Literatur- und Materialhinweise zur Beitragsserie: Arbeiterbewegung und Erster Weltkrieg

Literaturauswahl

BLÄNSDORF, A., Die Zweite Internationale und der Krieg. Die Diskussion über die internationale Zusammenarbeit der sozialistischen Parteien, Stuttgart 1979.

DONGEN, B. van, Revolutie of integratie. De Sociaal Democratische Arbeiders Partij in Nederland tijdens de Eerste Wereldoorlog, Amsterdam 1992.

GEURTSEN, T., Een geschiedenis van verloren illusies. Socialdemocratie in Nederland, Amsterdam 1994.

GRASS, M., Friedensaktivität und Neutralität. Die skandinavische Sozialdemokratie und die neutrale Zusammenarbeit im Krieg. August 1914 bis Februar 1917, 1975.

HAEGENDOREN, M. van, Le parti socialiste belge de 1914 à 1940, Brüssel 1995.

HAUPT, G., Der Kongreß fand nicht statt. Die sozialistische Internationale 1914, Wien 1967 (erweitert. engl. Aufl.: Socialism and the great war. The Collapse of the Second International, Oxford 1972).

LADEMACHER, H., (Hrsg.), Die Zimmerwalder Bewegung. Protokolle und Konferenzen, 2 Bde., 1967.

LIEBMAN, M., Les socialistes belges – Le P.O.B. face à la guerre, Brüssel 1986.

———-, Les socialistes belges 1885-1914. La révolte et l’organisation, Brüssel 1979.

LIGT, B. de, Vrede als daad. Beginselen, geschiedenis en strijdmethoden van de direkte aktie tegen de oorlog, Arnheim 1931.

MEYNELL, H., The Stockholm Conference of 1917, in : International Review for Social History 5 (1960), S. 1-25, 202-225.

MILLER, S., Burgfrieden und Klassenkampf. Die deutsche Sozialdemokratie im 1. Weltkrieg, Düsseldorf 1974.

MOMMEN, A., De Belgische werkliedenpartij. Ontstaan en ontwikkeling van het reformistisch socialisme (1880-1914), Gent 1980.

RIEMENS, M. J., Een vergeten hoofdstuk. De Nederlandsche Anti-Oorlog Raad en het Nederlands pacifisme tijdens de Eerste Wereldoorlog, Groningen 1995.

RITTER, G. A. (Hrsg.), Die Zweite Internationale 1918/1919. Protokolle, Memoranden, Berichte und Korrespondenzen, 2 Bde., Berlin 1980.

STILLIG, J., Die russische Februarrevolution 1917 und die sozialistische Friedenspolitik, 1977.

TROELSTRA, P.J., Gedenkschriften, 4 Bde., Amsterdam 1931.

UNFRIED, B. u.a. (Hrsg.), Transnationale Netzwerke im 20. Jahrhundert. Historische Erkundungen zu Ideen und Praktiken, Individuen und Organisationen, Leipzig 2008.

VANDERVELDE, E., La Belgique envahie et le socialisme international, Paris 1917.

Online-Material für den Unterricht

Quellen zur Entwicklung der Sozialistischen Internationalen (1907-1919): http://library.fes.de/si-online/index.html

Protokolle der Sozialdemokratischen Parteitage (1910-1919): http://library.fes.de/parteitage/index-pt-1910.html

Chronik der deutschen Sozialdemokratie: http://library.fes.de/fulltext/bibliothek/chronik/

Fotos Library of Congress „Women’s Peace Parade 1914

The Guardian –  Foto: Friedensdemonstration Trafalgar Square in London: http://www.theguardian.com/commentisfree/2012/dec/10/history-curriculum

Britische Propagandaschrift „Belgian Miners Form Living Shield for Germans“ (leider ohne weitere Angaben) http://stahlgewitter.files.wordpress.com/2011/02/propaganda_21.jpg

Deutsche Propaganda Bildpostkarte von 1914 „Der Kaiser rief und alle kamen“ http://www.bildpostkarten.uni-osnabrueck.de/displayimage.php?album=87&pos=22

In die Zukunft gedacht. Bilder und Dokumente zur deutschen Sozialgeschichte: Wilhelm II. und der Erste Weltkrieg (1890-1918) https://www.in-die-zukunft-gedacht.de/de/page/68/epoche/130/epochen.html

Fortschrittsdenken und Geschichtsunterricht

Dass Schülerinnen und Schüler mehrheitlich mit dem Konzept von Fortschritt an die Gegenstände historischen Lernens herangehen ist mittlerweile vielfach empirisch belegt. Geschichte präsentiert sich Schülern als Erfolgsgeschichte des immer Schnelleren, Weiteren, Besseren. Viel zu wenig Beachtung hat m.E. in diesem Zusammenhang bisher die Rolle der Geschichtscurricula und -bücher bei der Konstruktion oder zumindest Unterstützung dieses Konzeptes gefunden.

Um kurz zu rekapitulieren: Was bedeutet das unterschwellig vorhandene Fortschrittskonzept für historisches Lernen? Für Schüler heißt es oft: Abstand zur Vergangenheit, i.S. von „die“ konnten das „damals“ noch nicht wissen, „wir“ sind da heute viel „weiter“. Daraus kann sich dann ein Überlegenheitsgefühl der Gegenwart gegenüber der Vergangenheit ableitenn. Gerade dieses verhindert aber historisches Lernen.

Ein Blick auf typische (so schwierig und pauschal das jetzt auch sein mag) Themen und deren Abfolge im Geschichtsunterricht zeigt aber eben eine Auswahl erfolgreicher Entwicklungen: vom Absolutismus zur Demokratie (englische, us-amerikanische und französische Revolution), vom Ackerpflug zum Computer (bäuerliches Leben und Handwerk in Mittelalter und Früher Neuzeit über Manufakturen zu Liberalismus und Industrialisierung ) ebenso wie bei Philosophie und Religion (Mittelalter – Renaissance / Humanismus – Aufklärung). Nuancen, Brüche und Gegenentwicklungen verschwinden dabei weitgehend: Die meisten Schüler verstehen das Besondere des Absolutismus nicht, weil sie keine Ahnung von Herrschaft und Mitbestimmungsrechten seit dem Mittelalter haben (siehe auch das aktuelle Heft von Geschichte lernen).

Es gibt wenige Stelle, wo „Scheitern“ im Geschichtsunterricht ausdrücklich thematisiert wird: die Revolution von 1848/49, die aber als Bezugpspunkt für die Demokratieentwicklung noch positiv umgedeutet wird, im schlimmsten Fall behalten die Schüler, dass die Zeit noch nicht „reif“ war (ähnliches gilt für die Französische Revolution); und  ohne Einschränkung das Scheitern der Weimarer Republik, das wiederum von Schülern und Lehrkräften meiner Erfahrung nach als eines der spannendsten Themen angesehen wird. Und das eben nicht nur, weil hier eine „Urfrage“ der Beschäftigung mit Geschichte heute thematisiert wird („Wie war Hitler möglich?“).

Gerade in der Thematisierung von gescheiterten Entwicklungs- und Reformversuchen liegt m.E. eine enormes, bisher kaum berücksichtigtes didaktisches Potential, weil hier aufgezeigt werden kann, dass der Gang der Geschichte eben nicht nur, wie die Auswahl von Geschichte für den Geschichtsunterricht oft suggeriert, Fort- sondern auch Rückschritte und Rückschläge beinhaltet. Außerdem lassen sich an solchen Gegenständen auch sehr gut  Fragen nach Relevanz und Auswahl historischer Themen für den Unterricht stellen. Gerade wenn man exemplarisch das Scheitern an einem Gegenstand herausgreift, der nicht im Geschichtsbuch steht, lassen sich solche Fragen  mit Schülern gewinnbringend diskutieren. Die oft beklagte Stofffülle und die geringe Stundenzahl stehen dem nicht im Wege, wenn man das Prinzip der Exemplarität wirklich ernst nimmt.

Drei mögliche Themen, um das „Scheitern“ im Geschichtsunterricht beispielhaft zu thematisieren, sind z.B.

1) Die Friedensbewegung vor dem 1. Weltkrieg. Jeder Lehrer kennt das vermutlich aus dem Unterricht, dass Schüler meinen heute wäre der Kriegsausbruch wäre so nicht mehr möglich. Warum steht denn viel über die „Kriegsbegeisterung“ in den Geschichtsbüchern, aber nichts über die Friedensdemonstrationen, die 1913/1914 Hunderttausende in ganz Europa auf die Straßen brachten? Nur, weil sie nicht erfolgreich waren? Die Thematisierung dieser Bewegung kann uns ein Stück unserer gegenwärtigen Überheblichkeit nehmen.

2) Die korsische Revolution von 1755: Unter Pasquale Paoli gibt sich Korsika die erste geschriebene demokratische Verfassung der Neuzeit, lange vor den USA, Polen oder Frankreich und erklärt sich zugleich von Genua unabhängig. Die Genusesen überlassen die Insel Frankreich, das mit seinen überlegenen Truppen 1769 die korsische Demokratie und Unabhängigkeit blutig beendet. Die französischen Revolutionäre schließlich bestätigen 1789/90 die Annexion Korsikas, die bekanntlich bis heute Bestand hat

3) Dasselbe gilt für die polnische Verfassung und Reform von 1791. Gerade im Vergleich mit Frankreich und den USA können hier tiefere Einsichten gewonnen werden, weswegen „Scheitern“ als Gegenkonzept zu „Fortschritt“ einen Platz in Geschichtsdidaktik  und -unterricht erhalten sollte.