Update 2 zur (Nicht-)Veröffentlichung von Auszügen aus „Mein Kampf“

Die Debatte um die Veröffentlichung der Buchauszüge wird zunehmend absurder. Eine bessere Werbung hätte sich Mc Gee für sein Zeitungszeugenprojekt allerdings nicht wünschen können. Nachdem der Freistaat Bayern eine Klage wegen Urheberrechtsverletzung angekündigt hatte, soll nun die in den beiden ersten Ausgaben von Zeitungszeugen breit beworbene Beilage mit Auszügen aus „Mein Kampf“ zur dritten Ausgabe nun nur mit unleserlich gemachten Originalpassagen verkauft werden. Angeblich um einer Beschlagnahmung der gedruckten Ausgabe zuvorzukommen.

Die Bild-Zeitung springt auf den Zug auf und nennt es Selbstzensur. Ich würde es Vermarktung nennen, die erstmal zu einer weiteren Mystifizierung des Buches beiträgt. Die Veröffentlichung von kommentierten Auszügen nämlich müsste hinreichend durch das Zitatrecht gewährleistet sein, ansonsten wären wissenschaftliche Publikationen ja kaum denkbar (so auch die Argumentation McGees in einem Brief an die Leser). Wie die Ausgabe aussehen sollte, lässt sich auf der Webseite von Zeitungszeugen noch sehen.

Wobei es, das sei hinzugefügt, einen ähnlichen Fall mit der Vorgängerpublikation bereits gegeben hat, die wohl an den Kiosken beschlagnahmt wurde und der Verleger erst vor Gericht Recht bekommen hat. Dadurch ist dem Verlag ein finanzieller Schaden enstanden (ausführlich dazu die Wiener Zeitung). Das Vorgehen des bayrischen Finanzministeriums ist mir allerdings völlig uneinsichtig. Was genau wollen die da schützen? Und warum?

Nochmal zur Erinnerung: Es geht um eine kommentierte Ausgabe von Auszügen eines Buchs, dessen Urheberrecht 2015 ausläuft, das im Ausland (und damit auch im Internet) frei verkäuflich und zugänglich ist, von dem auch kommentierte Auszüge und Ausgaben vorliegen und das als „Erbstück“ in vielen Wohnungen im Bücherregal steht.

Update zur Debatte um Veröffentlichung von „Mein Kampf“

Der Focus meldet heute:

Das bayerische Finanzministerium will gerichtlich gegen eine Veröffentlichung von Hitlers „Mein Kampf“ vorgehen. Es wird beim Landgericht München noch heute Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt, um die Rechtspositionen des Freistaats Bayern zu wahren“, sagte Ministeriumssprecher Thomas Neumann am Dienstag. „Durch die mögliche Veröffentlichung von Auszügen aus „Mein Kampf“ sehen wir unser Urheberrecht verletzt.“

Der ganze Artikel ist hier zu lesen.

Zu den Hintergründen siehe auch den Blogbeitrag von gestern.

Debatte um Hitlers „Mein Kampf“

Hitler hat es mit seinem Buch „Mein Kampf“ aktuell wieder in die Schlagzeilen der Presse geschafft. Hitler fasziniert: So viel Hitler war selten. Diskutiert wird gerade die kommentierte Teilveröffentlichung in einer Zeitungssammeledition an den Kiosken in einem Projekt namens Zeitungszeugen des Verlegers Peter McGee. Wer für sein Produkt Aufmerksamkeit haben möchte, der bekommt sie auf diese Weise. Sorgen um „Aufklärung“ der Bevölkerung scheinen nur vorgeschoben. Die erwartete Empörung ist völlig abstrus, wird aber dennoch produziert. Ministerin Schröder war eine der ersten, die prominent protestiert haben.

Die Aufregung um Hitler funktioniert immer. Interessant ist der Blick von außen auf Deutschland. Sehr lesenswert dazu der Artikel: Germany’s outdated, wrongheaded ban on nazi books like Mein Kampf. Der Titel des Beitrags gibt den Grundtenor bereits wieder.

Nun ist es ja so, dass das bayrische Finanzministerium die Urheberrechte an dem Buch hält, die aber nun 2015 auslaufen. Das Buch ist in Deutschland für Kauf und Verkauf in der unkommentierten Vollversion verboten. Der Besitz, so man es denn z.B. erbt, und das Lesen sind keineswegs verboten. Auch außerhalb Deutschlands ist das Buch im Original und Überetzung frei verkäuflich und wurde sogar im britischen Weihnachtsgeschäft von Teilen des Buchhandels als Lese- und Geschenkempfehlung angepriesen, bis es aufgrund massiver Proteste von den Weihnachtsauslagetischen genommen wurde.

Durch das Verbot in Deutschland hat das Buch eine besondere Aura erhalten, die es gar nicht verdient. Eine Geschichtslehrerin, bei der ich im Referendariat hospitiert habe, brachte das Buch in einer alten, geerbten Ausgabe mit den Unterricht. Die Schülerinnen und Schülern waren extrem neugierig, aufmerksam und behandelten das Exemplar mit Interesse, Vorsicht und einem gewissen Staunen. In Auszügen gelesen oder besprochen wurde der Text nicht. Andere Texte zur NS-Ideologie sehr wohl. In meinem ersten Jahr als Lehrer habe ich das dann genauso gemacht. Fand das aber irgendwie verkehrt, weil dieses Vorgehen die Aura des Buchs bewahrt, wenn nicht sogar verstärkt.

Etwas später hat mich jemand auf die Lesung von Serdar Somuncu aufmerksam gemacht (siehe unten). Für alle, die es nicht kennen: Die Art der Auseinandersetzung ist sicher nicht jedermanns Sache. Ich würde das Reinhören trotzdem auf jeden Fall empfehlen. Es mag nicht sehr wissenschaftlich sein, doch die Informationen sind sehr gut recherchiert, informativ und vor allem befreit das Lachen über die Inhalte den Text von der Aura des Verbotenen und dadurch Interessanten.  Das scheint mir ob der aktuellen Debatte nötiger denn je. Ich habe sehr gute Erfahrungen im Unterricht mit Auszügen aus dem Programm von Somuncu gemacht. Ich halte die Auseinandersetzung mit dem Text, seiner Entstehungs- und Wirkungsgeschichte für wichtig und kann dem einleitenden Statement des oben referierten Artikels nur beipflichten:

Letting people read and dismiss Hitler freely would do more to combat fascism than the de facto prohibition on Nazi literature.

70 Jahre: Hitler-Stalin-Pakt

eurotopics hat Kommentare aus verschiedenen europäischen Zeitungen zum Thema zusammengefasst. Die Presseschau ist auf Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch und Polnisch verfügbar. Neben dem aktuellen Material auch für den bilingualen Unterricht ist die unterschiedliche Benennung des Paktes in den verschiedenen Sprachen. interessant In stärkeren Klassen können die Notionen, die mit den Benennungen mitschwingen, diskutiert werden. Neben Hitler-Stalin-Pakt im Deutschen, Englischen und Spanischen, spricht man in Polen (wie teilweise im Deutschen auch) vom Ribbentrop-Molotow-Pakt, im Französischen eher vom pacte germano-soviétique. Das deutsche Wikipedia verzeichnet den Pakt übrigens als „Deutsch-sowjetischer Nichtangriffspakt“.