Eine Zeit der Abenteuer – Mittelalterbilder in Computerspielen

knight-3274300_1920Das „Mittelalter“ bzw. an das Mittelalter angelehnte Fantasiewelten sind eins der beliebtesten Settings von Filmen und Spielen – analogen wie digitalen. Im Alltag dürfte Schülerinnen und Schüler wie auch Erwachsenen „Geschichte“ vornehmlich in populärkulturellen Geschichtsbildern begegnen und weniger in Form von Quellen oder wissenschaftlichen Darstellungen. Die Auseinandersetzung mit Geschichtsbildern gewinnt daher zunehmend an Bedeutung im schulischen Geschichtsunterricht und bildet einen wichtigen Baustein für die Orientierung in der Gegenwart.

Für die Integration von digitalen Spielen in den Unterricht gibt es drei wesentliche Hemmnisse: Technik, Dauer und Altersfreigabe. Der vorliegende Unterrichtsvorschlag nutzt daher Trailer für Computerspiele, die zum einen das zugrundeliegende Geschichtsbild in kurz komprimierter Form bündeln und zum anderen über einen Projekt einfach abzuspielen sind. Nachteil ist, dass das Spiel nicht als Spiel erlebt und analysiert wird, sondern nur eine Betrachung der Bewerbung in Form einer Filmanalyse erfolgt.

Ausgewählt wurden die drei Spiele der Alterskennzeichnung ab 0 bzw. 6 Jahren, so dass der Unterrichtsvorschlag auch bereits in den Klassen 5-7 eingesetzt werden kann.

Ausgehend von einer Klärung, was ein „Geschichtsbild“ sein könnte oder welche Vorstellungen viele Menschen vom Mittelalter haben, teilt sich die Klasse in drei Gruppen auf (ggf. unterteilt in mehrere arbeitsgleiche Untergruppen). Jede Gruppe schaut den Werbe-Trailer zu einem der Filme. Die Schülerinnen und Schüler notieren, was vom Mittelalter im Spiel dargestellt wird (z.B. Krieg, Eroberung, Alltagsleben usw.)

Sie setzen sich anschließend in 3er Teams als Expertengruppen zusammen mit jeweils 1 Schüler aus einer der Arbeitsgruppen und stellen sich gegenseitig die drei Spiele vor.

Anschließend vergleichen die Expertengruppen die Elemente, die sie in den Werbetrailern gefunden haben, mit den Überschriften im Inhaltsverzeichnis zum Mittelalter ihres Geschichtsbuchs unter folgenden Leitfragen:

  1. Untersucht, welche Themen / Aspekte fehlen in den Spielen?
  2. Prüft, ob es in den Werbetrailern Elemente gibt, die nichts mit dem Mittelalter zu haben, sondern aus einem anderen Bereich stammen wie z.B. der Fantasy (Zauberei, Drachen usw.)?
  3. Fasst zusammen, welche Vorstellungen vom Mittelalter in den Spielen gezeigt werden (mögliche Hilfe durch Zusammenstellung von Adjektivpaaren: friedlich/gewalttätig, arm/reich, einfarbig/bunt, hell/dunkel, leise/laut usw.).

Abschließend werden die Ergebnisse der Expertengruppen in der Klasse verglichen und festgehalten, welche Bilder vom Mittelalter in (digitalen) Spielen zu finden sind (Exotik, Welt voller Abenteuer und Kämpfe usw.).

Materialgrundlage: 3 Werbetrailer zu neueren digitalen Spielen, alle mit USK 0/6

Anno 1404 (erschienen 2009)

 

Die Sims: Mittelalter (erschienen 2011)

 

Grand Ages: Medieval (erschienen 2015)

 

Vom alten Ägypten ins Prag des Zweiten Weltkriegs

Nachdem Ubisoft bereits Anfang des Jahres zum im alten Ägypten angesiedelten Assassin’s Creed: Origins eine Ergänzung mit Erdkundungstouren herausgebracht hat, die auch getrennt erhältlich ist (unterschiedliche Eindrücke dazu gibt es u.a. hier und hier) und auch auf den Einsatz in Schulen zielt, kam heute die Nachricht, dass zu dem Spiel „Attentat 1942„, das das Attentat auf Heydrich in Prag 1942 aufgreift, nun auch in einer Version speziell für Schulen erscheinen soll. Mit dem wachsenden Angebot und der gezielten Erweiterung der Märkte auf Schulen, stellt sich die Frage nach einer Beschäftigung mit digitalen Spielen aus didaktischer Sicht zunehmend. Vor zehn Tagen hat Nico Nolden in einem ausführlichen Beitrag auf dem Blog des Arbeitskreises „Geschichtswissenschaft und digitale Spiele“ das spannende Projekt des HistoGames Repositorium vorgestellt, an dem auch (aus der Ferne) meine Schule beteiligt ist.

Interessant fände ich, ob schon jemand Erfahrungen mit einem der genannten Spiele im Unterricht gesammelt hat? Falls ja, würde ich mich sehr über einen kurzen Erfahrungsbericht hier als Kommentar freuen 🙂

Schülerrezensionen von Geschichtsspielen

peer-review-icon-2888794_1280Zum Abschluss des Projekts „Der Erste Weltkrieg in Spiel und Realität“ haben die teilnehmenden Schüler Rezensionen zu den fünf analysierten analogen und digitalen Spielen verfasst. Die Rezensionen sollten unter dem Fokus stehen, ob das jeweilige Spiel sich für den Einsatz im Geschichtsunterricht eignet oder nicht. Die fünf Rezensionen finden sich hier zum Download – je nach Wunsch der Schüler – mit oder ohne Namensangaben der Verfasser:

Rezensionen zu Geschichtsspielen zu schreiben ist auf jeden Fall eine gute Möglichkeit, eine vertiefte Auseinandersetzung anzuregen. Rezensionen sind zudem auch eine lebensweltnahe Form der „Ergebnissicherung“. Denkbar sind, anders als wir das im Projekt gemacht haben, auch Video-Rezensionen. Fächerübergreifendes Arbeiten mit Deutsch ist möglich, aber nicht zwingend.

checklist-41335_1280Die Texte zeigen aber, wie schwierig es auch für ältere Schüler ist, eine Rezension zu verfassen. Daraus entstand im Nachgang des Projekts für den regulären Fachunterricht eine Vorlage bzw. ein Raster für Rezensionen zu Geschichtsspielen zu erstellen, das den Schülern einen Leitfaden für die Spielanalyse und zum Schreiben zur Verfügung stellt und nach mehrfacher Übung natürlich auch weggelassen werden kann. Die Vorlage orientiert sich an gängigen Modellen zum Schreiben für Rezensionen von Büchern, ist aber für  Spiele und speziell mit Fragen zur Darstellung von Geschichte im Spiel entsprechend angepasst. Ausprobiert haben wir den Bogen im Unterricht noch nicht, stellen ihn hier aber als Entwurf schon einmal zum Download zur Verfügung und damit auch zur Diskussion. Feedback mit Vorschlägen zur Verbesserung und Präzisierung ist sehr willkommen:

Vorlage: „Geschichtsspiel rezensieren“

Download als PDF-Dokument oder als Word-Doc

Frühe Neuzeit in Computerspielen

Bei der Durchsicht meiner Mails nach dem Winterurlaub ist mir folgender Call for Papers aufgefallen, auf den ich hier auch gerne hinweise:

Vom 15. bis 17. März 2013 findet in Düsseldorf eine internationale Tagung zur Geschichte der Frühen Neuzeit im Computerspiel statt. Beiträgsvorschläge können bis zum 15. Mai 2012 eingereicht werden. Weitere Informationen gibt es auf der Internetseite zur Geschichte der frühen Neuzeit an der Universität Düsseldorf.

Es wird sicher spannend zu sehen sein, ob eine derartig zeitliche Einengung und fachliche Ausdifferenzierung trägt, zumal der inhaltliche Schwerpunkt bzw. oft nur weitestgehender Bezug der meisten Spiele im 2. Weltkrieg und der Zeitgeschichte liegt.

Positiv herzuheben ist sicher der Ansatz, „Videospiele [nicht] aus der Perspektive etablierter Forschungsprogrammatiken als defizitär zu beschreiben“. Einige der vorgegebenen Fragekomplexe für die Beitragsvorschläge sind interessant, zeigen in ihrer punktuellen Sprunghaftigkeit aber auch, wie wenig das Thema „Computerspiele und Geschichte“ bisher durchdrungen ist.

Die Rolle der Fiktion in der historischen Sinnbildung

Gestern habe ich einen Artikel von Wulf Kansteiner („Alternative Welten und erfundene Gemeinschaften: Geschichtsbewusstsein im Zeitalter interaktiver Medien“, in: Erik Meyer (Hg.), Erinnerungskultur 2.0. Kommemorative Kommunikation in digitalen Medien, Ffm/N.Y. 2009, S. 29-54.) gelesen, der mich im positiven Sinn verunsichert, also zum Nachdenken angeregt hat. Folgt man der Argumentation von Kansteiner, so müsste das geschichtsdidaktische Konzept „Geschichtsbewusstsein“ grundlegend in Frage gestellt werden.

Das Geschichtsbewusstsein hat sich zu einer der zentralen Kategorien der Geschichtsdidaktik entwickelt. In der Darlegung der verschiedenen Dimensionen des Geschichtsbewusstsein geht Pandel von einem „Wirklichkeitsbewusstsein“ aus, das das Individuum dazu befähigt zwischem Real/Historischem und Fiktionalem/Imaginären zu unterscheiden. Die Möglichkeit dieser Unterscheidung ist grundlegend für das Konzept von Geschichtsbewusstsein. So wird eben auch immer wieder darauf hingewiesen, dass jüngere Kinder diese Unterscheidung eben noch nicht treffen können.

Quasi selbstverständlich wird man den meisten Erwachsenen diese Fähigkeit zubilligen. Sie können  (in der Regel) einen Roman von einem Sachbuch, einen Fantasyfilm von einer Dokumentation usw. unterscheiden und werden diese jeweils anders verarbeiten. Aus einigen Untersuchungen zur Oral History ist allerdings bekannt, dass Zeitzeugen in ihre Erzählungen Elemente fiktionaler Literatur und Filme einbauen, die sie als eigene Erfahrungen erinnern. Im Rückblick werden Fiktion und Realität offensichtlich nicht unterschieden, sondern werden zumindest teilweise in einer Erzählung miteinander verflochten. Mir ist nicht bekannt, dass dieses Phänomen in der Empirie oder Theorie zum Geschichtsbewusstsein bisher berücksichtigt worden wäre (Falls doch, wäre ich für entsprechende Literaturhinweise dankbar!).

Kansteiner geht von eben dieser Grundannahme aus, dass in der Erinnerung nicht mehr zwischen Real und Fiktiv unterschieden werden kann. Er argumentiert, dass die Verwischung sich durch die digitalen und interaktiven Medien, vor allem was Videospiele und virtuelle Welten angeht, in Zukunft verstärken wird. Erinnert wird in Abhängigkeit  von der Intensität ausgelöster Emotionen. Die Immersion in immer realistischer anmutende digitale (Alternativ-)Welten fördert emotionales Erleben bzw. zielt direkt darauf ab. Besonders trifft dies natürlich auf die Übernahme von Rollen als Handelnder in Spielen zu, in denen das einfache Nachspielen vorgegebener Handlungsstränge zugunsten interaktiver Möglichkeiten der Kreation eigener Erzählungen abnimmt.

Kansteiner geht nur kurz darauf ein, aber ich würde stärker betonen, dass die Übernahme von fiktionalen Elemente als Eigenes in die Erinnerung bei allen fiktionalen Werken, die ein Individuum berühren/ihm oder ihr nahe gehen, schon immer der Fall ist; und dies bei jedem, nicht nur bei Zeitzeugen. Diese erinnerten „Erfahrungen“ tragen natürlich auch zur historischen Sinnbildung bei, die damit also keineswegs so rational wäre, wie die geschichtsdidaktische Theorie bisher vorgibt (wenn ich das denn richtig verstanden habe).

Was aber bedeutet es für die Theorie des Geschichtsbewusstsein, für historisches Lernen allgemein und den schulischen Geschichtsunterricht speziell,

– wenn der Einzelne zwar beim Anschauen, Lesen oder Spielen bewusst zwischen Realität und Fiktion unterscheiden kann (oder diese Unterscheidung z.B. im Geschichtsunterricht erlernt),

aber in der Erinnerung diese Grenze aufgehoben wird,

– fiktionale, kontrafaktische Geschichtserzählungen und Vergangenheitsdeutungen in Teilen als eigene Erfahrungen und Erkenntnisse erinnert werden

– und sich daraus Vorstellungen und Konzepte von Geschichte generieren?

Überlegungen zu Computerspielen im Geschichtsunterricht

Geschichtskulturell sind historische Inhalte in Computer- oder Online-Spielen äußerst interessant, wobei bei vielen die historischen Zusammenhänge nur Aufhänger bzw. Verpackung sind. Oft geht es im Wesentlichen um Schlachten, Kampf- oder Kriegshandlungen.

Für eine Studie wurden aktuell insgesamt 1763 Computerspiele mit historischem Inhalt gezählt, mit einem Zuwachs von rund 100 Spielen pro Jahr. Davon machen Strategiespiele mit 44% die größte Zahl aus. Was die Epochen angeht, ist die Antike mit 10% Anteil vertreten. (Literatur dazu siehe unten)

Natürlich bestünde die Möglichkeit, die Darstellungen in den Spielen auf historische Richtigkeit zu untersuchen bzw. historische „Fehler“ in der Darstellung aufzudecken. Das kann in spielerischer Weise sicher Spaß machen, fördert aber kaum historisches Denken. Selbstverständlich  lässt sich durch (gut angelegte) Computerspiele auch etwas über Geschichte lernen. Pauschale Verurteilungen und generelle Ablehnung sind unangebracht, allerdings ist in jedem Einzelfall das Verhältnis von Motivationsförderung, Darstellung von Geschichte sowie Aufwand an Zeit und Technik zu prüfen. Außerdem empfiehlt sich ein Blick auf die Altersfreigabe, die aufgrund des hohen Gewaltpotentials in vielen „historisch“ angehauchten Spielen durchaus ein Problem für die Verwendung in schulischem Zusammenhang sein kann.

Gleichfalls ein Hemmnis können die Kosten sein:  Meines Wissens gibt es für Computerspiele keine der Lernsoftware vergleichbare Unterrichtslizenzen, so dass entweder die Spiele nur auf einzelnen Rechnern zur Verfügung gestellt werden können oder hohe Kosten für die Anschaffung eines Klassensatzes anfallen.

Was „die“ Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler angeht, so ist hier gegenüber immer wieder geäußerter Euphorie auch Vorsicht und vielleicht sogar Zurückhaltung geboten. Die Lebenswelten Jugendlicher sind sehr unterschiedlich. Das Angebot an Spielen ist sehr groß und zunehmend unübersichtlich, so dass immer nur einige, nie alle Schülerinnen und Schüler ein Spiel kennen werden; und in den wenigsten Fällen werden dies Spiele mit historischem Hintergrund sein. Daher wäre ausführliches Spielen im Unterricht notwendig.

Interessant für den Unterricht erscheinen am ehesten sogenannte Strategiespiele, von denen z.B. Civilization und Ages of Empire sehr bekannt sind. Diese Spiele simulieren historische Prozesse, benötigen jedoch viel Zeit, zunächst um sich einzufinden, mit Regeln und Bedienung vertraut zu machen und dann um das Spiel durchzuspielen. Es ist mehr als fraglich, ob dieser Aufwand in einem angemessenen Verhältnis zu den knapp bemessenen Stundenzahlen des Geschichtsunterrichts steht.

Im Rahmen von schulischen Projekttagen und für die universitäre Forschung können geschichtskulturelle Untersuchungen solcher Spiele und ihrer Wirkung allerdings ein spannendes Unterfangen sein. Die Entwicklung von speziellen historischen Simulationen für das Lernen in der Schule, analog zu ähnlichen Programmen im Bereich von Wirtschaft- und Politikunterricht, steckt meines Wissens noch in den Kinderschuhen.


Zuletzt zum Thema, aber leider noch nicht gelesen:

Schwarz, A. (Hg.): Wollten Sie auch immer schon einmal pestverseuchte Kühe auf Ihre Gegner werfen?: Eine fachwissenschaftliche Annährung an Geschichte im Computerspiel, Münster 2010.

[Zum Resümee und Kommentaren siehe auch den Beitrag auf Archivalia.]

sowie die beiden aktuellen Veröffentlichungen der Landesanstalt für Medien NRW:

  • Computerspiele und virtuelle Welten als Reflexionsgegenstand von Unterricht
  • Best-Practice-Kompass – Computerspiele im Unterricht – Lehrerhandbuch