfen will: Mit «neo-osmanischer» Außenpolitik dehnt Ankara seinen Einfluss in der Region erfolgreich aus und distanziert sich zugleich von seinen westlichen Verbündeten.

Eroberer-Nachfolger Erdoğan

Eine ähnliche Konstellation wie im Film vor 500 Jahren: Christliche Gegner schlagen sich achtbar, doch sie treiben unrettbar ihrem Untergang entgegen. Denn die Osmanen wissen Allahs Segen auf ihrer Seite: «Unser Prophet hat verkündet: Eines Tages wird Konstantinopel erobert werden.»

Religiöse Untertöne, derer sich auch Regierungschef Recep Tayyip Erdoğan gern bedient. Er sieht sich wie Sultan Mehmet II. als genialer Stratege, der gegen alle Widerstände Recht behält. Ein autoritäres Amts-Verständnis, das der Film mit einer versöhnlichen Botschaft schmackhaft machen will: Unterworfenen soll kein Haar gekrümmt werden.

Quelle: http://kunstundfilm.de/2012/02/fetih-1453-die-eroberung-von-konstantinopel/

Am Ende steht das pathetische Öffnen der Hagia Sophia durch Mehmet, der auf die verängstigt sich dorthin geflüchteten Christen zugeht und sie in einer abschließend fürchterlich kitschigen Inszenierung schützt. Allerdings: „The gentle and gracious attitude of Sultan Mehmed towards the city’s residents contradicts with historical accounts; while he showed mercy to several different groups and individuals, he still allowed the city to be totally ransacked for 3 days, as well as condoning the enslavement or murder of most of its inhabitants.“ (Wikipedia)

Eignet sich der Film für den Unterrichteinsatz? Ich würde sagen ja. Natürlich ist es im Unterrichtsaltag immer schwierig, Filme in ganzer Länge zu zeigen. Ausschnitte allein leisten hingegen nicht das, was man mit dem ganzen Film erarbeiten könnte. „Fetih 1453“ lohnt sich in besonderem Maße, gerade weil er in Teilen so offenkundig vom historischen Geschehen abweicht, um eine Botschaft zu vermitteln und weil er einen für die meisten Schülerinnen und Schüler ungewohnten Perspektivwechsel vornimmt. Das kann irritieren und sehr produktiv für historisches Lernen Fragen procozieren. Das macht es einfach für Lernende eine analytische Distanz aufzubauen. Gelingt dies, kann an dem Film Grundsätzliches aufgezeigt und diskutiert werden und es wird eine Perspektive zum Vergleich mit anderen, vertrauteren Darstellungen eröffnet.

Zuletzt noch ein Detail, das mir aufgefallen ist, was ich aber bislang nicht klären konnte: Als Fahne und Farbe Konstantinopels wird durchgängig „gelb“ verwendet (siehe auch im Trailer unten). Ist das historisch belegt oder ein Stilmittel des Films? Interessanterweise findet sich zur Farbe „gelb“ nämlich auch zum Thema „Farben und Farbsymbolik“ im Islam Folgendes:

Gelb scheint eher eine negative Konnotation zu haben und gilt als Symbol der Schwäche, der Feigheit, des Neides und des Verrats.“

Aber auch etwas weniger stark im Islam-Lexikon der BpB:

„Die F[arbe] Gelb wurde in der Kleidung den Christen und Juden zugewiesen, Grün war ihnen verboten.“

Trailer