Der kurze Film von 1939 gibt in 10 Minuten einen Überblick über das jüdische Leben im damals polnischen Lwów (Lemberg, heute: Lviv in der Ukraine). Er gehört in eine Reihe von Kurzdokumentationen desselben Regisseurs und Produzenten über die großen polnischen Städte, die zwischen 1939 und 1942 entstanden sind.
Der englische Audiokommentar ist langsam gesprochen und gut verständlich. Daher ist der Film für den Einsatz in der Oberstufe durchaus geeignet. Er eröffnet einen kleinen Einblick in ein Thema, das sonst im Unterricht selten oder gar nicht vorkommt, nämlich das jüdische Leben im östlichen Mitteleuropa vor den Judenverfolgungen, dem Zweiten Weltkrieg und dem Holocaust.
In Lemberg lebten damals etwas über 100.000 Juden, die damit rund ein Drittel der Bevölkerung stellten. Es gab über 50 Synagogen, hin und wieder liest man auch von einem „Jerusalem des Ostens“, das sich auf die religiöse vor allem publizistische Bedeutung der Stadt bezieht – vergleichbar der litauischen Hauptstadt Vilnius, die ebenso ähnlich wie Lemberg nach militärischen Erfolgen der polnischen Armee seit 1920 Teil des neu gegründeten polnischen Staates war.
Der Film als Quelle vermittelt einen visuellen Eindruck jüdischen Lebens in einer Metropole Mitteleuropas kurz vor ihrer vollständigen Zerstörung. Letztlich zeichnet der Film aber nicht nur ein positiv, sondern romantisch verklärtes Bild, vor allem durch das, was er nicht zeigt.
Dieser ergänzende zweite, medienkritische Aspekt macht den Film tatsächlich dann zu einem sehr lohnenswert Unterrichtsmedium, da sowohl ein ergänzendes Themenfeld aufgezeigt wie auch grundlegend Quellenkritik daran eingeübt werden kann.
So hatte es bereits während des polnisch-ukrainischen Kriegs nach dem Einmarsch der polnischen Armee in Lemberg Ende November 1918 ein Pogrom gegeben, bei dem über 60 Juden (die Zahlenangaben, die sich dazu finden, schwanken sehr stark) ermordet wurde. Die Zwischenkriegszeit im polnischen Lemberg war nicht nur durch den Konflikt zwischen polnischen und ukrainischen Nationalisten geprägt, sondern auch durch einen – insbesondere in der zweiten Hälfte 1930er Jahre wachsenden Antisemitismus. Berufsverbände, staatliche Behörden und Universitäten schlossen Juden von Mitgliedschaften und Berufsausübung aus. Jüdische Geschäfte wurden überfallen, es wurden „Judenbänke“ in den hinteren Reihe der Lemberger Universität eingerichtet, sie wurden auf offener Straße attackiert, zwei Studenten innerhalb weniger Wochen auf dem Campus bzw. im Polytechnikum sogar ermordet.
Damit spiegelt Lemberg das allgemeine Diskriminierungs- und Gewaltklima gegenüber Juden, wie es in ganz Polen vor dem Krieg herrschte, wieder. Der Film zeigt davon nichts. Dies im Unterricht zu thematisieren, kann helfen, die Schülerinnen und Schüler für einen kritischen Umgang mit visuellen Quellen zu sensibilisieren, denen sie in der Regel eine sehr hohe und selten hinterfragte Glaubwürdigkeit zuschreiben, weil sie ja vermeintlich zeigen, „wie es gewesen ist“.