Wikipedia, Geschichtswissenschaft und Schule 2

Eigentlich überrascht es wenig, dass eine intensive wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Wikipedia gerade in der Geschichtswissenschaft stattfindet. Die für die Bewertung von Informationen im Internet nötigen Kernkompetenzen sind nichts anderes als das Handwerkszeug eines Historikers. Eigentlich müsste der Geschichtsunterricht, die Lehrer und Verbände, hiermit hausieren gehen, es laut rausschreien. Selbstbewusstsein statt defensiver Verteidigungshaltung,  die u.a. zu übereilten Entwürfen von verschiedenen, empirisch nicht fundierten „Kompetenz“modellen geführt hat. Man wollte damit die Position des Fachs sichern im Abwehrkampf gegen die immer wieder erfolgte Abwertung der gemeinschaftskundlichen Fächer durch Kürzung der Stundenzahlen oder deren Zusammenlegung. Sicher ein hehres Ziel. Die Umsetzung hat aber aufgrund ihrer unausgereiften  und falsch verstandenen Umsetzung mit dazu beigetragen, „Kompetenzorientierung“ in weiten Teilen der Geschichtslehrerschaft zu diskreditieren.

Auch wenn ich gegen eine reine Funktionalisierung bin, denke ich, könnten wir viel stärker darauf pochen, dass in unserem Fach die grundlegenden Kompetenzen für die Internet-Informationsgesellschaft erlernt werden (u.a. neben vielen anderen Dingen). Die Kriterien, die an die Bewertung von Informationen aus dem Internet angelegt werden, sind im Grunde nichts anderes als das, was Historiker als Quellenkritik bezeichnen. Alltägliches Handwerkszeug in Wissenschaft und teilweise auch im Unterricht. (Letzteres nur teilweise, da die Quellen in den Schulgeschichtsbüchern leider oft nur Illustration des Verfassertextes sind.)

Es geht dabei um nichts Zusätzliches, sondern um den Kern des Geschichtsunterrichts, grundlegende Fähigkeiten, deren Erlernen durch eine richtig verstandene Kompetenzorientierung (siehe dazu auch den neuen Blogbeitrag von Andreas Körber) noch verstärkt werden kann. Was mich wundert, ist, dass dies nicht deutlicher gesagt und betont wird. Dies würde die Rolle des Fachs innerhalb der Schulen und gegen über den Kultusbehörden stärken.

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Lehrplanreformen und Kompetenzorientierung

Zu der Diskussion um Reform von Lehrplänen und der zunehmenden Kompetenzorientierung möchte ich auf zwei Beiträge hinweisen: Andreas Körber in seinem Blog einen lesenswerten Aufsatz veröffentlicht. Zentral ist für mich folgende Aussage:

Eine sinnvolle Verknüpfung von content-standards (in einem echten „Kerncurriculum“) und performance-standards (auf der Basis eines Kompetenzmodells) müsste getrennt voneinander Gegenstände und Themen angeben und die jeweils an ihnen zu entwickelnden bzw. zu fördernden Kompetenzen mit einem bestimmten Niveau ausweisen, nicht aber die reine Fähigkeit zur Wiedergabe oder nur Nennung bestimmter Deutungen als eine Performanz ausweisen.

Entwürfe, die sich hieran orientieren, scheinen mir wirkliche Entwicklungschancen für den Geschichtsunterricht zu bieten. Die von Körber geäußerte Kritik an bisherigen Entwürfen und einem großenteils falschen Kompetenzverständnis ist m.E. zutreffend.

Die wegen ihrer massiv in Kritik geratenen Vorschläge aus Hessen werden von Christian Jung in seinem Blog Zeittaucher besprochen. Sehr interessant ist dort auch die in den Kommentaren geführte Diskussion, gerade weil hier auch wieder deutlich wird, das im Zentrum der Debatte auch die Frage nach einer vermeintlichen inhaltlichen „Kanon“ steht.

In Rheinland-Pfalz erfolgt zur Zeit eine Überarbeitung des Lehrplans für die Sekundarstufe I. Von einer öffentlichen Diskussion und Präsentation von Arbeitsfassungen, wie für Hamburg bei Körber beschrieben, habe ich hier leider noch nicht gehört. Nach den Diskussionen in den anderen Bundesländern wird es auf jeden Fall spannend, welche Richtung der Entwurf in Rheinland-Pfalz einschlagen wird.