Historiografie im Geschichtsunterricht: Die Französische Revolution

Ui, zwei Jahre ist das schon her. Das hätte ich jetzt nicht gedacht. Aber wie damals hier berichtet bzw. vor zwei Jahren das erste Mal durchgeführt, hatte ich mir vorgenommen, mit Schülern im Leistungskurs neben den Darstellungs- und Quellenschnipseln im Schulbuch, auch zumindest jeweils einmal ein ganzes Buch im Unterricht zu lesen. Neuer LK, neues Glück: Diesmal steht – wiederum aus der ebenso günstigen wie handlichen Reclam-Reihe – das Bändchen von Axel Kuhn zur Französischen Revolution an. Vorteil der Darstellung sind die von den üblichen Schulbuchdarstellungen abweichenden und durchaus disputablen Schwerpunktsetzungen und Wertungen des Autors, die das Buch zu einer guten Grundlage für einen kritischen Umgang mit Historiografie mit dem Ziel der Förderung eines reflektierten Geschichtsbewusstseins macht.

Einstieg zur Lektüre einer Ganzschrift

Nach der Klausur steigen wir nun im LK ein mit der (hier schon angekündigten) Ganzschrift. Für mich als Lehrer, aber auch für die Schüler im Geschichtsunterrichts eine Premiere. Ausgewählt hatte ich das Buch von Johannes Arndt über den Dreißigjährigen Krieg im Reclam-Verlag.

Ausschlaggebend war neben den niedrigen Kosten die Tatsache, dass das komplexe Thema hier neu und zusammenhängend dargestellt wird und in den Schulbüchern oft unterrepräsentiert ist. Zudem schien mir das Buch gut lesbar.

Die Schülerinnen und Schüler konnten das Buch über die Sommerferien bereits lesen. Wer das nicht getan hatte, sollte dies vom Schuljahrsanfang bis zu letzter Woche nachholen. Meine Idee ist, nachdem die Schülerinnen und Schüler das Buch nun einmal ganz gelesen haben, gezielt einzelne Punkte herauszugreifen und im Unterricht zu besprechen.

Die ersten Rückmeldungen haben mich durchaus erstaunt, da doch einige Schülerinnen und Schüler massive Verständnisprobleme hatten. Wie groß diese sind und wo sie genau liegen, wird sicher die Bearbeitung im Unterricht in den nächsten Wochen zeigen.

Nachdem Reformation und Religionsfrieden in den letzten Wochen intensiv bearbeitet wurden, haben die Schülerinnen und Schüler jetzt natürlich auch erst wichtige Voraussetzungen für das Verständnis des 30jährigen Krieges kennengelernt, die ihnen bei einer Vorab-Lektüre in den Ferien gefehlt haben könnten. Bei nochmaligen Überfliegen des Buches sehe ich nun auch, dass Arndt doch einiges an Vorwissen voraussetzt. Sonst ließe sich ein Buch über diese Zeit in dieser Kürze wohl auch gar nicht schreiben. Das wäre für die Auswahl einer weiteren Ganzschrift durchaus ein Kriterium für ein dickeres Buch, auch wenn das viele Lerner auch in der Oberstufe zunächst abschrecken mag… das Lesen und Arbeiten in der Folge kann dann aber gegebenenfalls einfacher werden.

Zum Einstieg habe ich einen etwas kreativeren Zugang gewählt. Just vor einigen Wochen ist eine Ausgabe von Spiegel Geschichte zum Dreißigjährigen Krieg erschienen. Weil für einige das Lesen des Buchs nun schon ein wenig zurückliegt und das Reclam-Buch keinerlei Bilder enthält, bot sich der Einstieg über das etwas reißerische Cover der Zeitschrift geradezu an.

Nach Aktivierung des Vorwissens und Analyse des Covers überfliegen die Schülerinnern und Schüler ihre mit Anmerkungen versehenen Reclam-Lektüren sowie das Inhaltverzeichnis des Buch, um anschließend selbst ein Cover für dieses Buch (andere Art der Publikation mit anderer Zielgruppe!) selbst zu entwerfen. Für den Entwurf können sie zeichnen, als Collage kleben oder mit der IWB-Software der Schule digital gestalten.

Der Arbeitsauftrag ist relativ offen, komplex und zugleich handlungsorientiert (Lektüre sichten, zentrale Inhalte herausarbeiten, Bilder suchen, auswählen, neu zusammenstellen sowie inhalts- und adressatenbezogen gestalten). Die Cover-Entwürfe werden in der nächsten Stunde vorgestellt, die Auswahl und Gestaltung kurz begründet. Die Schülerinnen und Schüler gewinnen so noch einmal einen Überblick über Thema und Buch, setzen schon eigene Schwerpunkte, was ihnen durch die Lektüre als wichtig erscheint und erhalten durch die Bildersuche, -auswahl und -verarbeitung einen ergänzenden visuellen Eindruck zu ihrer (bilderlosen) Erstlektüre.

Lesen von Ganzschriften?

Lektüren, im Sinne von Lesen ganzer Bücher, ist im Deutsch- und im Fremdsprachenunterricht eine Selbstverständlichkeit. In Geschichte ist das nicht unmöglich, aber in der Regel nicht vorgesehen. Seit dem anregenden Vortrag von Simone Rauthe auf der Tagung geschichtdidaktik empirisch 09, in dem sie unter dem Titel „Historiografie im Geschichtsunterricht“ ihr Habilitationsprojekt vorgestellt hat, denke ich darüber nach, das einmal im Unterricht auszuprobieren. Nun habe ich einen (sehr guten) Leistungskurs, mit dem ich die Idee endlich in die Tat umsetzen möchte.

Darstellungen und Quellen finden sich in den Schulgeschichtsbüchern oft als „Schnipsel“, die nur die Entnahme von Einzelinformationen, aber nicht das Nachvollziehen ganzer Argumentationsstränge ermöglichen. Ich habe nun damit begonnen, mit dem LK zunächst einen ganzen wissenschaftlichen Artikel zu lesen. Nach den Ferien würde ich dann gerne mit der Lektüre und Analyse einer Ganzschrift einsteigen.

Theoretisch gibt es einige Argumente, die für den Einsatz von Ganzschriften im Geschichtsunterricht sprechen. Hier wären u.a. zu nennen: intensive Auseinandersetzung mit einem Thema, (in der gymnasialen Oberstufe) Spaß am Lesen und damit Motivation für das Fach, Kennenlernen einer typischen fachspezifischen Darstellungsform, Einüben textkritischer Analyse, Förderung der Entwicklung eigener narrativer Kompetenz. Hier ist sicher weniger an die umfangreichen Werke von Nipperdey oder Wehler zu denken, als inhaltlich interessante und vom Umfang her überschaubare Bücher, wie es sie z.B. in der Reclam-Geschichtsreihe gibt.

Mich würde interessieren, habt jemand das schon mal ausprobiert und Erfahrungen gesammelt mit dem Einsatz von Ganzschriften im Geschichtsunterricht? Und wenn ja, wie sehen diese aus? Welche Bücher sind gegebenenfalls empfehlenswert?