Copy & Play: Spielentwicklung für den Anfangsunterricht

Nach der Arbeit an Textura entwickeln Ron Hild und ich gerade eine kleine Spielereihe, die wieder explizit für den Geschichtsunterricht und da insbesondere für die ersten beiden Jahre des Fachunterrichts in der Sekundarstufe I gedacht ist. In drei der Spiele stecken auch schon fast zwei Jahre Entwicklungsarbeit.

Geplant sind fünf Spiele, die aufeinander aufbauen, aber auch getrennt voneinander gespielt werden können und den Zeitraum von der Altsteinzeit bis zu Römischen Kaiserzeit abdecken. Konzeptionell basieren alle Spiele auf folgenden Überlegungen:

  • Alle Spiele werden als „Copy & Play“ als Kopiervorlagen bereitgestellt. Sie sind somit für jede Klassengröße leicht adaptierbar.
  • Anleitung und Spielmaterial zusammen umfassen maximal 5 gedruckte Seiten.
  • Ergänzende Mateialien sind nur leicht verfügbare 6seitige Würfel oder einfache Spielfiguren.
  • Die Spiele sollen in 90 Minuten inklusive Regelerklärung und Nachbesprechung vollständig spielbar sein.
  • Die Inhalte sind an „Standard“-Themen orientiert, die in vielen Lehrplänen der Sek I stehen:
    • Leben in der Altsteinzeit
    • Vergleich des Lebens in der Alt- und Jungsteinzeit
    • Bedeutung des Nils, Gesellschaftsordnung und Staatsorganisation im Alten Ägypten
    • griechische Kolonisation
    • Provinzverwaltung und Romanisierung
  • Jedes Spiel kann ergänzend oder anstelle von zwei bis drei Seiten eines Schulbuchs im Unterricht eingesetzt werden. Damit sind die Spiele nicht nur zur Wiederholung und Vertiefung geeignet, können auch zum Einstieg oder zur Erarbeitung eines neuen Themas dienen.
  • Bei der Konzeption der Spiele gehen wir davon aus, dass sie in der Regel im Unterricht nur 1x gespielt werden. Die verschiedenen Gruppen innerhalb der Klasse können ihre Vorgehensweise und Erfahrungen aber anschließend vergleichen und daraus Erkenntnisse gewinnen.
  • Die Spiele sind so angelegt, dass sie interaktive und dynamische Modelle historischer Prozesse bieten, die das „Spielen“ mit unterschiedlichen Variablen ermöglicht. Unter anderem weil die Spiele für die Zielgruppe stark vereinfacht sind und nicht mit exakten Werten z.B. bei Maßeinheiten und Währungen arbeiten, handelt es sich nicht um Simulationen im engeren Sinn. Sie bieten aber neben dem spielerischen Zugang zu historischen Themen grundlegende Erkenntnismöglichkeiten, was die Bedeutung einzelner Faktoren und die Zusammenhänge von verschiedenen Elementen. Diese werden durch das Spiel anschaulich und verständlich. Hier sehen wir einen wesentlichen „Mehrwert“ der Arbeit mit Spielen gegenüber z.B. der Erarbeitung durch Texte.

Wir sind sehr froh, dass wir für das Konzept bereits einen Verlag haben finden können, der plant, die Spiele Ende des Jahres herauszubringen. Das hat den Vorteil der Qualitätssicherung durch die redaktionelle Betreuung sowie überhaupt erst die Veröffentlichung, da neben den selbst gestalteten Spielelementen auch eine Reihen von Grafiken und Illustrationen notwendig sind, bei denen wir für die Prototypen Platzhalter eingesetzt haben, die wir aber in dieser Form nicht veröffentlichen könnten. Hier ist eine fachlich korrekte und professionelle Gestaltung notwendig.

Wir suchen nun noch Kolleginnen und Kollegen, die einen oder mehrere Prototypen bis spätestens Ostern mit ihren Klassen je nach Bundesland in Jahrgangsstufe 5-7 testen und uns eine Rückmeldung geben können. Bei Interesse würden wir uns über eine kurze Mail an unsere gemeinsame Textura-Mailadresse freuen:

info@textura-spiel.de

 

Zypern: 40 Jahre Teilung, 10 Jahre EU-Beitritt des Südens

Auch wenn sich bei Zypern nur schlecht von „mitten in Europa“ sprechen lässt, liegt es geographisch doch eher am Rand, so sei an dieser Stelle zum Jahrestag der türkischen Invasion daran erinnert, dass es innerhalb der EU weiterhin ein geteiltes Land mit geteilter Hauptstadt und einem Sperrgebiet inklusive UN-Blauhelm-Soldaten gibt. Das Zypern-Problem war mir bis zu einem Urlaub auf der Insel vor ein paar Monaten nicht präsent. Es scheint gerade im „Mega-Gedenkjahr“ 2014 und angesichts der aktuellen Konflikte in Nahost und der Ukraine auch sonst weitgehend vergessen.

Der Besuch vor Ort hat bei mir allerdings einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Die Fotos zeigen die geteilte Hauptstadt, den Absperrungen der „Pufferzone“ und die „Geisterstadt“ Varosia, die damals einer der modernsten Ferienorte war, seit 40 Jahren im Sperrgebiet liegt und langsam verfällt und dadurch paradoxerweise wieder zur Touristenattraktion wird.

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Der Norden hat sich als Türkische Republik Zypern 1983 unabhängig erklärt, wird aber nur von der Türkei anerkannt, die weiterhin Zehntausende von Soldaten im Norden stationiert hat. Der EU-Beitrittskandidat Türkei ist also zugleich Besatzungsmacht. Nur der Süden ist international anerkannt und trotz des ungelösten Teilungsproblems seit 2004 EU-Mitglied. Auch wenn die Nichtanerkennung und Begriffe wie Besatzungsmacht eine eindeutige Schuldzuweisung nahelegen, ist der Konflikt historisch komplexer. Das Instrumentalisieren und Ausspielen der beiden ursprünglich gemischt siedelnden Volksgruppen geht mindestens auf die Zeit der britischen Kolonialherrschaft zurück.

Die Invasion erfolgte aus türkischer Sicht, um die türkischsprachige Minderheit zu schützen, nachdem es langjährige zunehmend aggressive Konflikte auf der Insel gegeben hatte und eine Annexion ganz Zyperns durch die Militärjunta in Athen befürchtet wurde. Beide Nato-Mitglieder Türkei und Griechenland befanden sich 1974 am Rande eines Kriegs, der nur durch internationale Vermittlung vermieden werden konnte. Die Trennungslinie von vor 40 Jahren existiert auch heute noch. Die Militärjunta in Griechenland stürzte über den Konflikt auf Zypern, was den Weg erst frei machte für Beitrittsverhandlungen Griechenlands mit der EU, die 1976 begannen und zum Beitritt Griechenlands 1981 führten.

Zur Einführung in Geschichte und Gegenwart Zyperns eignet sich gut das Heft aus Politik und Zeitgeschichte von 2009, das auf den Seiten der BpB gelesen und auch als PDF heruntergeladen werden kann. Einführend mit einem guten, wenn auch kurzen historischen Überblick lässt sich auch die leider schon ältere Folge der Arte-Sendung „Mit offenen Karten“ anschauen:

Zum Jahrestag gibt es bei der ARD einen Überblickbericht, der auch downloadbar ist sowie einen Podcast des Deutschlandfunks. Einen Blick in die „Geisterstadt“ Varsosia bei Famagusta bietet aktuell der kurze Beitrag von Euronews, der zum Jahrestag auch die Zukunftsperspektiven der geteilten Insel anreißt. Al Jazeera hat zum Jahrestag eine Umfrage in Zypern zur Einschätzung der politischen Zukunft der Insel durchgeführt. Die Antworten auf die Fragen 2 und 4 können vergleichend auch gut zum Einstieg in das Thema im Geschichts- oder Politikunterricht benutzt werden.

Cyprus_reunited_poll

In deutschen Schulbüchern steht lediglich…

In deutschen Schulbüchern steht lediglich, dass die Wehrmacht 1941 einmarschiert ist, gelegentlich, dass sie Ende 1944 wieder abzog. Was die Deutschen dazwischen machten, bleibt der Fantasie überlassen. Vielleicht haben sie nur in der Ägäis gebadet…

Zitat: http://taz.de/Historiker-ueber-Wehrmachtsmassaker/!121894/

Die Aussage von Hagen Fleischer ist mir nicht mehr aus dem Kopf gegangen. Eine ähnliche Beobachtung habe ich während eines Norwegen-Urlaubs gemacht. Norwegen war bis dato für mich im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg kaum relevant gewesen. Dazu fielen mir vor dem Urlaub Schlagwörter wie „Lebensborn“ oder das Exil von Brandt ein, aber ansonsten hatte ich im Kopf eher das Bild einer „friedlichen“ Besetzung.

Bei der Fahrt gen Norden, die norwegische Küste hoch, belehrte mich aber dann der Reiseführer und die Stadtbilder eines besseren: Spätestens ab dem Polarkreis finden sich kaum noch alte Häuser und es hieß fast überall: Die Stadt wurde von den Deutschen während des Zweiten Weltkriegs weitgehend zerstört. In jeder zweiten Stadt finden sich Erinnerungsorte an den norwegischen Widerstand. Auch von dem Zwangsevakuierungs- und Vernichtungsbefehl für Nordnorwegen von Ende Oktober 1944 hatte ich bis dato nichts gehört:

Am 28. Oktober 1944 kam direkt von Adolf Hitler der Befehl zur Evakuierung der Zivilbevölkerung und Anwendung der Taktik der verbrannten Erde: „Die Vernichtung“. Das sollte durchgeführt werden „….rücksichtslos. Mitleid mit der Bevölkerung ist nicht am Platz“. Im Winter 1944/45 entstand die Todeszone von Tana bis zur Lyngenlinie. In einer versengten Landschaft standen nur noch Ruinen. Als der Frieden kam, waren 75000 Menschen Flüchtlinge im eigenen Land. (Zitat PDF aus der deutschsprachigen Info des „Wiederaufbaumuseums“ (!) in Hammerfest)

Die Konsequenzen des Evakuierungsbefehls waren fatal. An den meisten Orten wurde er mit der befohlenen Härte und Gründlichkeit durchgeführt und bewirkte die größte Wanderbewegung und die umfassendsten Zerstörungen auf norwegischem Boden. Militärische Abteilungen zogen von Ort zu Ort, von Gehöft zu Gehöft und trieben die Menschen aus ihren Häusern, die Kranken aus den Hospitälern, das Vieh aus den Ställen. […] Die Gebäude wurden in der Regel nach kurzer Frist in Brand gesetzt, das Vieh zum Teil an Ort und Stelle geschlachtet, zum Teil auch mitverbrannt, zum Teil auf die Reise mitgenommen. (Zitat)

Was steht davon in den Schulgeschichtsbüchern? Alle nachfolgenden Zitate sind den jeweiligen Ausgaben für Rheinland-Pfalz entnommen:

„Bevor das Deutsche Reich seine Offensive im Westen eröffnete, besetzte die Wehrmacht Dänemark und Norwegen, um die Nordflanke sowie die für die Kriegführung notwendige Versorgung mit Erzen abzusichern.“ (Kursbuch Geschichte. Neue Ausgabe, Cornelsen, S. 449)

„Nach der Eroberung Polens verlagerte sich der Krieg nach Nord- und Westeuropa. Um die Versorgung mit Erz aus Schwerden und Nickel aus Finnland zu sichern, besetzten deutsche Truppen Dänemark und unter hohen Verlusten Norwegen.“ (Geschichte und Geschehen 4, Klett, S. 94)

„Auf den raschen Sieg über Polen folgte die kampflose Besetzung Dänemarks (April 1940) und die Eroberung Norwegens (April bis Juni 1940). Hitler und die Generalität sicherten sich damit im Wettlauf mit Großbritannien den Weg zum schwedischen Erz, das für die Rüstungsindustrie wichtig war.“ (Das waren Zeiten 4, Buchner, S. 84)

Ich habe keine Kürzungen vorgenommen, sondern alles zitiert, was sich in den jeweiligen Büchern zum Krieg in Norwegen fand. Angesichts des beschränkten Umfangs eines Schulbuchs sind die Informationen notwendigerweise knapp. Die Darstellungen sind nichtsdestotrotz sehr unterschiedlich. Alle betonen die „Kriegsnotwendigkeit“ der Besetzung und reproduzieren damit argumentativ die Kriegs-„Logik“ des NS-Regimes, nur das Klett-Buch weist auf die „hohen Verluste“ der deutschen (!) Truppen bei der Einnahme Norwegens hin. Trotz der Kürze stellt sich die Frage, ob die Darstellungen nicht anders aussehen könnten, ja sogar müssten.

Fleischer macht in dem taz-Interview ein Deutungsangebot für die offenkundig unterschiedliche Präsenz der deutschen Verbrechen in der Geschichts- und Erinnerungskultur:

Die Massaker im tschechischen Lidice und im französischen Oradour haben einen Platz im kollektiven Gedächtnis, weil sie zum mittel- und westeuropäischen Kulturkreis zählen. Ganz Griechenland, die 100 griechischen Lidices, ist jedoch ein weißer Fleck auf der Europakarte des NS-Terrors. (taz-Interview)

Das trifft sicher einen zentralen Punkt, was sich auch in der Darstellung dieser Verbrechen in Geschichts- oder auch Französischbüchern (für die Oberstufe) widerspiegelt. Aber noch einmal zurück zum Ausgangspunkt: Wie sieht es mit der Darstellung des griechischen Kriegsschauplatzes in aktuellen Schulgeschichtsbüchern aus? Ein schneller, exemplarischer Durchblick weniger Bücher mit Hilfe des Registers:

Fehlanzeige (Buchners Kompendium Geschichte, 2008)

„Um die italienischen Kriegsziele in Nordafrika und im Mittelmeer zu unterstützen, besetzten deutschen Truppen Jugoslawien und Griechenland; ein „Afrikakorps“ setzte nach Tunesien und Libyen über.“ (Kursbuch Geschichte. Neue Ausgabe Rheinland-Pfalz, Cornelsen 2009, S. 450).

Fehlanzeige (Geschichte und Geschehen. Neuzeit. Sekundarstufe II, Klett 2005)

„Italien griff im September 1940 Ägypten und Griechenland an. Die italienischen Misserfolge zwangen Deutschland, auf dem Balkan einzugreifen. Im April 1941 wurden Jugoslawien und Griechenland besetzt.“ (Histoire/Geschichte. Europa und die Welt vom Wiener Kongress bis 1945, Nathan/Klett, S. 306).

Es sieht also zumindest bei einem Teil der Schulgeschichtsbücher für die Oberstufe (!) noch dürftiger aus, als von Fleischer im taz-Interview angenommen. Angesichts von bereits umfangreichen Schulbüchern und weniger werdenden Geschichtsstunden ist es klar, dass die Forderung nicht sein kann, die Schulbuchtexte ausführlicher zu machen und die entsprechenden Informationen zu ergänzen. Eine Lösung habe ich auch nicht. Ich denke aber, wir brauchen eine Diskussion darüber, wie die entsprechenden Kapitel neu formuliert werden können und wie die entsprechenden Vorgaben in den Lehrplänen aussehen müssen, um die europäische Dimension der deutschen Kriegsverbrechen in angemessener Weise darzustellen und zu reflektieren und damit über den Geschichtsunterricht einen zentralen Beitrag zu leisten, die Gegenwart besser zu verstehen.