Geschichte in Brettspielen

Beim histocamp in Mainz möchte ich gerne eine Session zu „Geschichte“ in Brettspielen anbieten. Die Spielebranche verzeichnet seit Jahren hohe Zuwächse, mit über 170.000 Besuchern und über 1000 Ausstellern ist die jährliche Messe SPIEL in Essen 2016 noch einmal größer geworden und Indikator für die weltweit weiterhin wachsende Beliebtheit von Karten- und Brettspielen. Mit der immer wieder aufflammenden Diskussion um das (mittlerweile mehrfach ausgezeichnete) Spiel „Mombasa“ hat speziell das Thema von Geschichte in Brettspielen zudem eine hohe Aktualität erhalten:

Die Debatte um Mombasa möchte ich an dieser Stelle nicht führen, sondern zunächst fragen, wo und wie Brettspiele Geschichte überhaupt darstellen können. Karten- und Brettspiele mit historischem Thema sind dabei geschichtskulturelle Produkte und damit ebenso eine Darstellungsform von Geschichte wie auch historische Romane, Filme oder Computerspiele. Vergleichbar der Debatte um Geschichte in Computerspielen werden Brettspiele, gerade wegen ihrer notwendigerweise kontrafaktischen Erzählweise, als Untersuchungsgegenstand interessanter, wenn man nicht nur nach der historischen Korrektheit der Darstellung prüft, sondern sie in ihre Entstehungszeit einordnet und nach den Bildern, Vorstellungen und Emotionen fragt, die ein Brettspiel zu einem historischen Thema vermittelt.gentsplaycards-800px

Auf der SPIEL in Essen hatte ich dieses Jahr die Gelegenheit „Barcelona – the rose of fire“ mit einem der beiden Autoren zu spielen. Ich  möchte es als Beispiel in der folgenden Auflistung nutzen, um daran die verschiedenen Möglichkeiten aufzuzeigen, wie Brettspiele ein (historisches) Thema aufnehmen und abbilden (wenn ich dabei etwas übersehen haben sollte, bin ich dankbar für ergänzende oder korrigierende Hinweise). Brettspiele können Geschichte vermitteln über:

  • Texte: Das naheliegendste Mittel sind Texte: z.B. auf den Spielkarten, in der Anleitung, zusätzliche erklärende Texte zum „historischen Hintergrund“. So werden bei „Barcelona“ u.a. bei den Karten zu einzelnen Personen, Familien, Kolonien kurze Informationen gegeben, die allerdings für das Spiel selbst keine Rolle spielen und daher nur „flavour“ sind.
  • Bilder: Auch durch die grafische Gestaltung werden Bilder und Vorstellungen von Geschichte transportiert. Dazu zählen Darstellungen von Orten, Personen, Gegenständen, Gebäuden usw. Dies geschieht mehr oder weniger realistisch, teilweise in karikaturesker Überzeichnung oder mit Hilfe von Fotos. In „Barcelona“ finden sich im Spiel die berühmten Gebäude, die zwischen 1860 und 1930 in der Stadt gebaut wurden, wie z.B. der Palau de la Música oder das Café de l’Opera auf Karten mit kurzem Infotext abgebildet und können von den Spielern in den neuen Stadtteilen „errichtet“ werden. Die Zeichnungen im Spiel imitieren in einem comichaften Stil, den für die Epoche und Barcelona bedeutsamen katalanischen Modernisme.
  • Raum: Der Spielplan kann eine räumliche Vorstellung eines bestimmten Ortes, eines Gebäudes, einer Stadt oder Region, vermitteln. So kann z.B. eine in der Regel auf wenige Elemente reduzierte Landkarte als Spielplan dienen. In „Barcelona“ ist es kein präziser Stadplan, aber die in der 2. Hälfte des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstandenen Stadtviertel außerhalb der innerhalb der ehemaligen Stadtmauern gelegenen Altstadt sind namentlich lokalisiert und werden im Lauf des Spiels auf- und ausgebaut. Diese sind unterlegt mit schachbrettartigen Straßenzügen.
  • Zeit: Brettspiele können durch die Spieldauer, über den Ablauf von Runden, über Leisten, Anzeiger, Uhren oder Karten mehr oder weniger präzise Zeitabläufe darstellen. Dies geschieht in Barcelona in zweifacher Form: Es gibt mehrere Phasen, die in Runden zusammengefasst werden, außerdem gibt es noch eine Leiste unten am Spielfeldrand, die bei fortschreitender Spieldauer und Eintreten von bestimmten Ereignissen weiterwandert und dann wiederum historische Veränderungen markiert: So fallen zu einem Zeitpunkt im Spiel die spanischen Kolonien weg (im Spielverlauf ist das variabel und an mehrere Bedingungen gekoppelt, ohne dass die Jahreszahl 1898 eine Rolle spielte) und können nicht mehr genutzt werden.
  • Mechanismen: Diese machen den Kern von Spielen aus und unterscheiden sie von anderen Darstellungsformen. Die Spielerinnen und Spieler haben Entscheidungsmöglichkeiten, die den weiteren Spielverlauf und die dabei entstehende Erzählung verändern und die ihnen – wenn das Spiel gut gemacht ist – Abhängigkeiten und Zusammenhänge aufzeigen. Dies kann in mehr oder weniger genauer Form passieren. Simulationen sind hier sehr präzise, sind in der Regel ziemlich komplex und verlangen eine entsprechend hohe Spielzeit, so dass sie nur wenige Menschen erreichen. Ein Eindruck von Entscheidungsmöglichkeiten und Interdependenzen in Wirtschaft, Gesellschaft, Politik und Militär innerhalb eines begrenzten Rahmens kann jedes Spiel leisten. „Barcelona“ nutzt dafür keine präzisen historischen Daten, aber im Spiel findet ein ständiger Zuzug von Menschen in die Stadt statt, verbunden mit der Wahlmöglichkeit der Spielerinnen und Spieler, die reiche Familie der Bourgeoisie spielen (sie schlüpfen in die Rolle der „bad guys“, wie der Autor zwischendurch erklärte), für diese zugezogenen Arbeiter Wohnraum zu schaffen, was aber wenig Prestige bringt, oder eher prestigeträchtige Einzelgebäude oder Villen errichten zu lassen. Im Spiel ist ein ausgewogenes Agieren notwendig, sonst erhält der Anarchismus Zulauf und es kommt zum Aufstand in der Stadt.

Wer „Barcelona – the rose of fire“ spielt, bekommt – auch ohne das Lesen der reichlich vorhandenen, aber für das Spiel nicht notwendigen Informationstexte – einen grundlegenden Eindruck a) vom Wachstum der Stadt, b) von den städtebaulichen Veränderungen, c) einem Ausschnitt der sozialen Konflikte der Zeit sowie d) einen groben Überblick über die katalanische bzw. spanische Geschichte zwischen 1860 und 1930 (Kolonien, Monarchie, Bourgeoisie etc.). Dabei haben die Autoren nur einzelne Aspekte herausgegriffen und machen über die Gestaltung des Spiels auch ein Deutungsangebot (u.a. Bourgeoisie finanziert Kunst und Architektur, schafft Arbeit und Wohnraum und erhält durch ausgewogenes Handeln den sozialen Frieden in der Stadt). Dieses Geschichtsbild wird vor allem durch die Spielmechanismen abgebildet, aber durch das Zusammenspiel aller anderen der oben genannte Punkte gestützt. Das Geschichtsbild ist sicherlich zu hinterfragen und offenkundig ziemlich holzschnittartig. Als populäre Darstellungsform von Geschichte ist das Spiel aber dennoch – wie ich finde – nicht schlecht gemacht.

Spiele und Spielentwicklung in der politischen Bildung: Schwerpunktthema „Partizipation“

Zum Ende der Sommerferien bzw. dem Beginn des neuen Schuljahrs in Rheinland-Pfalz an dieser Stelle ein kurzer Fortbildungstipp für mitlesenden Lehrerinnen und Lehrer aus Rheinland-Pfalz:

Am 27. September findet ganztägig in Boppard eine Fortbildung zu Spielen und Spielentwicklung für den Unterricht statt. Gehalten wird die Fortbildung von Till Meyer von Spieltrieb, der schon seit 3 Jahrzehnten beruflich mit Spielen arbeitet, vor allem auch im pädagogischen Bereich und schon zahlreiche (Brett-) Spiele, darunter auch einige didaktische, entwickelt und veröffentlicht hat.

Ausgeschrieben ist die Fortbildung für das Schwerpunktfach „Sozialkunde“. Die Inhalte lassen sich aber ebenso gut  auf Geschichte und Gesellschaftslehre übertragen.

Anmeldeschluss ist bereits in 5 Tagen. Wer Interesse hat, sollte sich also noch schnell über das Fortbildungsportal des Landes anmelden:

https://tis.bildung-rp.de/web/guest/catalog/detail?tspi=89132_

Mit Brettspielen Geschichte(n) erzählen…

Ce0WmF-WwAA0Jbi.jpg largeGeschichte im Spiel? Geht das überhaupt? Ein Spiel muss naturgemäß zu einem gewissen Grad offen sein, den Spielern im Rahmen der Regeln Handlungsmöglichkeiten einräumen und verschiedene Endkonstellationen zulassen. Geschichte im Spiel ist daher immer kontrafaktisch. Kann man trotzdem in einem Spiel mit historischem Thema etwas über Geschichte lernen?

In dieser Woche bin ich endlich dazu gekommen, „Wir sind das Volk!“ von histogame zu spielen. Um es vorweg zu sagen: Das Spiel hat mir gut gefallen. Wer viel und gerne komplexere Strategiespiele spielt, wird das Spiel mögen.

Ich möchte aber keinen ausführlichen Spielbericht liefern, sondern das Spiel hier nur unter zwei Aspekten betrachten:

1) Kann es sinnvoll im Geschichtsunterricht eingesetzt werden?

2) Lässt sich durch das Spielen von „Wir sind das Volk!“ etwas über Geschichte lernen?

Die beiden Punkte können zusammengehen, müssen sie aber nicht. Die erste Frage ist recht schnell beantwortet, für die zweite Frage sind etwas längere Ausführungen notwendig.

Das Spiel ist von den Autoren nicht für das Lernen oder für Unterricht konzipiert, sondern vor allem als Spiel mit historischem Thema. Wobei histogame den Anspruch erhebt, Spiele mit Mechanismen zu veröffentlichen, die nicht nur aufgesetzt sind, sondern einen „engen Kontakt zum gewählten historischen Thema“ haben. Wenn man beim oder durch das Spielen noch etwas lernt, umso besser, aber das ist weder Anspruch noch Ziel der Autoren.

Nichtsdestotrotz lässt sich immer wieder lesen, dass das Spiel in den Schulunterricht gehöre (siehe z.B. den „Kundenkommentar“ zu „Wir sind das Volk!“ bei der spiele-offensive). Das scheint für viele bei einem „ernsten“ Thema nahezuliegen. Leider ist dies aber leichter gefordert als umgesetzt. Eigentlich erledigt sich die Frage von selbst. Wir haben das Spiel drei Mal in der „Gaming AG“ in der Schule aufgebaut und dennoch aufgrund von Zeitmangel und der Komplexität des Regelwerks dann doch nicht gespielt. Wie Hilke Günther-Arndt vor Jahren für die Computernutzung formulierte, für die dies so nicht mehr gilt, wird bei komplexen Brettspielen immer  „ein erheblicher Teil der kognitiven Kapazität“ durch das Erlernen spezifischer Spielregeln gebunden. Die Lernenden als Spieler können somit zunächst also gar nicht auf eine fachliche Auseinandersetzung mit dem historischen Thema und dem zugrundeliegenden Geschichtsbild fokussieren.

Selbst ohne Regellektüre und Aufbau beträgt die reine Spielzeit mindestens 1,5 Stunden. Für eine erste Partie braucht es mit Einlesen und Aufbau ca. 2-2,5 Stunden und damit erledigt sich die Frage nach einem „Einsatz“ als Unterrichtsmittel von selbst. Damit passt das Spiel in keinen Unterricht, der im 45 oder 90 Minutentakt läuft. Zeit ist in Schule eine äußert knappe Ressource. Zeitlicher Aufwand für das Spiel steht aus schulischer Sicht in einem schlechten Verhältnis zum möglichen Lerngewinn durch das Spiel in einem an Effizienz im Hinblick auf Lehrplanerfüllung und Prüfungsoutput ausgerichteten Unterricht.

Was die Frage nach dem historischen Lernen angeht, sieht es etwas anders aus. Mein Eindruck ist, dass man letztlich (imho überraschend) viel durch das Spiel lernen kann. aber anders als man zunächst vielleicht denkt, weniger Fakten und Daten. „Wir sind das Volk!“ nimmt viele Elemente deutsch-deutscher Beziehungsgeschichte auf: Über die Aktionskarten kommen Ereignisse und Entwicklungen wie die Gründung der FDJ, Mauerbau, Ölkrise, Friedensbewegung, Olympische Spiele, Computer, Farbfernsehen oder die RAF mit genauen Zeitangaben ins Spiel.

Ein Spiel muss immer ausgewogen sein. Historisch vorhandene Ungleichheiten müssen ausgeglichen werden, um allen Spielern eine gleiche Chance auf einen Sieg im Spiel einzuräumen. Nichtsdestotrotz: Wer die BRD spielt, verfällt leicht in ein Gefühl von historisch legitimitierter Siegesgewissheit, während es für den Spieler der DDR den besonderen Reiz ausmachen kann, dem kleinen, vermeintlich chancenlosen Staat im Spiel zum Sieg zu verhelfen (so bei uns geschehen) – wobei Sieg im Spiel für die DDR in diesem Fall heißt, dass die DDR auch nach 40 (Spiel-) Jahren noch nicht am Ende ist.

Die Grundanlage des Brettspiels rückt vor allem ökonomische Faktoren in den Vordergrund: Bau von Fabriken und Infrastruktur sowie Heben des Lebensstandards der Bevölkerung. Speziell die DDR hat dazu noch über die sozialistische Kaderschmiede sowie verschiedene staatliche Repressionsmaßnahmen weitere Mittel, um die Bevölkerung bei geringerem Lebensstandard „ruhig zu stellen“. Der Kalte Krieg mit Aufrüstung und gegenseitiger Bedrohung kommt wie andere Bereiche nur am Rande vor. Das ist nicht weiter schlimm, sondern eine legitime Fokussierung, durchaus vergleichbar der „didaktischen Reduktion“ für den Unterricht.

Im Spiel ging es uns allerdings so, dass wir die genauen Ereignisse der Aktionskarten kaum beachtet haben. Es ging vor allem darum, welche Folgen diese Karten auslösten: zusätzlich zwei „Unruhe“ in Sachsen platzieren, ein „Unruhe“ in einem Bundesland entfernen, eine Fabrik bauen, um „Lebensstandard“ legen zu können oder vermeiden, dass die DDR durch eine Aktion zusätzliche Devisen bekommt. Die Begriffe sind im Spiel sinnvoll historisch eingebunden, wurden aber bei unserem Spiel zu Platzhaltern, zu leeren Hüllen, die auch anders genannt hätten werden können: Die Spielmechanismen dominierten das Thema.

Es sind nach meinem Eindruck also weniger die Karten und Informationen, die Geschichtslernen befördern, vielmehr vermittelt der ganze Spielaufbau einige grundlegende Einsichten in die deutsch-deutsche Geschichte. „Wir sind das Volk!“ gelingt es im Brettspiel die deutsch-deutsche Geschichte als „assymetrisch verflochtene Parallelgeschichte“ darzustellen. Dies ist überaus gelungen und macht die (Geschichtslehrersicht) hohe Qualität des Spiels aus. Im Spiel wird deutlich, dass Entscheidungen der BRD resp. DDR auch immer in kleinerem oder größerem Umfang Auswirkungen auf den anderen Staat hatten. Es wird auch von der Spielanlage her deutlich, dass es um einen Konkurrenzkampf zweier ungleicher Staaten mit unterschiedlichsten Mitteln (Wirtschaftsattacken, Attraktivität des Lebensstandards, Großereignisse 20160401_162136usw) ging, der dauerhaft über die „Prestigeleiste“ präsent ist und über Prestigegewinne und -verluste je nach den Entscheidungen der Spieler permament in Bewegung ist.

Auch die Abhängigkeit der DDR von Devisen wird sehr klar. Spielt der BRD-Spieler z.B. die Karte „Gefangenenfreikauf“, reduziert dies die „Unruhe“ in der DDR und die DDR erhält Devisen. Beides hilft ihr Überleben als Staat zu sichern. Warum sollte ich als BRD diese Aktion ausführen? Der Spieler hat verschiedene Möglichkeiten, es zu vermeiden, diese Karte zu spielen. Im Spiel wird „die BRD“ dies auch tun, historisch gesehen hat es diese Häftlingsfreikäufe aber gegeben. Warum? Hier kommt das Spiel an seine Grenzen. Es liefert keine Erklärungen. Es ist aber stark, dass das Spiel solche Fragen aufwirft und damit ein vertieftes Interesse am Thema schaffen kann.

Zum Schluss noch ein Ausblick: Dort wo die Grenzen dieses Brettspiels liegen, fangen die Potentiale für historisches Lernen durch ein anderes Brettspielgenre an. Diese Woche habe ich zum ersten Mal T.I.M.E. Stories gespielt. Das Spiel ist im Aufbau orientiert an Videospielen: Es gibt einen begrenzten Raum, in der ersten Mission das Gelände einer Nervenheilanstalt mit verschiedenen Räumen, die die Spieler erkunden, dort Objekte finden, die ihnen weiterhelfen, von Personen Hinweise erhalten oder auf falsche Fährten gelockt werden, um schließlich ein Rätsel zu lösen und die Mission zu erfüllen. Wer sich weniger mit Videospielen auskennt, erinnert sich vielleicht noch an die klassischen Pen&Paper-Rollenspiele oder die „interaktiven“ Bücher, bei denen man am Ende eines Abschnitts entscheidet, wie der Held handelt, um dann jeweils an anderer Stelle mit möglichem anderen Ausgang der Geschichte weiterzulesen.

Genau so funktioniert T.I.M.E. Stories, nur eben als Brettspiel. Im englischen gibt es für dieses neue Genre schon den Begriff „narrative games“; Spiele also, die das Erzählen einer Geschichte in den Mittelpunkt stellen. In diesem Spielprinzip liegt meines Erachtens ein großes Potential für die Umsetzung historischer Themen als Brettspiel, weil die Mechanismen in den Hintergrund treten und auch individuelle Entscheidungen mit möglichen Gründen oder Zwängen (ggf. wiederum natürlich auch kontrafaktisch) abgebildet und erzählt werden können. Damit ließen sich historische Themen, die weniger über staatliche oder wirtschaftliche Strukturen abzubilden sind, wie die RAF oder die Solidarnosc, in Form eines Brettspiels darstellen. Die narrative Struktur von T.I.M.E. Stories führt zudem dazu, dass die erzählte Geschichte mit den auftretenden Personen und dem gesamten Kontext gegenüber den Spielmechanismen in den Vordergrund rückt und, da für das Lösen des Rätsels entscheidend, immer wieder inhaltlich aufgegriffen und diskutiert werden und sich somit auch langfristig einprägen.

Ich würde gerne mal ausprobieren, das Spielprinzip von T.I.M.E. Stories aufzugreifen, zu adaptieren und nicht in einem fiktiven, sondern einem historischen Handlungsrahmen anzusiedeln und z.B. für einen bekannten oder weniger bekannten historischen Mordfall, wie die Ermordung Liebknechts und Luxemburgs, umzusetzen. Eine Idee, die mich schon seit dem Referendariat umtreibt, bislang fehlte allerdings der zündende Gedanke für eine mögliche Umsetzung.

Allerdings sprengt auch dieses Spielprinzip jeden Zeitrahmen, der im schulischen Geschichtsunterricht üblicherweise zur Verfügung steht…

Personenraten mit Wordle

Eine schöne Anregung aus dem Workshop von Thomas Strasser auf dem 6. Moodlefest des LPM in Dudweiler/Saarbrücken:

Die Methode eignet sich im Geschichtsunterricht sowohl zum Einstieg zur Aktivierung des Vorwissens der Lernenden als auch zur Wiederholung von Inhalten.Ausgangspunkt ist ein Text mit der Kurzbiographie einer historischen Person, z.B. aus der Wikipedia oder einem anderen Online-Lexikon.. Der Text wird in die webbasierte Anwendung Wordle kopiert, die daraus eine Wortwolke erstellt. Dabei erscheinen verschieden groß, je nachdem wie oft sie in der Textvorlage vorkommen.

Idealerweise entfernt man noch den Namen der Personen sowie möglicherweise weitere allzu deutliche Hinweise (Rechtsklick auf die jeweiligen Begriffe). Mit Hilfe der Schlagwortwolke „raten“ nun die Schülerinnen und Schüler, um welche Person es sich handelt und begründen ihre Vermutung. Dabei werden neben zugleich eine Menge historischer Informationen aufgegriffen und miteinander verknüpft. Durch den Rate-/Spielcharakter und die ebenso schnelle wie ansprechende Gestaltung der Wordle-Wolken stellen diese eine aktivierende und motivierende Alternative zur Lehrerfrage dar.

Gleichfalls denkbar ist, das Vorgehen z.B. bei der Analyse von historischen Reden zu einer ersten Annäherung an den Text einzusetzen, um anschließend die vollständige Rede bzw. deren vorliegenden Auszüge zu analysieren.

Zum Schluss noch ein Beispiel, wie so eine Wort-Wolke aussehen kann. Viel Spaß beim „Raten“!

Ein sehr einfaches Beispiel: Textgrundlage

Online-Spiele zum Selberbasteln

Auf classtools.net gibt es auf Englisch einige Online-Spiele, die man mit eigenen Inhalten füllen kann. Zum Ausprobieren habe ich mich bei der Zeitleiste von historicum.net bedient und die Daten in das Formular eingetragen. Das Ergebnis kann man hier sehen (und natürlich auch spielen). Die Seiten und Informationen sind auf Englisch. Das Beispiel ist so eingestellt, dass man zwischen den fünf möglichen Spielen wählen kann und auch die eingegebenen Daten lassen sich editieren. Beides kann beim Erstellen gesperrt werden, so dass ein Spiel vorgegeben ist und die eingegebenen Informationen nicht verändert werden können.

Die Spiele sind alle in einem Retro-Stil gehalten, der zumindest für mich einen gewissen Charme besitzt, für Schüler vermutlich weniger…  Die Spiele sind extrem schnell und einfach zu erstellen, können dauerhaft gespeichert und über eine URL den Lernern zur Verfügung gestellt werden. Alle Spielmodelle basieren auf reinen Wissensfragen: Abfragen und Zuordnen von Namen, Ereignissen oder Jahreszahlen. Damit sind die Einsatzmöglichkeiten für den Geschichtsunterricht sehr begrenzt. Aber warum nicht etwas Abwechslung in den Unterricht bringen?  Zur methodischen Auflockerung und inhaltlichen Wiederholung können diese Art Spiele auf jeden Fall mal eingesetzt werden.

Archive & Computer-/Internetspiele

Gestern bin ich durch einen Tweet von EiserfeldWolf auf zwei Spiele aufmerksam geworden, die Geschichte vermitteln wollen und bei denen Archive bei der Konzeption der Spiele mitgewirkt haben.

Zum einen ist es das runterladbare Spiel Lambert & Laurin, mit dem 2008 auch ein Gewinnspiel verbunden war, für dessen Lösung das Kreisarchiv Siegen-Wittgenstein sowie das Stadtarchiv in Siegen aufgesucht werden mussten.

Zum anderen Het geheim van Rotterdam (Das Geheimnis von Rotterdam), in dem sich ein Schüler und sein Großvater auf Spurensuche in Rotterdam begeben.

Ehrlich gesagt, stehe ich etwas ratlos vor diesen Spielen. Ich weiß wie schwierig die Öffnung von Archiven für ein weiteres Publikum ist, weil dies von vielen Archiven weiterhin nicht als „Kerngeschäft“ angesehen wird. Insofern begeistern mich solche Initiativen, weil in Archiven ungeheure Schätze für die Vermittlung von Geschichte, gerade auch für die Schule, liegen. Deshalb ist mir die Zusammenarbeit von Schule und Archiv ein wichtiges Anliegen.

Fraglich ist, ob dies durch solche Spiele geleistet werden kann und ob der Aufwand für die Erstellung eines solchen Spiels gerechtfertigt ist. Die Idee, das Computerspiel mit dem Archivbesuch zu verknüpfen, finde ich sehr gelungen, aber nach Ablauf des Wettbewerbs, fürchte ich, wird das Spiel heute kaum noch genutzt werden.

Dem niederländischen Spiel liegt die schöne Idee, eines Vergleichs von Rotterdam vor und nach der Bombardierung 1940 durch die Deutschen zugrunde. Allerdings besteht das Spiel vor allem aus Suchbildern, in denen Münzen und Gegenstände gefunden werden müssen, was ich persönlich schon beim zweiten Level als ermüdend und langweilig empfand (zusätzlich dazu die schlechte, nervtötende Musik, die aber zum Glück ausschaltbar ist). Mit den Gegenständen werden keine weiteren Informationen verknüpft und auch der Großvater hält sich sehr zurück und erzählt (zumindest bis zum Puzzle im vierten Level, nach dem ich dann ausgestiegen bin) außer dem langwierigen Rahmenhandlung kaum historisch Interessantes. Wobei das in der Umsetzung z.B. durch weitere Informationen zu den Gegenständen bei Anklicken sehr schön und leicht umsetzbar gewesen wäre.

Insofern frage ich mich, gibt es weitere Beispiele mit computer- oder internetbasierten Spielen historischen Lernen in oder mit Archiven zu fördern? Was kannst sonst das Ziel von solchen Spielen sein? Nur eine andere Art von Werbung für die eigene Einrichtung, wie hier im Blog De digitale Archivaris angedeutet?

Irgendwie denke ich, dass in der Verbindung von Internet, Spiel und historischem Lernen durchaus ein Potential  für die Öffnung von Archiven für eine breitere (und junge) Öffentlichkeit schlummert, das aber bisher noch nicht geweckt scheint.