Handyverbot oder Konzept zur Nutzung mobiler Endgeräte an Schulen

Vor den Ferien wurde es im Blog von Herrn Rau breit diskutiert. In Bayern gibt es gesetzliche Vorgaben, die den Spielraum von Schulen einschränkt. Ausdisktutiert ist das Thema deshalb noch lange nicht. An meiner Schule wird seit über zwei Jahren über zunächst ein „Handyverbot“, nun über eine „Regelung“ debattiert, die Anfang Februar abgestimmt endgültig werden soll. Eine schriftliche Vorlage gibt es bislang nicht, aber die Tendenz geht wohl in ein allgemeines Einschaltverbot mobiler Endgeräte mit Ausnahmen des unterrichtlichen Gebrauchs (immerhin! auch das scheint nicht in allen Schulen mitgedacht und erlaubt) sowie für „Notfälle“.

Der Reiz liegt natürlich in der vermeintlichen Eindeutigkeit der Regelung. Es stellt sich aber die Frage der Durchsetzbarkeit. Meines Erachtens bleiben damit viele Bereiche nicht oder zumindest nicht zufriedenstellend geregelt: Was ist mit Exkursionen und Klassenfahrten? Erstreckt sich das Verbot auf alle Schulveranstaltungen? Was ist mit Schülern, die außer ihrem „Handy“ gar keinen separaten Fotoapparat mehr haben? Also müssten Schulfahrten schon einmal ausgenommen werden. Was ist mit dem Schülercafé und anderen Lern- und Arbeitsecken in der Schulen? Wenn Schüler, besonders der Oberstufe, dort ihre Freistunden verbringen, dürfen sie dann keine Musik hören, in ihrem Smartphone, was immer mehr Schüler haben, keine Notizen machen, keine Termine  oder Aufgaben eintragen, nichts im Internet nachschlagen? Und falls nicht, wer soll das überprüfen, wenn die Regelung wie angedacht getroffen wird.

Ich bin überrascht, wie emotional und teilweise einseitig das Thema immer noch debattiert wird. Und das offensichtlich in der Breite. Erst vor ein paar Tagen hat Tim Krumkühler über Twitter auf einen entsprechenden Artikel in der „Hildesheimer Allgemeinen“ hingewiesen. Die Umfrage unter den Lesern bestätigt eine mehrheitlich ablehnende Haltung. Handys werden offensichtlich vor allem als  Kommunikations- und Unterhaltungsinstrumente wahrgenommen und nicht (auch) als Lernwerkzeuge.

Dies erfordert einen anderen Blick, eine andere Wahrnehmung. In anderem Zusammenhang hat Jöran Muuß-Merholz das schön dargestellt: Sehen Lehrerinnen und Lehrer einen Lernenden auf dem Schulhof in einer Ecke mit Buch, werden sie ihn oder sie vermutlich als fleißig, brav, interessiert, lernwillig oder strebsam wahrnehmen und einordnen. Sitzt jedoch jemand mit seinem „Handy“ in der Ecke (ob nun spielend, lesend oder mit anderen kommunizierend),  heißt es, dass sich dieser Lernende von den anderen abkapselt, vereinsamt, sich nicht bewegt usw.

Dabei ist das vor allem eine Frage der Wahrnehmung. Sowohl die zentrale Bedeutung der Geräte für die heranwachsenden Jugendlichen, verschiedenen Nutzungsmöglichkeiten als auch die damit verbundene Medienkonvergenz und der gesellschaftliche Wandel sind den meisten Lehrkräften (wohl) nicht klar. Was ihnen über Präventationsprogramme und medial vermittelt vielmehr bewusst scheint, sind die Gefahrenpotentiale, die u.a. mit Begriffen wie „Cyber Mobbing“ und „Happy Slapping“ umrissen werden können.

Wer sich an den #Pencil-Chat auf Twitter erinnert, dem fällt die Analogie sicher nicht schwer: Auch Stifte können für die unterschiedlichsten Zwecke eingesetzt werden, zum Malen, zum Spielen, zum Bekritzeln von Tischen und Wänden, aber niemand käme auf die Idee, sie deshalb in der Schule zu verbieten, weil sie vom Unterricht ablenken könnten (was, wenn man sich malende Schüler im Unterricht anschaut, nicht selten geschieht) oder sie anderweitig eingesetzt werden können, zur Not als Stichwaffe: Aus der eigenen Schulzeit kennen die meisten sicher jemanden, der mal eine Bleistiftspitze unter die Haut bekommen hat. Der Vergleich ist sicher provokant, aber es soll keiner sagen, das sei völlig abwegig. Wie gesagt, alles eine Frage der Wahrnehmung.

Auf der anderen Seite stehen Projektschulen, die seit Monaten, einige seit Jahren erfolgreich und vorbildlich mit mobilen Endgeräten arbeiten. Verwiesen sei exemplarisch auf die KAS in Köln oder die Goldau-Projektschule. Den verantwortlichen Umgang mit einem Werkzeug erlernt nur derjenige, der es auch benutzen kann. Verbote helfen meines Erachtens nicht weiter, sondern bilden allenfalls Rückzugsgefechte, die das Eindringen digitaler Medien in die Schule allenfalls verzögern, aber nicht aufhalten können. Schule scheint im Vergleich zu anderen Lebens- und Arbeitsgebieten einen vergleichsweise starken Resistenzkörper zu bilden, der sich der Durchdringung widersetzt.

Für meine Schule würde ich mir natürlich eine andere Regelung wünschen als ein Verbot, das unter „Handyordnung“ de facto ein weitgehendes Verbot versteht. Einen entsprechenden Alternativvorschlag habe ich bei der Schulleitung eingereicht und mich dabei an den Ideen der gelungen Broschüre „Handy im Schulfeld“ der PH Zürich (PDF) orientiert. In dem Heft sind u.a. Vorschläge für unterschiedliche Handyregelungen verlinkt (S. 9), die, wie ich finde, erstaunlicherweise bereits vier oder fünf Jahre alt sind, trotzdem m.E. zukunftsweisend, da sie den Gebrauch mobiler Endgeräte an Schulen weitgehend zulassen, aber nur offensichtliche Missbräuche ausschließen.

Das lässt sich durchaus analog zum selbstverständlichen Verbot denken, mit Stift oder Schere jemand anderen zu verletzen. Eine gewisse Grauzone wird bleiben: So hat wohl jede Lehrkraft auch heute eine andere Einstellung dazu, wie er bzw. sie mit Schülerinnen und Schülern umgeht, die im Unterricht mit Stift und Papier malen statt?/und dabei? zuhören.

Das Zulassen und Nutzen von digitalen Medien in der Schule, und das scheint mir abschließend elementar, müssen entsprechende pädagogische Maßnahmen begleiten: Dazu gehören Elternabende, Projekte und Konzepte zum Jugendmedienschutz bzw. deren Integration in den Unterricht, also „digitale Aufklärungsarbeit“ im weitesten Sinne als Aufgabe von Schule. Eine Vielzahl der mir bekannten Fälle missbräuchlichen Umgangs (heimliches Aufnehmen, Onlinestellen von Fotos, Filmen usw.) resultiert aus Naivität über die Tragweite und Unwissenheit über die rechtlichen Rahmenbedingungen. Begleitend zum Lernen und Arbeiten mit digitalen Geräte muss Schule das thematisieren. Wer sollte das sonst tun?

mBook – Projektziel: Multimediales Schulgeschichtsbuch

Bevor das Blog in die Weihnachts- und Winterpause geht noch eine, wie ich finde, sehr interessante Nachricht. Die Geschichtsdidaktik der Universität Eichstätt erarbeitet zur Zeit eine digitales multimediales Schulgeschichtsbuch für die deutschsprachige Gemeinschaft Belgiens für Tablets. Die Informationen auf der Internetseite der Eichstätter Geschichtsdidaktik sind allerdings sehr knapp gehalten.

Etwas mehr Informationen, vor allem für den Rahmen der Kooperation finden sich auf den Seiten der deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens. So gibt es einen offiziellen Regierungsbeschluss von Ende Juni 2011 der regionalen Gemeinschaft, der die Uni Eichstätt offiziell mit dem Vorhaben betraut. Die Zusammenarbeit erfolgt im Rahmen eines von der EU geförderten multilateralen Comenius-Projekts.

Neben der Forschung und Erstellung des digitalen Schulbuch werden die Mitarbeiter aus Eichstätt dann auch die Geschichtslehrkräfte im Umgang mit dem neuen Medium schulen. Über den Bildungsserver soll das Buch allen Lehrkräften zur Verfügung gestellt werden. Noch finden sich dazu keine Informationen, aber würde es sich in diesem Entstehungszusammenhang nicht anbieten, dass (vermutlich erste deutschsprachige) digitale Geschichtsbuch dann gleich auch als Open Educational Resource unter CC-Lizenz allgemein zur Verfügung zu stellen?

Begleitet wird die Einführung des Buchs durch ein Pilotprojekt, bei dem fünf Klassen mit iPads oder anderen Tablets ausgestattet werden sollen. Der zeitliche Rahmen des Projekts inklusive erster Anpassungen und Optimierungen geht bis zum Schuljahr 2014/15.

Ein Datum für die erste Version des „mBooks“ habe ich nicht gefunden, aber entsprechend der Planung müsste dieses bis spätestens 2013 stehen, um es im Schuljahr 2013/14 testen und im Folgejahr ggf. Verbesserung noch im Unterricht ausprobieren und evaluieren zu können.

Ein sehr spannendes Projekt, das sich lohnt weiterzuverfolgen. Habe ich das verpasst oder ist der Eindruck richtig, dass das Vorhaben bisher wenig in die Öffentlichkeit getragen wurde? Auf den Seiten der KU Eichstätt ist bislang auch nicht nachvollziehbar, wer an diesem Projekt arbeiten wird.

Wer sich fragt, warum gerade die KU Eichstätt ein Projekt im östlichen Belgien betraut: Zumindest geografisch naheliegend ist das nicht und es werden bei dem Projektaufbau auch hohe Reisekosten entstehen, aber wenn ich die Regierungsmitteilung der deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens richtig verstehe, hat die KU Eichstätt den Projektantrag bei der EU koordiniert und arbeitet mit insgesamt 10 europäischen Partnern; welche das sind, wird allerdings nicht klar sind.

Etwas bedenklich stimmt mich folgende Passage der kurzen Mitteilung:

Zudem ist ein Meilenstein in der Unterrichtsforschung in greifbarer Nähe, da sich die Benutzung der multimedialen Schulbücher durch Schüler und Lehrer genau nachverfolgen lässt. Die Interpretation dieser Daten verspricht tiefe Einblicke in Nutzerverhalten und Kompetenzausprägungen.

Die Möglichkeiten der Digitalisierung scheinen auch bei Wissenschaftlern Begehrlichkeiten zu wecken, die zumindest auf den ersten Blick datenschutzrechtlich bedenklich scheinen… aber vermutlich ist dies gar nicht so gemeint, wie es hier in der Kürze der Mitteilung verstanden werden könnte.

Allen Lesern frohe Festtage und ein gutes neues Jahr!!!

Mit selbst erstellten Apps üben und wiederholen

Wer die Seite noch nicht kennt, sollte einen Blick darauf werfen: LearningApps.org bietet die Möglichkeit kleine Anwendungen selbst mit Inhalten zu füllen und so an den eigenen Unterricht anzupassen.

Ich habe gestern und vorgestern ein bisschen experimentiert. Die Ergebnisse sind nichts, wofür ich mich rühmen könnte (siehe hier). Vor einem Einsatz im Unterricht müssten alle Entwürfe noch überarbeitet und ergänzt werden. Das gilt für die meisten der auf der Seite bisher freigeschalteten Apps. Mir ging es zunächst einmal darum, selbst auszuprobieren, wie das funktioniert und ich muss sagen, ich bin begeistert.

LearningApps ist ein gemeinsames Projekt in der Beta-Phase der Hochschulen Bern, Mainz und Zittau/Görlitz. Wer die Apps ansehen und ausprobieren möchte, kann dies auch ohne Anmeldung tun. Empfehlenswert ist die Nutzung der Apps im Vollbildmodus. Wer selbst eigene Apps gestalten möchte, muss sich dafür auf dem Portal registrieren. Entdeckt man unter den bereits veröffentlichten eine interesssante App, die aber entweder inhaltliche Fehler enthält oder an die Inhalte des eigenen Unterrichts angepasst werden müsste, so kann diese nach Anmeldung auch verändert (über den Button „Ähnliche App erstellen“) und unter den eigenen Apps gespeichert werden. Selbst erstellte Apps kann, aber muss man nicht veröffentlichen.

Es sind vor allem einfache Zuordnungsaufgaben und -spiele, die angeboten werden. Alle Apps enthalten eine Rückmeldungsfunktion, ob und die Ergebnisse richtig sind oder nicht. Von den bisher 10 Appmodellvorlagen lassen sich alle im Geschichtsunterricht einsetzen, um nur einige Beispiele zu nennen:

  • Zahlenstrahl-Zuordnung: Es können Begriffe, Ereignisse, Personen auf einer selbst definierten Zeitleiste eingetragen werden und die einzelnen Elemente auch mit einer Hilfe zur Zurordnung versehen werden.
  • Zuordnung mit Landkarte: Texte, Bilder, Audio- und/oder Videodateien müssen auf einer Landkarte verortet werden.
  • Videos mit Einblendungen: Videos können mit Text versehen werden, der z.B. an bestimmten Stellen Verständnishilfen oder Arbeitsaufträge bereitstellt.
  • Gruppenzuordnung: Es können 2-4 Gruppen/Kategorien vorgegeben werden, denen dann Texte (Begriffe), Bilder, Audio- und/oder Videodateien zugeordnet werden müssen.

Wo und wie lassen sich diese Apps im Geschichtsunterricht einsetzen? Ein paar erste Gedanken:

Die Apps lassen sich vielfältig einsetzen. Mit der Erstellung werden automatisch eine Linkadresse, ein Einbettcode und ein QR-Code erstellt. So können die Apps auf interaktiven Whiteboards und festinstallierten Rechnern in der Schule, mobilen Endgeräten wie Laptops oder iPads, aber auch auf Smartphones genutzt werden. Auf den IWBs und Tablets macht das Verschieben und Zuordnen am meisten Spaß.

Der Einsatz scheint vor allem sinnvoll zum Üben und Wiederholen: zentrale Jahreszahlen, Begriffe, Epochen können so auf spielerische Weise noch einmal aufgegriffen werden, z.B. für einen aktivierenden Einstieg auf dem interaktiven Whiteboard am Beginn oder, falls noch Zeit ist, am Ende der Stunde. In älteren Klassen können auch die Schülerinnen und Schüler z.B. am Ende einer Unterrichtseinheit selbst Apps zu einzelnen Unterthemen erstellen, die dann von den anderen anschließend gespielt werden. Dies wäre ebenso unterrichtsbegleitend denkbar, so dass vor einem größeren Test oder einer Klausur die Apps zum Lernen herangezogen werden können.

Denkbar ist aber auch der Einsatz in einer Erarbeitungsphase, z.B. könnte man zentrale Begriffe der Aufklärungsphilosophie vorgeben, die dann einzelnen Philosophen zugeordnet werden. Die Schülerinnen und Schüler lesen einen Text oder schauen einen Film, dem sie die notwendigen Informationen entnehmen. Die Lösung dient dann zugleich der Ergebnissicherung, kann von jedem Lerner individuell erarbeitet und dann gemeinsam im Plenum besprochen werden.

Die Apps sind schnell erstellt. Nach einer ersten grundlegenden Orientierung habe ich für das Erstellen der vier Beispielapps jeweils 15-20 Minuten gebraucht. Für inhaltlich etwas aufwendigere benötigt man vielleicht 30 Minuten. Das ist überschaubar. Programmierkenntnisse benötigt man keine, die Bedienung ist weitgehend intuitiv. Damit nähern wir uns weiter der von Hilke Günther-Arndt beschriebenen Voraussetzung für die breite Nutzung digitaler Medien im Unterricht: „wenn sich die Alternative ‘Bedienkompetenz’ versus ‘historische Kompetenz’ nicht mehr stellt„.

Natürlich sind 30 Minuten Vorbereitung für 5-10 Minuten im Unterricht verhältnismäßig viel, dennoch resultieren aus der Erstellung der digitalen Materalien einige Vorteile für Lehrkräfte:

  • Die Apps liegen dauerhaft vor und können einmal erstellt immer wieder eingesetzt werden.
  • Sie sind schneller eingerichtet als vergleichbare Aufgaben mit der Software der interaktiven Whiteboards.
  • Auch andere Lehrkräfte erstellen Apps, die schnell an den eigenen Unterricht angepasst werden können. Der Pool der Materialien wächst sehr schnell.
  • Wo ein Internetzugang vorliegt, können die Apps auch in Vertretungsstunden eingesetzt werden.
  • Die Apps sind multimedial angelegt. Es können Texte, Bilder, Audio- und Videodateien eingebunden werden.
  • Die erstellten Apps sind unabhängig von der an der Schule verwendeten Lernplattform und der Marke der interaktiven Whiteboards. Sie funktionieren übergreifend webbasiert.

Ebenso vielfältig sind Vorteile für das Lernen:

  • Die Apps stehen den Lernenden auch außerhalb der Schule zur Verfügung. Wer mag oder Übung benötigt, kann die Apps zum individuellen Üben und Wiederholen zuhause oder mobil auf dem Handy nutzen.
  • Alle Apps haben sowohl bei der Erstellung als auch beim Einsatz etwas Spielerisches, das motivierend wirken kann. Gerade das ungeliebte Üben und Wiederholen, oft als „stumpf“ qualifiziert, wird leichter: Man lernt, wiederholt, ohne dass es sich wie Arbeit anfühlt.
  • Gleichfalls unterstützend wirken die Möglichkeiten zur Differenzierung (durch Hilfeangaben) und die Ausrichtung am individuellen Lerntempo (sofern individuelle Endgeräte vorhanden).

PS. Einen Wermutstropfen gibt es dennoch zu vermelden, das Einbetten hat mit dem Code trotz längerem Rumprobieren hier im Blog nicht geklappt. Das ist schade, aber verschmerzbar.