Auswertung der LdL-Reihe

Über die LdL-Unterrichtsreihe habe ich im Blog bereits mehrfach berichtet. Nicht alles ist gut und schon keineswegs ideal gelaufen. Hat es sich dennoch gelohnt? Meines Erachtens schon. Im Referendariat ist mir zwar noch erklärt worden, ich solle als Lehrer nicht so viel auf die Meinung der Schüler geben, aber das ist lange her und das sehe ich anders. Rückmeldungen zum Unterricht durch die Schüler sind bei mir fester Bestandteil eines Schuljahrs. Schüler sind Experten für Unterricht, die sehr genau beobachten, vergleichen und reflektiert differenzierte Urteile geben.

Wie sieht nun die Schülersicht von Achtklässlern auf diese für sie erste LdL-Reihe unter suboptimalen Bedingungen aus? Insgesamt sind die Rückmeldungen trotz allem recht positiv. Der Rückmeldebogen bestand aus ingesamt vier Feldern: Positives / Negatives / Nochmalige Durchführung von LdL / Sonstiges. Von den 28 anwesenden Schülerinnen und Schülern haben 24 klar mit „ja“ auf die Frage geantwortet, ob in er Klasse noch mal durch Lehren gelernt werden sollte. Die Begründungen der Lernenden betonen, dass die Stunden (wohl zumindest teilweise offensichtlich wider Erwarten) „gut geklappt“ haben, man „selbst gestalten“ und „vieles ausprobieren“ konnte. Der Unterricht sei abwechslungsreich gewesen, das gemeinsame Lernen habe Spaß gemacht und es wurde alles verstanden.

Auch wenn nur vier Schüler/innen mit „nein“ geantwortet haben, sind diese Antworten mindestens ebenso interessant, vielleicht für die weitere Arbeit sogar noch hilfreicher als die vielen positiven Rückmeldungen. Zudem finden sich auch auf den positiven Rückmeldebögen vereinzelt dieselben Punkt unter „Negatives“. Hier werden zu Recht Defizite genannt, an denen gemeinsam gearbeitet werden kann. Zunächst werden fast durchgängig die aus den Vertretungsstunden resultierenden Probleme genannt. Auffällig ist die wiederholte Nennung von „fehlendem Respekt“ gegenüber den unterrichtenden Schülern. Darüber hinaus fanden einige die Behandlung der Themen zu oberflächlich und trotz der vielen Möglichkeiten die Gestaltung der Stunden zu eintönig.

Das sind Dinge, die sich, auch wenn ich nicht alle Eindrücke teile, bei nochmaliger Durchführung besser machen lassen, zum Teil durch mich als begleitende Lehrkraft, zum Teil als gemeinsame Anstrengung. Dabei werden Kompetenzen erworben und eingeübt, die über das Fach hinausgehen. Da der Vorwurf der Oberflächlichkeit auch von Lehrkräften gegenüber der Methode erhoben wird, stelle ich hier den die Reihe abschließenden Test zum Download zur Verfügung. So kann sich jeder ein eigenes Bild machen, inwieweit dies einem vergleichbaren anspruchsvollen Unterricht in einer 8. Klasse entspricht oder nicht.

Die Entdeckung einer neuen Welt – kurze Beobachtung zu einer #LdL-Stunde

Getwittert hatte ich meine Begeisterung ja bereits gestern. Nun will ich kurz noch die Erklärung dafür nachliefern. In der aktuell laufenden LdL-Reihe der Klasse 8 war gestern das Thema „Der Aufbruch in die neue Welt“ dran. So der Titel des Kapitels im Schulgeschichtsbuch, das ohne Anführungszeichen „neue Welt“ und „Entdeckungsfahrt“ aus europäischer Perspektive setzt. Mit der Schülergruppe war abgesprochen, dass sie die Stunde gestalten mit einem Schwerpunkt auf der Multiperspektivität und dabei den Begriff der „Entdeckung“ problematisieren bzw. die Standortgebundenheit der europäischen Perspektive daran deutlich machen.

Das hatte die Gruppe sehr gut vorbereitet und ein methodisch gelungenes Arrangement ausgedacht, in dem die Mitschüler die wesentliche Inhalte in einem 1-2-4-Verfahren erarbeitet und miteinander verglichen haben. Direkt beim ersten Punkt der Besprechung im Plenum kam es dann jedoch zur Diskussion: Die vorbereitende Gruppe war zu dem Schluss gekommen, dass es sich aus Sicht der Europäer durchaus um die „Entdeckung“ einer „neuen Welt“ handelte, aus Sicht der Einwohner jedoch nicht. Dazu kam von einzelnen Schülern Kritik, die in eine engagierte Diskussion mündete: So wurde argumentiert, dass durch den Kontakt auch die Einwohner Amerikas eine „neue Welt entdeckten“, nämlich die der Spanier und Europäer, wobei die Schüler „Welt“ im Sinne von Kultur, Sprache usw. verstanden haben wollten. Ihrer Meinung nach bedeutetete die Begegnung eine Öffnung und „Entdeckung“ für beide Seiten.

Die Gruppe der Unterrichtenden beendete die Diskussion (leider) mit einem Verweis auf die Zeit, aber immerhin noch geschickt mit der Erklärung, dass nach ihrem Verständnis (!) nur auf europäischer Seite von „Entdeckung einer neuen Welt“ gesprochen werden können. Damit haben sie die Position der anderen Schüler als berechtigt stehen lassen und anerkannt, dass es hier unterschiedliche Sichtweisen geben kann. Ich finde, das ist eine enorme Leistung für eine 8. Klasse und widerlegt auf eindrucksvolle Weise den teilweise zu hörenden Vorwurf, dass LdL keinen anspruchsvollen Unterricht generieren könne.

Es lässt sich natürlich argumentieren, dass solche Momente auch im traditionellen Unterricht auftreten. Das ist sicher richtig. Dennoch glaube ich, dass das Prinzip Lernen durch Lehren diese Situation begünstigt, weil viel stärker als sonst das eigene Denken der Lernenden herausgefordert wird. In einer regulären Stunde hätte ich als Lehrkraft die Sammlung der Ergebnisse an der Tafel vorgenommen. Durch die Autorität als Lehrer sind die aufgenommenen und als Ergebnisse schriftlich festgehaltenen Schülerbeiträge quasi „beglaubigt“. Leiten aber Mitschüler wie beim LdL diese Phase, dann sind die übrigen Lernenden viel mehr gefragt, selbst zu prüfen, ob das stimmt, was vorne schriftlich fixiert wird. Sie sind mutiger abweichende eigene Deutungen einzubringen und zur Diskussion zu stellen, was die Aushandlung von Deutungen in einer Diskussion begünstigen und damit die eigene Sinnbildung im Geschichtsunterricht fördern kann.

Übrigens kamen weder in der Vorbereitung noch bei der Durchführung der Stunde „digitale Medien“ zum Einsatz (mal abgesehen vom Erstellen eines Arbeitsblatts mit dem Computer). Ich glaube aber, dass LdL, der beschriebene Ausschnitt aus der Stunde zeigt das meines Erachtens exemplarisch, einen zentralen Ansatz für (historisches) Lernen in der Schule „unter den Bedingungen der Digitalität“ bietet.

LdL-Einführung in der Mittelstufe

Die ICM-Konferenz in Marburg letzte Woche hat mich noch einmal darin bestärkt, dass der Flipped Classroom für Schulen eher ein Katalysator und Übergangsmodell zu einer anderen Lernkultur sein kann, die den einzelnen Schüler und die Interaktion mit den Mitschülern ins Zentrum des „Unterrichts“ stellt. Dazu muss man das Rad nicht neu erfinden, Lernen durch Lehren (LdL) ist eine Methode, die genau das leistet.

Nun will ich erstmalig mit einer 8. Klasse LdL ausprobieren. Bislang habe ich ganze Stunden und Unterrichtsreihen nur in der Oberstufe als LdL durchgeführt. Aber bereits beim Erklären des Prinzips und „Ausprobieren“ letztes Jahr, mit jeweils 10-15 Minuten, die am Beginn der Stunde als Wiederholung durch die Schüler selbst gestaltet wurden, kam die Frage auf, ob nicht auch ganze Stunden übernommen werden könnten.

Mittlerweile haben die Schülerinnen und Schüler im Geschichtsunterricht in Gruppenarbeit u.a. eigenständig Videos erstellt und Kurzvorträge gehalten. Was sie darüber hinaus noch in anderen Fächern an sozialen und methodischen Kompetenzen erworben haben, überschaue ich nicht. Das ist an meiner Schule leider bislang wenig vernetzt.

Nun werden wir zum Beginn der neuzeitlichen Geschichte die komplette Unterrichtsreihe „umdrehen“: Die Schülerinnen und Schüler suchen sich ihr Thema, ausgehend von der Vorgaben des Lehrplans, aus, arbeiten sich in ihr Thema ein, treffen eine Auswahl an relevanten Inhalten für die Unterrichtsstunde und gestalten als Experten diese mit eigener Material- und Methodenauswahl. Die Vorbereitung erfolgt im Unterricht. Meine Aufgabe ist die Betreuung und Beratung der einzelnen Gruppen. Die Absprache der Stundengestaltung habe ich verpflichtend gemacht, damit soll verhindert werden, dass Stunden völlig am Thema vorbeigehen.

Zwischen die Stunden der Schüler sind „Plenums“-Stunden eingefügt, die dazu dienen sollen, die einzelnen Themen miteinander zu vernetzen und mögliche Fragen zu klären. Diese Stunden sind offen angelegt und werden von mir moderiert, wobei auch denkbar ist, die Moderation abzugeben.

Die Stunden werden nicht wie Vorträge oder Referate benotet. Allerdings können wir nicht nur im notenfreien Raum arbeiten, deshalb werde ich mir während der Stunden Notizen zur Mitarbeit des Plenums, also nicht der Schüler als Lehrende, machen – einsehbar und damit möglichst transparent für die Schüler. Am Ende steht zudem auf Grundlage der Schülerstunden ein abschließender Test.

Ob das alles so funktioniert, bin ich gespannt. Die Planung beruht auf den bisherigen Erfahrungen in der Oberstufe. Es ist für mich ein erster Versuch in dieser Form in der Mittelstufe zu arbeiten. Das ernsthafte Interesse und Nachfragen sowie das Verteilen der Themen heute deuten in eine gute Richtung. Ich hoffe, dass sich das in den kommenden Vorbereitungsstunden bestätigt.

Wen die Planung und Anlage der Unterrichtsreihe näher interessiert, der kann gerne einen Blick in den Ablaufplan sowie das Infoblatt werfen, die sich sowohl an die Schüler als auch implizit an die Eltern richten. Konstruktive Kritik ist – wie immer – sehr willkommen. Falls die Planung nicht völlig daneben ist, können die beiden Zettel vielleicht als Anregung oder Vorlage für eigene LdL-Reihen dienen.

LdL im Geschichtsunterricht – erste Versuche und Erfahrungsbericht

Lernen durch Lehren im Geschichtsunterricht? Ich habe zugebenermaßen nur kurz im Internet recherchiert, konnte aber nichts dazu finden. Selbst auf einschlägigen Seiten wie dem Zum.Wiki gibt es eigene LdL-Seiten für viele Fächer,  u.a. Geschichte aber fehlt.

Warum das so ist, kann ich nicht sagen. Vielleicht kennt der eine Leser oder die andere Leserin entsprechende geschichtsdidaktische Publikationen. Für Hinweise bin ich dankbar.

Ausgehend von einer Tagung in Speyer im August habe ich angefangen mich für LdL zu interessieren. In Rheinland-Pfalz sind die regionalen Fachberater aufgefordert im Rahmen des sogenannten HeKo-Projekts („Heterogenität konkret“) des Ministeriums konkrete Unterrichtsvorschläge für die einzelnen Fächer zum Umgang mit Heterogenität und Differenzierung am Gymnasium auszuarbeiten, um in den nächsten Jahren hier einen Beratungssschwerpunkt für die Fachkonferenzen anzubieten.

Für mich läuft das zur Zeit stark über das Ausprobieren verschiedener Ansätze im eigenen Unterricht. Nur das, was ich selbst ausprobiert habe, kann ich anschließend auch vermitteln mit Hinweisen auf Chancen und eventuelle Fallstricke bei der Durchführung.

Auf der Auftakttagung wurden mehrere, sehr unterschiedliche Ansätze vorgestellt, darunter u.a. LdL am Beispiel des Deutschunterrichts durch den Kollegen Christian Becker. Das Meinungsbild in der Fachberaterrunde Geschichte im Anschluss war bezüglich der Möglichkeiten von LdL für den Geschichtsunterricht eher kritisch: Das sei vielleicht etwas für die Oberstufe, aber generell kein Ansatz, der für das Fach tauge. Die schnelle Suche zu LdL im Geschichtsunterricht ohne Fund scheint diese Einschätzung zu bestätigen.

Ausprobiert habe ich LdL nun zunächst in einem kleinen Leistungskurs mit 12 Schülerinnen und Schülern, die selbstständiges Arbeiten und diskursive Herangehensweisen gewöhnt sind. Vielleicht etwas naiv, auf jeden Fall für einen ersten Versuch recht mutig, sollte die LdL-Reihe zugleich Grundlage für die Klausur werden. Die Schüler haben alleine oder zu zweit einzelne Stunden übernommen. Die Oberthemen waren dem Lehrplan entnommen (Zeitraum vom Westfälischen Frieden zur Amerikanischen Unabhängigkeitserklärung, also 1648-1776) und wurden von den Schülern in Absprache mit mir präzisiert, so dass die Schüler unter dem gewählten, vorgegebenem Oberthema selbst inhaltliche Setzungen vorgenommen haben und jeweils exemplarisch gearbeitet wurde.

Vor der Klausur war noch eine Wiederholungsstunde vorgesehen. Für diese haben die Schüler mit Hilfe einer Operatorenliste mögliche Klausuraufgaben vorbereitet, von denen wir einige in der Stunde besprochen haben. Im Nachklang habe ich die Schüler dann um eine schriftliche Rückmeldung zur LdL-Unterrichtsreihe gebeten.

Der Sprung ins kalte Wasser war gewagt, hat aber funktioniert. Wobei ich auch in der Oberstufe bei einer Einführung das nächste Mal behutsamer vorgehen würde. Die Schüler haben zum überwiegenden Teil inhaltlich interessante, methodisch allerdings etwas gleichförmige Stunden gehalten. Das Ergebnis der Klausur war im Notendurchschnitt etwas besser als die vorangehenden, auf jeden Fall haben die Schüler auf keinen Fall weniger oder schlechter gelernt.

Die Rückmeldungen der Schüler waren überwiegend positiv und durchweg kritisch konstruktiv. Die meisten haben sich auch für eine nochmalige Durchführung einer LdL-Reihe ausgesprochen.  Angeregt haben die Schüler z.B. Plenums-/Ankerstunden zwischendurch einzubauen, um Inhalte noch einmal aufzugreifen, zu diskutieren und/oder zu vertiefen und vor allem die Zusammenhänge zwischen den Einzelthemen herzustellen. Die geforderten „Links“ zu den vorangehenden und nachfolgenden Stunden sind den Schüler am schwersten gefallen. Das ist sinnvoll und würde ich das nächste Mal auch so umsetzen. Mein Angebot, die Arbeit der Schüler zu begleiten, hier zu helfen und zu unterstützen, wurde nur wenig angenommen. Das hat sicher mit dem Verständnis des Lehrerrolle durch die Schüler zu tun,  würde ich bei nochmaliger Durchführung aber sicher in anderen Form einplanen und auch stärker einfordern.

Auf jeden Fall war es – abgesehen von den angedeuteten Anfängerfehlern – eine sehr positive Erfahrung, die mich zu der Frage gebracht, ob und wie das vielleicht auch in kleineren Klassen mit deutlich mehr Schülern möglich sein könnte.

Nach den Ferien werde ich LdL nun auch in meiner 7. Klasse mit 31 Schülern auszuprobieren. Dafür haben wir jetzt in der letzten Stunde vor den Ferien gemeinsam überlegt, was guten und was schlechten Unterricht ausmacht (hier abgeguckt). Die Siebtklässler definierten übrigens guten Unterricht u.a. über Partner-/Gruppenarbeit und eigenständiges Erarbeiten von Inhalten. Daran ließ sich hervorragend anknüpfen. Nach den Ferien werden die Schüler dann jeweils zu zweit zunächst einen Teil des Unterrichts übernehmen: Dafür vorgesehen habe ich jeweils eine kurze Wiederholung zu Beginn jeder Stunde, die maximal 10 Minuten dauern soll und von zwei Schülern vorbereitet und durchgeführt werden soll. Mögliche Ideen, wie z.B. Arbeitsblätter oder ein Quiz, haben wir bereits gesammelt und aufgeschrieben.

Die Reaktion der Schüler nach Vorstellung der Projektidee, dass sie selbst Teile des Unterrichts nach ihren Vorstellungen gestalten dürfen (auch wenn das hier, das ist mir klar, noch ein sehr enger Rahmen ist!) waren überwiegend positiv, teilweise regelrecht enthusiastisch, so dass es schade schien, dass die nächste Geschichtsstunde zum Ausprobieren erst nach den Ferien erfolgen würde.

Ich hatte zunächst nur einige Stunden im Januar und Anfang Februar notiert, um den Unterrichtsversuch danach zunächst mit den Schülern gemeinsam zu evaluieren, und nur dafür einige Freiwillige gesucht, die bereit wären, das auszuprobieren. Noten gibt es dafür nicht. Es haben sich mehr interessierte Schülerpaare gemeldet, als ich Stunden vorgesehen hatte.

Vielleicht erinnert sich der ein oder die andere noch an das „Abfragen“ / Wiederholen durch die Lehrkraft zu Beginn der Stunde im Geschichtsunterricht, den man als Schüler erlebt habt. Obwohl es mittlerweile ganze Bücher mit methodischen Anregungen dazu gibt, dürfte diese alte Form der Wiederholung aus pragmatischen Gründen weiterhin  recht verbreitet sein. Ich bin auf jeden Fall sehr gespannt auf die kommenden Unterrichtsstunden in der 7. Klasse und bedauere es ein wenig, dass dazwischen noch zweieinhalb lange Wochen Weihnachtsferien liegen….