Hier folgt nun die Fortsetzung der Unterrichtseinheit zur Kaiserkrönung Karls des Großen mit den entsprechenden Materialien, die jeweils als Word-Dokumente im Text verlinkt sind. In der Stunde (Verlaufsplan hier) sollen die Schülerinnen und Schüler am Beispiel der Erneuerung des weströmischen Kaisertums durch Karl den Großen erkennen, dass der ausschließliche Rückgriff auf traditionelle Formen der Herrschaftslegitimation zur Durchsetzung eines Titelanspruchs unter Umständen nicht ausreichend sein kann, sondern den Bedingungen der Zeit angepasst und gegebenenfalls erweitert werden muss.
Durch Behandlung im Unterricht vorausgesetzt werden die Reichsgründung Chlodwigs sowie die Bedeutung seines Übertritts zum römisch-katholischen Glauben, die Ablösung der Merowinger durch die Karolinger unter Pippin und die Rolle, die der Papst und die Legitimation durch die kirchliche Salbung spielten, sowie die Nachfolge Pippins durch seinen Sohn Karl den Großen. Im Mittelpunkt der letzten Stunde standen vor allem die kriegerischen Erweiterungen des Frankenreiches durch Karl den Großen sowie die z.T. damit verbundene missionarische Ausweitung des Christentums. Hieran schließt sich logisch die Frage nach der Erneuerung des weströmischen Kaisertums durch Karl den Großen an.
Der Einstieg in die Stunde erfolgt über ein Zitat aus den Lorscher Annalen, das mittels einer Folie an die Wand projiziert wird. Die Lorscher Annalen sind die einzige zeitgenössische Quellen, die eine argumentative Begründung für die Annahme des Kaisertitels liefert. Der Quellentext wurde verfremdet und enthält drei falsche Angaben. Die Schüler finden und korrigieren diese. Anschließend fassen sie den Inhalt der Quelle mit eigenen Worten zusammen. Um den gewählten Ausschnitt zu erklären, greifen die Schüler auf ihr Vorwissen zur Eroberungs- und Missionspolitik Karls des Großen zurück.
Ausgehend von der theoretischen Begründung für die Übernahme des Kaisernamens wird nun der eigentliche Krönungsakt näher in den Blick genommen, zu dem die Schüler zwei konträre Quellenberichte (aus dem Papstbuch und der Vita Einhards) als Hausaufgabe vorbereitet haben. Die unterschiedliche Darstellung der Vorgänge wird herausgearbeitet und mit der unterschiedlichen Perspektive der Verfasser begründet. Die Schüler bemerken, dass der von Einhard geschilderte Widerwille Karls gegen die Kaiserkrönung nicht zu dem eingangs festgestellten Streben Karls nach der Kaiserwürde zu passen scheint. Gegebenfalls kann die Glaubwürdigkeit Einhards durch einen kurzen Hinweis auf seine Stellung am Hof Karls durch die Lehrperson gestützt werden. Der offengelegte Widerspruch wird problematisiert, indem die Schüler Thesen aufstellen, was der Grund für die von Einhard in seinen Bericht eingefügte Missstimmung Karls sein könnte. Um das historische Verständnis der Schüler zu schulen, sollen sie auch selbst überlegen, wie sie ihre Thesen überprüfen können.
Die Schüler untersuchen nun in arbeitsgleicher Partnerarbeit die beiden im ersten Teil abgebildeten Münzen, wie sich der neue Kaiser selbst darstellen ließ und überprüfen daran ihre Hypothesen und korrigieren sie gegebenenfalls: Zunächst beschreiben die Schüler die Darstellung Karls als römischer Kaiser und Nachfolger Konstantins. Aus der sich daraus ergebenden Erkenntnis, dass Karl offensichtlich eine Erneuerung des weströmischen Kaisertums im Sinn hatte und in den vom ihm autorisierten Darstellungen jeglicher Hinweis auf die Rolle Papstes fehlt, schließen die Schüler, dass Karl vermutlich mit der Krönung durch den Papst nicht einverstanden gewesen ist.
Um die Frage zu klären, warum Karl dennoch die Kaiserkrönung durch den Papst akzeptiert hat, erfolgt der Rückgriff auf das eingangs besprochene Zitat der Lorscher Annalen. Im Vergleich mit der Legitimationsgrundlage für die in den Vorstunden behandelte Königsherrschaft Pippins (Namentheorie) erkennen die Schüler, dass Karl sich hier in die Tradition seines Vaters stellt und für die Übernahme und Akzeptanz des erneuerten Kaisertitels in der Machtsituation (Byzanz) und der mittelalterlichen Gesellschaft (Christentum) eine zusätzliche Legitimation benötigt.
Ein anschließender oder späterer Transfer ist möglich mit der Analyse einer bildlichen Darstellung der Zweigewaltenlehre oder Zweischwerterlehre, wie sie sich in den meisten Schulbüchern findet, die von einer harmonischen Herrschaft der geistlichen und weltlichen Gewalt ausgeht und bereits am Ende des 5. Jahrhunderts formuliert wurde. Die Schüler beschreiben die Abbildung und stellen aufgrund ihres Vorwissens die idealisierte Darstellung in Frage, indem sie Papst und Kaiser in Form von Sprechblasen ihre Gedanken sozusagen „in den Mund legen“. Leisten die Schüler diesen Transfer, wäre am Ende der Stunde noch einmal der Bogen zu einem Grundkonflikt der mittelalterlichen Geschichte geschlagen.
Vertiefend können, z.B. als Hausaufgabe, zwei Quellentexte zur wiederholten Kaiserkrönung Ludwigs des Frommen (813, 816) gelesen werden. Indem die Schüler eine Art Tagebucheintrag für Ludwig den Frommen verfassen, haben sie noch einmal Gelegenheit das Gelernte anzuwenden und halten fest, dass die Herausbildung des schwierigen Verhältnisses von Papst und Kaiser im Mittelalter nicht in einem punktuellen Ereignis begründet liegt, sondern Ergebnis einer langen Entwicklung mit offenem Ausgang war.