In den Kommentaren zu Christophs Artikel habe ich zugegebenermaßen etwas schnell geschossen. Hier folgen nun mit etwas mehr Bedacht ein paar Anmerkungen und Fragen zum „etablierten geschichtsdidaktischen Medienbegriff“.
1) Blickt man in das „Handbuch Medien im Geschichtsunterricht“, findet sich dort in Vorwort bzw. Einführung: „Quelle“ als „zwischen den Polen Authentizität und Fiktionalität“ dem Begriff „real“ zu- und unmittelbar am Feld „Geschehene Geschichte“ angeordnet. Das ist in dieser Art der Darstellung zumindest mal missverständlich. Ließe sich dies vielleicht statt in einer dichotomischen Skala mit Hilfe der „Zeit“ in einem mehrdimensionalen Feld differenzierter abbilden?
2) Pandel bestimmt Medien historischen Lernens und Erinnnerns als „Objektivationen und Präsentationsformen von Vergangenheit und Geschichte“. Das ist der Versuch, „Medien“ fachspezifisch zu wenden, fasst aber nur einen Ausschnitt eines notwendigerweisen weiteren Medienbegriffs, der ja auch außerhalb der Geschichtsdidaktik keineswegs eindeutig ist (siehe z.B. zusammenfassend hier: PDF).
Die unterschiedlichen Medienbegriffe (funktionale, systemisch usw.) sind in ihrer Relevanz für die Geschichtsdidaktik zumindest zu prüfen. Soweit ich das sehe, ist das bislang nicht ernsthaft unternommen worden. Das geschichtsdidaktische Medienverständnis ist ein reduziertes, das Medien in einem materiellen Sinn als Mittler bzw. „Zeichenträger“ sieht. Das ist an und für sich nicht spezifisch geschichts-„didaktisch“ und wird es auch nur teilweise durch die weitere Einschränkung auf Medien, die „primäre und sekundäre Aussagen über Geschichte“ beinhalten. Es suggeriert zudem, dass andere für Geschichtslernen nicht relevant sind. Ist das so?
3) Folgende Setzung markiert vielleicht das Kernproblem: „Die Medien gehören in den Bereich der Methodik historischen Lernens“. Sie sind damit dem „Primat der Didaktik“ nach- und untergeordnet. So umgesetzt findet sich dies auch z.B. in der Einteilung des aktuellen Handbuchs Praxis. Aus Sicht der Unterrichtsplanung ist das sicher richtig. Für eine Geschichtsdidaktik als Wissenschaft ist das meines Erachtens zu wenig. Wenn Vergangenheit nur medial vermittelt ist und Quellen ein Teilbereich von Medien sind, dann geht es nicht nur um Methodik. Das Verständnis als Mittel greift zu kurz, denn „Medien“ – und spätestens hier stellt sich wieder die Frage, was genau meinen wir damit? – sind zunächst überhaupt die Voraussetzung für historische Erkenntnis und historisches Lernen. Ist der bisherige „geschichtsdidaktische Medienbegriff“ wirklich so plausibel und kann unverändert beibehalten werden?
4) Schließlich stellt sich aufgrund der obigen Überlegungen auch die Frage nach den Auswirkungen der Digitalität. Nochmal: Medien sind nach Pandel Objektivitationen, also Vergegenständlichungen oder weniger stark gewendet Vergegenwärtigungen, und Präsentationsformen von Vergangenheit und Geschichte. Selbst für das verengte materielle Verständnis stellt sich Frage, wie es mit der Bedeutung von Flüchtigkeit, Veränderbarkeit und Integrationsmöglichkeiten des Digitalen hierfür aussieht? Lässt sich daher wirklich behaupten, dass es „irrelevant“ ist, ob Quellen und Darstellungen in analoger oder digitaler Form vorliegen?