Viele Wege führen nach Rom…

Alle regionalen Fachberater in Rheinland-Pfalz waren vom Ministerium beauftragt worden sich mit dem Thema Heterogenität in ihren Fächern zu beschäftigen und konkrete Unterrichtsmaterialien zur Binnendifferenzierung in der Sekundarstufe I am Gymnasium auszuarbeiten. Das Projekt firmiert im Land unter dem Schlagwort „Heko – Heterogenität konkret“. In diesem und im nächsten Schuljahr ist das Thema auch Beratungsschwerpunkt. Zahlreiche Gymnasien haben das aufgenommen und führen eigene Studientage zum Thema durch. Das ist sehr erfreulich. Wer im gymnasialen Bereich arbeitet weiß, dass Heterogenität dort sehr lange kein Thema war. Andere Schularten sind da schon lange viel weiter.

Die Fachberater Geschichte haben mehrere exemplarische Unterrichtsreihen ausgearbeitet. Gestern kam nun das grüne Licht von Seiten des Ministeriums, dass wir das Papier online zur Verfügung stellen dürfen. Zu Heterogenität und Differenzierung gibt es für den Geschichtsunterricht bisher wenig Publikationen. Für eine Einführung und einen Überblick sei der Beitrag von Birgit Wenzel im Handbuch Praxis des Geschichtsunterrichts empfohlen (2012, Band 2, S. 238-254). Für weitere Praxisanregungen der Band von Christoph Kühberger und Elfriede Windischbauer (Individualisierung und Differenzierung im Geschichtsunterricht. Offenes Lernen in Theorie und Praxis, 2012) sowie das Heft Nr. 131 (Differenzierung) der Zeitschrift Geschichte lernen aus dem Jahr 2009.

Wir hoffen mit unserer Handreichung Ideen und Impulse für die Praxis geben zu können. Jeder Fachberater hat dabei ein oder zwei Ansätze gewählt, diese im Unterricht erprobt und seine Erfahrungen als Praxistipps mit den den Materialien in Form eines kurzen Beitrags aufbereitet. Hierin liegt vielleicht eine Stärke der Handreichung: Auf Grundlage einer bewusst sehr kurz gehaltenen, gemeinsamen Situationsanalyse hat jeder je nach Schwerpunkt und Lehrerpersönlichkeit einen unterschiedlichen Zugang zur Differenzierung gewählt.

Alle Ansätze bieten auf ihre Weise Möglichkeiten zur Differenzierung im Geschichtsunterricht mit unterschiedlichen Öffnungsgraden, ohne dass diese explizit genannt oder herausgearbeitet werden. Die Unterrichtseinheiten stehen gleichberechtigt nebenbeinander und sind in aufsteigender Reihenfolge angeordnet nach den jeweiligen Jahrgangsstufen, für die sie erstellt und in denen sie erprobt wurden. Wir haben uns dabei bemüht ein möglichst breites Alters- und lehrplanrelevantes Themenspektrum abzubilden. Die Unterrichtsreihen haben allerdings exemplarischen Charakter, so dass die Differenzierungsmöglichkeiten auch auf andere Themen und Klassenstufen übertragen werden können.

Die Handreichung lässt sich den Seiten der Fachberatung Geschichte in Rheinland-Pfalz als PDF-Dokument herunterladen. Alle Materialien der Handreichung können und sollen im Unterricht verwendet werden. Da die Ausarbeitungen vielleicht nicht immer passgenau zum eigenen Unterricht sind, ein PDF aber keine Veränderungen zulässt, stelle ich den Reader hier auch noch als DOC und ODT Datei zum Download zur Verfügung. Wir hoffen mit dem Papier eine anregenden und praxisnahe Hilfe für den Unterricht zu geben und freuen uns über konstruktive Rückmeldungen!

Offener Unterricht und Planarbeit mittels Internet?

Ein Gastbeitrag von Christoph Pallaske, Universität Köln.

Möglichkeiten für selbstständige Lernformen im Nebenfach der Sekundarstufen: das Projekt segu – selbstgesteuert-entwickelnder Geschichtsunterricht 

Als vor 15 Jahren das Internet und multimediale Lernprogramme und CD-Roms schlagartig Verbreitung fanden, herrschte auch im Bildungsbereich große Euphorie. Der PC werde den Lehrer ersetzen und Schüler würden in Zukunft Wissen und Kompetenzen viel besser mittels multimedialer, hypertextgestützter Internetplattformen oder CD-Roms ausbilden. Von dieser Euphorie ist nicht mehr viel zu spüren. Der Computer spielt heute (abhängig von der Ausstattung an den Schulen) mehrheitlich keine große Rolle in der Unterrichtspraxis. Viele Lehrer machen negative Erfahrungen Schüler mit Rechercheaufträgen ins Internet zu schicken, die dort von der unübersichtlichen Fülle an Lernmaterialien erschlagen werden. Auch die web 2.0-Begeisterung in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrzehnts hat zwar eine breite Vernetzung der Schüler in sozialen Netzwerken, für die Unterrichtspraxis aber kaum Zuwächse gebracht. Sicher sind solche Befunde zugespitzt – es gibt inzwischen einige gute Beispiele für den sinnvollen Computereinsatz in der Schule. Die Bilanz nach anderthalb Jahrzehnten Internet als Massenmedium bezogen auf die Schulen fällt gemessen an früheren Erwartungen insgesamt dennoch deutlich ernüchternd aus.

Das Hauptproblem der meisten multimedialen oder Internet-Projekten ist weniger die Bereitstellung geeigneter Informationen, sondern deren mangelnde und nicht selten völlig fehlende Didaktisierung: Was sollen die Schüler eigentlich bearbeiten? Über das Problem unzureichender Aufgaben hinaus bieten fast keine Lernangebote im Internet tragfähige Lehr- und Lernkonzepte an. Erst wenn sich Unterricht mittels solcher internetbasierter Konzepte planen und strukturieren lässt, wird eine sinnvolle Gestaltung von Unterricht mit Hilfe des PC möglich. Hier sind die Möglichkeiten, die das Internet bietet, noch bei weitem nicht ausgeschöpft.

Das Projekt segu selbstgesteuert-entwickelnder Geschichtsunterricht am Historischen Institut der Universität Köln versucht, ein solches tragfähiges Konzept für den Geschichtsunterricht der Sekundarstufen zu entwickeln. Die Bereitstellung der Materialien erfolgt gemäß des open access-Gedankens, Lernmaterialien und Bildungsangebote für alle öffentlich ins Netz zu stellen. Die auf den Seiten von segu-geschichte.de für Schüler und Lehrer angebotenen Lernmodule sollen im Offenen Unterricht bearbeitet werden. Die Schüler wählen nach Kompetenzen differenzierte Module aus und bearbeiten sie in ihrem eigenen Lerntempo. Das Konzept versucht damit, die Ansprüche von Differenzierung und individueller Förderung sinnvoll umzusetzen.

Das Projekt basiert auf dem Konzept des Offenen Unterrichts mittels Planarbeit, das sich besonders im Primarbereich seit Jahrzehnten bewährt hat. Dass selbstständige Lernformen an den Schulen der Sekundarstufen bislang keine besonders große Rolle spielen, liegt vor allem am schwer zu bewältigendem Organisationsaufwand, der für ein zweistündiges Nebenfach schwer zu leisten ist. Hier setzt segu an: Lehrer sollen mit ihren Lerngruppen in den Computerraum gehen (mit der Möglichkeit zum Ausdrucken) und können direkt im Offenen Unterricht arbeiten. Dabei sollen die einzelnen Lernmodule in der Regel mit Hilfe des Schulbuchs und handschriftlich in der Geschichtsmappe bearbeitet werden.

Eine ausführliche Beschreibung des Projekts findet sich übrigens auch auf lehrer-online.