Einer Karikatur auf der Spur: die Online-Suche Schritt für Schritt

Bismarck-Karikatur

Auf den Seiten von LSG Musin eine interessante, aber weniger bekannte Karikatur zu Bismarck auf das Jahr 1873 datiert und mit dem Drei-Kaiser-Bündnis in Bezug gebracht. Weitere Informationen fehlen. Wenn man bei der Google Bildersuche schaut, sieht man schnell, dass es sich um eine englische Karikatur handelt und dass bei der Widergabe der Abbildung auf den LSG-Seiten etwas abgeschnitten wurde. Vergleiche:

1) http://www.tomatobubble.com/fh2.html: Der Text leider verpixelt und daher unleserlich. Die Karikatur wird aber gleichfalls auf 1873 datiert.

2) http://www.heritage-images.com/Preview/PreviewPage.aspx?id=1150942&pricing=true&licenseType=RM Hier ist eine etwas ausführlichere Einordnung dabei, die die Karikatur aber auf 1884 (!) datiert, das sogar taggenau mit Angabe des Publikationsorts. Außerdem ist die Bildunterschrift lesbar: Der „The Three Emperors ; or, the Ventriloquist of Varzin!“, damit haben wir einen Titel für die Karikatur und vielleicht eine zusätzliche Einordnungshilfe über den angegebenen Ort „Varzin“. Wobei das erste Bild noch einen längeren Text zeigt, der aber offensichtlich weggelassen ist. Entscheidend ist der Hinweis auf den Original-Publikationsort mit Datum: „Punch, or the London Charivari, September 20, 1884“

Check 1: Was war in Varzin?
Wikipedia hilft schnell weiter: http://de.wikipedia.org/wiki/Warcino Mit dem Bild hat es nichts zu tun, außer dass wir bestätigt bekommen, dass das Bild später als 1867 (Kaufjahr des Schlosses) zu datieren ist. Das wussten wir aber schon.

Check 2: Gibt es den Punch oder Charivari digitalisiert online?
Erster Blick in den Wikipedia-Artikel zur Zeitschrift: http://de.wikipedia.org/wiki/Punch_%28Zeitschrift%29

Erkenntnisse
a) Es handelt sich nur um eine Zeitschrift: Punch or The London Charivari.
b) Es gibt mehrere Links zu Digitalisaten.

Fundstelle 1: Die Seite ist aber seltsam, weil sie die Bilder aus der Zeitschrift löst und damit Zusammenhang wie auch Veröffentlichungsdatum fehlen, aber die Karikatur findet sich: http://punch.photoshelter.com/image/I0000798l5UMAXnk Allerdings auch nur mit dem Kurztext, ohne genaue Veröffentlichungsangabe, datiert auf 1884. Das ist als Nachweis noch zu dünn.

Fundstelle 2: Die Heidelberger Uni-Bibliothek hat (fast) alle Ausgaben des Punch digitalisiert:
http://www.ub.uni-heidelberg.de/helios/fachinfo/www/kunst/digilit/punch.html Nur just die Ausgaben von 1884 fehlen. Die übrigen Links aus dem Wikipedia-Artikel helfen nicht weiter. Um 100% korrekt zu arbeiten, wäre jetzt der Punkt gekommen, in eine Bibliothek zu gehen und einen Originalband einzusehen, um die Karikatur nachzuweisen und in ihrem Entstehungszusammenhang zu sehen.

Wenn man online mit der Karikatur über die Bildersuche von Google oder Bing nach ähnlichen Bildern sucht oder mit dem genauen Titel der Karikatur recherchiert, findet man in verschiedenen Publikationen präzise Quellenangaben mit denselben Informationen zu Titel, Veröffentlichungsort und -datum, so z.B. hier:

http://www.academia.edu/313015/The_Other_Kaiser_Wilhelm_I_and_British_Cartoonists_1861-1914

„The Three Emperors ; or, the Ventriloquist of Varzin!“ Punch (20 September 1884).

Es ist also davon auszugehen, dass die Angaben bei LSG Musin falsch sind.

Das passiert gerade bei Karikaturen immer wieder, dass ihre Ausage gut zu einem bestimmten historischen Ereignis zu passen scheint (hier: das Drei-Kaiser-Bündnis von 1873) und ihre Datierung dann daran zu pädagogischen oder illustrativen Zwecken irgendwie „angepasst“ wird.

Ein anderes Beispiel ist die in Schulbüchern beliebte Karikatur „Deutschlands Zukunft“, die öfters falsch auf 1866 datiert wird, allerdings erst am 22. August 1870 in der österreichischen Kikeriki erschienen ist, und damit also nach Beginn des deutsch-französischen Krieges, was für die Einordnungn und Interpretation der Karikatur nicht unerheblich ist. Interessanterweise wird das Tagesdatum bei allen eingesehenen Fundstellen in Schulbüchern wie auf Internetseiten weggelassen. Genannt wird stets nur eine Jahreszahl.

Es gibt übrigens auch einen zeitlich-historischen Kontext für die wahrscheinlich korrekte Datierung der Karikatur von Bismarck mit den drei Kaisern: Vom 15.-17. September 1884 trafen sich die drei Kaiser in Skierniewice (http://wwwg.uni-klu.ac.at/kultdoku/kataloge/03/html/294.htm), wo sie trotz Spannungen den Dreikaiserbund von 1881 erneuerten. Bismarck war auch anwesend und in diesen Zusammenhang ist die Karikatur einzuordnen.

P.S. Die Autorenzuschreibung zu John Tenniel oder Joseph Swain ließ sich online ebenso übrigens nicht eindeutig klären: „SWAIN S.c. on an engraving does not necessarily indicate the hand of the master“.

Wikipedia visualisiert

Von Wikipedia war an dieser Stelle ja schon die Rede. Heute möchte ich hier auf eine webbasierte Anwendung hinweisen, die zur Zeit noch vor allem auf wikipedia als Informationsquelle zurückgreift.

eyePlorer bietet die Möglichkeit Suchbegriffe einzugeben. Angezeigt werden zunächst verwandte Begriffe, die nach Kategorien (Wissenschaft, Orte,  Personen usw.) farblich unterteilt angezeigt werden. Durch diese Visualisierung lassen sich gerade große Themengebiete und Recherchen zu Beginn einer Arbeit (Schulreferat etc.) übersichtlich strukturieren. Die Visualisierung kann auch dabei helfen, das richtige Stichwort zu finden, wenn Mehrdeutigkeiten vorliegen.

FireShot Pro capture #005 - 'Geschichtsunterricht - eyePlorer_com - Die visuelle Wissensmaschine' - de_eyeplorer_com_show_me_Geschichtsunterricht

Fährt man mit der Maus über die als zusammenhängend aufgezeigten Begriffe wird in einem kurzen Textzitat mit Quellenbeleg erklärt, worin der Zusammenhang besteht. Ist der richtige Begriffszusammenhang gefunden, sind auf die entsprechenden vollständigen Informationsquellen direkt zugegriffen werden. Textauszüge lassen sich auf einen Notizblock ziehen und dort speichern. Zusätzlich besteht die Möglichkeit den gefundenen Begriff oder Bilder dazu im Internet zu suchen. Für ganz aktuelle Themen kann der Begriff auch zusätzlich in Twitter gesucht werden.

Fazit: ein interessantes Tool sowohl zur Begriffsarbeit im Unterricht als auch zur Recherche-Hilfe.

Für weitere Anregungen für den Einsatz im Unterricht verlinkt die eyePlorer-Seite auf verschiedene (englisch-sprachige) Lehrerblogs. Etwas einfallslos und daher eher negativ („lustigen Spielereien“) die Einschätzung auf weblog.hist.net vom 15.9.