Der 9. November – „ein deutscher Schicksalstag“?

Angesichts des Datums überschlagen sich die Medien mit Nachrichten und Berichten zum historischen Datum. Auf den Internetseiten der Deutschen Welle findet sich ein bemerkenswert umotivierter und schlechter Artikel mit dem Titel Ein deutscher Schicksalstag, der auf die aufregend formulierte Banalität verweist, dass der 9. November „im historischen Kalender gleich mehrmals ein bedeutendes Datum“ war.

Das wird in jedem Geschichtsunterricht so gelehrt: 9.11. 1918, 1923, 1938 und 1989. „Schicksal“ klingt unheilvoll,  als wäre die Geschichte „der Deutschen“ von irgendwelchen höheren Mächten bestimmt. Hilfreicher wäre es auf die Zusammenhänge der Daten zu verweisen: 1923 hielt Kahr im Bürgerbräukeller in München eine Rede zum 5. Jahrestag der Revolution, 1938 versammelten sich die Nationalsozialisten zum Gedenken ihrer gefallenen „Helden“ von 1923. Die beiden Ereignisse stehen also in einem inneren Zusammenhang mit dem ersten. Der Mauerfall hat nichts mit der Revolution von 1918 zu tun. Also fallen zwei wichtige Ereignisse zufällig auf dasselbe Datum, das kann schon mal passieren. Mehr ist es aber auch nicht.

Das wäre im übrigen auch etwas, was man Schüler an geeigneten Materialien herausarbeiten lassen könnte.

Wikipedia, Geschichtswissenschaft und Schule

Schön zu lesen, wenn wissenschaftlich bestätigt wird, was man auch in der Schule wahrnimmt und den Schülern predigt (wenn auch zugegebenermaßen mit recht bescheidenem Erfolg): Viele Wikipedia-Artikel eignen sich nicht als Einstieg in die Recherche, verlangt oft viel Vorwissen und enthalten eine Flut von nicht relevanten Details, die nicht nur  Schüler dabei überfordern, Wichtiges von Unwichtigem zu trennen. So die Zusammenfassung einiger (Zwischen-) Ergebnisse des von Peter Haber an der Universität Wien durchgeführten Forschungsseminars zu „Wikipedia und die Geschichtswissenschaften“.

Wikipedia ist ja ein Thema, das immer viel Aufmerksamkeit erzeugt. Daher ist es nicht verwunderlich, dass die Präsentation der Seminarergebnisse ein recht breites Medienecho gefunden haben. Zusammenfassend finden sich die Ergebnisse auch im Weblog von histnet, der auch auf das Wiki des Seminars verlinkt.

Für den Geschichtsunterricht in der Schule stellt sich natürlich die Frage, welche anderen Einstiege in ein Thema bieten sich für Schüler im Internet an? Für die deutsche Geschichte verweise ich in der Regel auf LeMO. Die Artikel sind zwar kurz und gut untereinander verlinkt, für Einstieg in ein Thema fehlen allerdings weiterführende Links oder Literaturangaben. Ansonsten fallen mir spontan aber auch keine gute Alternativen ein. Die Wikipedia ist und wird die zentrale Anlaufstelle für Internetrecherchen von Schülern (und Lehrern) bleiben. Daher, denke ich, ist es nötig, über den richtigen Umgang  in der Schule zu diskutieren. Dieser sollte den möglichen Nutzen aber auch Grenzen der Wikipedia sowie deren Funktionieren klar machen. Den anschaulichen Ansatz von Wikibu finde ich gut, zumal gelungene praktische Einsatzszenarien für den Unterricht gleich mit geliefert werden. Problem ist wohl eher, dass sich dafür in der Schule kein Fach „zuständig“ fühlt und es damit Zufall bleibt, ob die Schüler den kompetenten Umgang mit Recherchen im Internet lernen. Eine Chance besteht in schulinternen  und fächerübergreifenden Medienkonzepten, wie sie z.B. von den Projektschulen im rheinland-pfälzischen Landesprogramm „Medienkompetenz macht Schule“ gefordert und gefördert werden. Allerdings ist das ein langer Weg: Über die oft leidvolle Erfahrung des Versuchs, Schule zu verändern, hat gerade Damien Duchamp ausführlich in seinem Blog berichtet.

Zum Schluss soll ein großer Pluspunkt von Wikipedia erwähnt werden, den ich vor kurzem selbst im Unterricht erlebt habe: In einem eTwinning-Geschichtsprojekt mit einer italienischen Schule sollten die Schüler einer 10. Klasse auf Englisch, das als Kommunikationssprache im Projekt diente, eine Präsentation zum Hitler-Putsch von 1923 erarbeiten. Um an die entsprechenden, unbekannten Fachbegriffe zu kommen, über die Schüler – sofern sie nicht an einer bilingualen Schule sind – sicher nicht verfügen, haben sie von selbst auf die englische Wikipedia zurückgegriffen und eine für sie überraschende Entdeckung gemacht: Auf Englisch heißt das Ganze  Beer Hall Putsch, was Auslöser für eine spannende Diskussion über die Konnotationen der beiden Benennungen war.

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