Über die GeschichtsApp habe ich im Blog bereits mehrfach berichtet. Der Startpunkt liegt nun schon fast anderthalb Jahre zurück und zur Zeit sind wir dabei ein Folgeprojekt zu planen, um die Bedienung der vorhandenen Funktionen verbessern sowie neue Werkzeuge entwickeln zu können. Mir scheint das ein guter Zeitpunkt, um festzuhalten, was ich bei dem Projekt gelernt habe, was sich mir an Fragen stellt oder was ich im Nachhinein auch lieber anders gemacht hätte. Vielleicht kann der eine oder die andere von den Überlegungen für eigene Projekte profitieren. Meine Gedanken stelle ich einfach mal ungeordnet als einzelne Punkte zur Diskussion. Nachfragen sind natürlich jederzeit, z.B. über die Kommentarfunktion hier im Blog, möglich.
– Mich überrascht, dass weiterhin ein vergleichsweiser großer Erklärungsbedarf bezüglich des Ansatzes von ¨App in die Geschichte¨ gibt. Es gibt bereits einige, oft orts- und/oder institutionsgebundene, Geschichtsapps, die alle Inhalte zur Vermittlung über eine App aufbereiten, ob nun das Informationen zur Institution, zur aktuellen Ausstellung, zur Geschichte des Ortes oder eine Aufbereitung als Quiz oder Comic für jüngere Zielgruppen ist. Das Prinzip bleibt das Gleiche: Inhalte werden vermittelt, Interaktivität beschränkt sich auf das Angebot unterschiedlicher Klickwege oder Rätsel z.B. Multiple-Choice-Format. Die Interaktion der Nutzer miteinander wird ebenso wenig unterstützt wie das Erstellen, Bereitstellen und Teilen eigener (Lern-) Produkte in aktiver Auseinandersetzung mit den dargebotenen Inhalten.
Das Prinzip von ¨App in die Geschichte¨ basiert hingegen auf der Idee, den Nutzern Werkzeuge zum Lernen bereitzustellen, mit denen jedes (historische) Thema bearbeitet werden kann. Für mich ist das ein naheliegendes Konzept, für viele scheint das schwer zu verstehen, weil sie immer von spezifischen Inhalten (in der Schule auch gerne „Stoff“) aus denken. Die Werkzeuge der GeschichtsApp sind thematisch offen und können also in verschiedenen Kontexten eingesetzt werden. Das macht die App sehr flexibel einsetzbar, während die übrigen existierenden Geschichtsapps nur am jeweiligen Ort oder zum vermittelten Thema genutzt werden können.
In Analogie kann man auch an Stift und Papier denken. Auch sie können als Werkzeuge des Lernens verstanden werden mit ihren spezifischen Möglichkeiten und Begrenzungen. Die Idee der App-Entwicklung war Werkzeuge zum historischen Lernen zu entwickeln, die mobil und digital die Möglichkeiten erweitern.Diese müssen dann von den Lernenden und/oder von den Lehrenden situationsadäquat und sinnvoll im Lernprozess genutzt bzw. eingesetzt werden.
– Voraussetzung für die (sinnvolle) Nutzung der App ist die Zusammenarbeit von Archiv und Schule. Archive stellen digitalisierte Archivalien bereit, mit denen Schülerinnen und Schüler vor Ort arbeiten. Dies hat sich als offensichtlich große Hürde erwiesen. Mit den aktuellen Digitalisaten in der App lässt sich sehr gut in Koblenz, aber nicht in Hamburg, Dresden oder Ulm arbeiten. Es scheint aber schwierig zu sein, es bedeutet auch vorbereitenden Zeit-, Arbeits- und Abstimmungsaufwand, lokal oder auch regional ein Archiv und zugleich eine oder mehrere Schulen bzw. einzelne Lehrkräfte zu finden, die mit der App arbeiten wollen. Es gibt bislang vereinzelte Archive, die Digitalisate über die App bereitstellen wollen, denen aber eine Schule fehlt und umgekehrt. Die Voraussetzung der Kooperation für eine umfassende Nutzung aller angebotenen Funktionen scheint eine vergleichsweise große Hürde zu sein.
– Zentrales Problem aller App-Projekte ist die Finanzierung. Für die Entwicklung solcher offener Werkzeuge gibt es in der Regel keine Gelder. Es fehlt ein zuständiger Ansprechpartner. Anders sieht das für inhaltsgebundene Apps aus: Hier zahlt die jeweilige Institution, auch für die entsprechenden historischen Jubiläen (z.B. 1914, 1945, 1989) werden Gelder zur Entwicklung digitaler Angebote freigesetzt. Die geförderten Produkte sind in ihrer Umsetzung aber oft sehr traditionell und wenig innovativ. Finanzierungsmöglichkeiten für die Entwicklung offener digitaler Werkzeuge oder ganzer Werkzeugkästen können sich ergeben, wenn man sein Projekt thematisch einbettet – wobei diese Verbindung letztlich nur beispielhaft ist. Die einmal erstellten digitalen Werkzeuge könnten dann in der Folge auch mit anderen Inhalten und in anderen thematischen Zusammenhängen genutzt werden. Daraus ergibt sich allerdings ein weiteres Problem: die Finanzierung der dauerhaften Speicherung, Pflege und Wartung der App inklusive der Nutzerbetreuung bei technischen Problemen, Nachfragen usw., die bei inhaltlich geschlossenen und/oder zeitlich begrenzten Angeboten (z.B. für die Wechselausstellung eines Museums) keine Rolle spielen.
– Einen Punkt, den wir unterschätzt haben und der im gesetzten finanziellen Rahmen auch nicht möglich war , ist der zeitliche und finanzielle Umfang der – ggf. mehrstufigen, mit schrittweiser Ausweitung der Nutzerkreise – Testphase. Wer die ¨App in die Geschichte¨ ausprobiert hat, weiß wovon ich schreibe. Die zum Teil umständliche und nicht selbst erklärende Bedienbarkeit ist ein Resultat dessen. Das vorhandene Geld ist in die Programmierung und in die Beseitigung von Programmierfehlern geflossen. Darüber hinaus hat die Programmiererin noch vieles korrigiert und verbessert, was wir an frühen Rückmeldungen bekommen haben. Nichtdestotrotz ist eine recht lange Liste von Verbesserungswünsche gerade im Bereich der Klickwege und der sonstigen ¨Usability¨ geblieben, die hoffentlich im Rahmen eines Folgeprojekts überarbeitet werden können. Gerade weil die App auf die Content-Produktion durch ihre Nutzer ausgerichtet ist, muss eine lange Testphase der Öffnung für die Allgemeinheit vorausgehen, wo in enger Zusammenarbeit motivierter Erstnutzer, von denen neben der Nutzung auch Geduld, Fehlertoleranz und Rückmeldungen erwartet werden, mit den Programmierern liegen. Ein schlecht bedienbare oder gar fehlerhafte App schafft sonst ggf. viel Frust bei interessierten Nutzern, die ein ¨fertiges¨ Produkt erwarten.
– Bei der Entwicklung der ¨App in die Geschichte¨ haben wir – gar nicht einmal absichtlich, es hat sich so ergeben – mit einem sehr kleinen Kernteam (Müller, Kiefer, Bernsen) gearbeitet. Das bringt viele Vorteile mit sich: kurze Kommunikationswege, klare Aufgabenverteilung, schnelle Abstimmungen und Entscheidungen. Ich persönlich würde aber dennoch ein größeres Team bevorzuegen. Im Projekt war ich der einzige Didaktiker und Lehrer, kollegialen Austausch hätte ich mir an einigen Stellen gewünscht und möchte ich in einem möglichen Folgeprojekt nicht missen. Aber das ist sicher auch eine Typfrage. Es gibt sicher Kollegen, die didaktische und methodische Fragen lieber im Einzelkämpfer-Modus entscheiden. Man munkelt ja, dass dieser Typ Lehrer besonders an Gymnasien weiterhin verbreitet sein soll. Mir persönlich scheint Teamarbeit mit breit gestreutem Kreis an Beteiligten am Ende weniger fehleranfällig zu sein und damit zu besseren Ergebnissen zu führen.
– Bei jedem weiteren Projekt, in der es um die Entwicklung von Lernmaterialien und -werkzeugen geht, würde ich von Anfang an interessierte Jugendliche einbinden, die in ihrer Rolle als Schülerinnen und Schüler ja schließlich die Hauptzielgruppe sind. Wir haben bei der ¨App in die Geschichte¨ Schüler in der allerersten Testphase zum Einsatz der App einbezogen. Die Rückmeldung, die aus beiden Klassen kamen, waren überaus reflektiert und differenziert. Einiges von dem, die Schülerinnen und Schüler rückgemeldet haben, konnte tatsächlich auch noch umgesetzt werden. Die Auseinandersetzung mit der App, ihrer Nutzung und damit auch mit dem eigenen Lernen waren zudem auch für den Unterricht eine Bereicherung. Bei einer Mitarbeit von Jugendlichen von Anfang an, sähe das Produkt heute sicher anders aus. Einschränkend gilt es allerdings zu bedenken, dass nach meiner Beobachtung viele Schülerinnen und Schüler sehr traditionelle Lernkonzepte mitbringen bzw. von der Schule erwarten oder von dieser bestätigt bekommen (für den Geschichtsunterricht z.B. das Erlernen von Jahreszahlen als zentrale Aufgaben und die sonstige Qualifikation als ¨Laberfach¨). Das Erstellen einer App zum Selbstbeschriften von Lernkärtchen mit Jahreszahlen und Ereignissen mag von einigen Schülern gewünscht werden, ist aber nicht nur weil es solche Apps bereits gibt, nicht der richtige Weg. Es gilt vielmehr gemeinsam neue Wege zu denken, das Potential digitaler Medien und mobiler Endgeräte möglichst weit auszuschöpfen, um sie anschließend ausprobieren und auswerten zu können.
– Zuletzt noch der Hinweis auf die Problematik der Lizensierung bzw. der Rechte sowohl bei den digitalisierten Dokumenten, die als Lern- und Arbeitsmaterial zur Verfügung gestellt wird, als auch bei den von den Nutzern erstellten (Lern-) Produkten. Ursprünglich sollten die Produkte wie Fotos und Zeitleisten alle öffentlich sein und damit für jeden einsehbar. Das verlangt aber eine Prüfung der Inhalte vor der Veröffentlichung, besonders dann, wenn, wie bei der App, auch andere Dateien, z.B. fremde Bilder, hochgeladen und in die Produkte eingefügt werden können. Dies konnten und können wir redaktionell nicht leisten und haben uns deshalb entschieden, dass die Produkte der Lernenden nur in der geschlossenen Umgebung der jeweiligen Lerngruppe geteilt werden können. Hier wären Export- und Publikationsfunktionen auf jeden Fall noch wünschenswert, so dass z.B. erstellte Zeitleisten auch auf der Homepage der Schule oder in einem Wiki der Klasse eingebettet oder von anderen Nutzern weiterverwendet und verändert werden können. Die sich dabei ergebenden rechtlichen Probleme sind allerdings erheblich und zumindest in Deutschland im Moment nicht einfach zu lösen.