App in die Geschichte – Funktionen und Unterrichtsideen 3: Tagging Game

Zum Gewinnen hat es heute bei der Europeana Creative Challenge im Bereich history education leider nicht gereicht. Wenn man sich die beiden Gewinner anschaut (trimaps und Zeitfenster), dann muss man anerkennen, dass die Webpräsenzen deutlich professioneller und flotter wirken als unsere. Wenn man die die ausgezeichneten Apps mit unserem Projekt vergleicht, dann wird klar, dass trotz des geringeren Funktionsumfangs andere Kriterien (Vermarktung, Übertragbarkeit auf andere Anwendungsbereiche, Wissensvermittlung) vermutlich stärker gewogen haben als unsere Schwerpunkte (Selbsttätigkeit der Lernenden, kollaboratives Lernen, explizit geschichtsdidaktischer Ansatz, Plattformunabhängigkeit, OER). Es war letztendlich wohl etwas anderes gesucht, als wir im Angebot haben.

Wie auch immer, nach dem Wettbewerb heißt es weiterdenken. Nun steht die Suche nach Alternativen auf dem Programm, um zum einen den existieren Prototypen auch über September hinaus zur Nutzung anbieten zu könenn und zum anderen die vorhandene Funktionen in der Usability verbessern und die App um weitere Funktionen erweitern und weiterentwickeln zu können. Hier zunächst eine kurze Beschreibung des Tagging Games und erste Ideen, wie dieses im Geschichtsunterricht eingesetzt werden könnte:

Die digitalisierten Quellen werden ohne Schlagworte in das App-Archiv übernommen. Das eröffnet die Möglichkeit, dass die Nutzer die Quellen selbst verschlagworten (engl. to tag). Um eine Quelle zu verschlagworten, ist eine genaue Beobachtung des Bildes bzw. ein Verständnis des Textes notwendig. Die Verschlagwortung erfolgt in zwei Etappen: Zunächst können beliebig viele Vorschläge für Schlagworte eingegeben werden. Fünf Quellen werden jeweils für eine Minute eingeblendet. Wird ein Schlagwort vom System als zutreffend erkannt, erhält der Nutzer dafür Punkte für die Highscore.

Sobald einer Quelle fünf als „richtig erkannte“ Schlagworte zugeordnet sind, erscheint sie nur noch im Tabu-Spiel, wo sie weiter verschlagwortet wird. Nun werden die bereits existierenden Schlagworte angezeigt und dürfen nicht mehr eingegeben werden. Auch hier gibt es für weitere richtige Schlagworte Highscore-Punkte. Die vergebenenen Schlagworte werden den Quellen dauerhaft zugeordnet und sind fortan auch über die Suchfunktion im App-Archiv nutzbar. Da die Schlagworte von allen Nutzern vergeben werden, können sich auch Fehler einschleichen, z.B. weil ausprobiert wird, ob auch „Schlumpf“ als Schlagwort akzeptiert wird, Symbole nicht richtig gedeutet werden oder die Fachbegriffe fehlen und so z.B. bei Bildern aus dem Zweiten Weltkrieg das Schlagwort „Bundeswehr“ eingegeben wird.

Für fehlerhafte Schlagworte gibt es einen Meldebutton. Es folgt eine interne Nachricht an die Lehrkraft des Lernenden, der den Meldebutton genutzt hat. Die Lehrkraft muss nun einschätzen, ob es sich um ein richtiges oder nicht zutreffendes Schlagwort für die Quelle handelt und kann das Schlagwort gegebenenfalls komplett aus dem System löschen. Für nachträglich gelöschte Schlagworte werden auch bereits vergebene Highscore-Punkte abgezogen. Hingegen erhalten die Schülerinnen und Schüler, die ein falsches Schlagwort erkannt und gemeldet haben, einen Zusatzpunkt.

Die Funktion dient dem spielerischen Üben möglichst präziser Bild- und Dokumentbetrachtung. Gefördert werden soll zudem das Wiedererkennen von Personen, Bauten und die wiederholende Festigung von Fachbegriffen. Das selbstständige Verschlagworten kann das Verständnis von grundlegenden wissenschaftlichen Arbeitstechniken wie Ordnen und Strukturieren unterstützen. Zudem fördert das Schlagwortfinden die Recherchekompetenz der Schülerinnen und Schüler z.B. im Hinblick auf die Nutzung von Online-Suchmaschinen oder Bibliothekskatalogen. Als falsch gemeldete Schlagworte können als Lernanlass aufgegriffen und im Plenum am konkreten Beispiel diskutiert werden. Es ist sinnvoll, dass Lernende bereits Erfahrungen mit Bildbetrachtungen und -beschreibungen vor dem Spielen gesammelt haben.

Die Arbeit mit dem Tagging Game eignet sich als Vorbereitung der Analyse von zuvor verschlagworteten Quellen. Es kann aber auch eingesetzt werden, um zum Abschluss einer Unterrichtsreihe an einer Auswahl von Quellen neu kennengelernte Begriffe und Personen zu wiederholen und zu festigen. Darüber hinaus ist es als spielerische Übung zwischendurch geeignet, um den Unterricht aufzulockern und genaue Bildbetrachtungen zu trainieren.

Ebenso lässt sich mit bereits durch andere Lernende verschlagwortete Quellen arbeiten. Sind die Schlagworte richtig, vollständig und hilfreich für die Beschreibung des Bildes? Falls nicht, können Sie als falsch gemeldet, korrigiert und ergänzt werden. Hier besteht die Möglichkeit ein Anzahl von Bildern in Gruppen überprüfen und bearbeiten zu lassen.

Sinnvoll ist es in jedem Fall bei alten Stadtansichten als Quellen, dass diese aus dem Lebensraum, also Schul- und/oder Wohnort, der Lernenden stammen, so dass diese auf ihre Ortskenntnisse zurückgreifen können, um die Quellen zu erschließen und zu verschlagworten. Handelt es sich um Quellen, für die den Lernenden das Kontextualisierungwissen fehlt, bleibt die Verschlagwortung notwendiger an der Oberfläche und bringt weitgehend banale Begriffe hervor.

Weiterlesen: allgemeine Infos zur WebApp

 

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App in die Geschichte – Funktionen und Unterrichtsideen 2: Mapping Game

Das Spiel ist eine Funktion der WebApp „App in die Geschichte“. Es basiert auf den Möglichkeiten der Georeferenzierung durch mobile Endgeräte und eignet sich besonders für die Arbeit mit Fotos und Gemälden. Die Perspektive der historischen Ansicht einer Quelle kann im aktuellen Stadt- oder Landschaftsbild gesucht werden. Die Kamera des Smartphones oder Tablets erlaubt eine Aufnahme der heutigen Ortsansicht. Die geographischen Koordinaten des Aufnahmestandpunkts werden mit Hilfe der GPS-Funktion des Geräts automatisch erfasst und mit beiden Aufnahmen, dem historischen Original- und dem aktuellen Bild, verknüpft. Dem Nutzer werden die gemachten Bilder zudem auf einer Landkarte (engl. map) angezeigt.

Andere Nutzer derselben Lerngruppe können die neuen Aufnahmen im Hinblick darauf bewerten, inwiefern sie die Perspektive des Originals tatsächlich wiedergeben. Der Autor des Fotos erhält für positive Bewertungen seiner Aufnahmen durch andere Nutzer Punkte für die Highscore. Es können bis zu fünf Sterne vergeben werden; jeder Stern entspricht einem Punkt in der Highscore-Wertung.

Das Mapping Game eignet sich besonders, Schülerinnen und Schüler durch praktisches Ausprobieren entdecken zu lassen, „dass Fotos etwas ‚intentional Gemachtes‘ sind, dass sie z.B. im Auftrag entstehen, bestimmten Konstruktions- und Wahrnehmungsgewohnheiten folgen und dass ihre handwerkliche Gestaltung etwas mit der beabsichtigten Wirkung zu tun hat. Es lohnt sich daher, Schülerinnen und Schüler öfter selbst fotografieren, sie z.B. eine fotografische Vorlage mit der eigenen Handy-Kamera rekonstruieren zu lassen und dabei den kompositorischen Entscheidungen des Fotografen nachzuspüren.“ (Andreas Weinhold, Fotografie, Zensur und Propaganda im Ersten Weltkrieg: Förderung historischer Bildkompetenzen, in: Medienbrief 1 (2014), S. 18).

Ideen für den Unterrichtseinsatz

Mit dem Mapping Game kann man gut in ein lokal- oder regionalhistorisches Thema einsteigen. Insbesondere die Themen historische Stadtentwicklung sowie Umgang mit den baulichen Überresten des kulturellen Erbes sind interessant. Die Schülerinnen und Schüler erhalten den Auftrag alte Ansichten ihres Schulortes im heutigen Stadtbild wiederzufinden. Die Aufnahmen der Lernenden werden mit den Originalansichten verglichen, um Kontinuitäten und Veränderungen des Ortes zu beschreiben und damit seine Historizität wahrzunehmen. Dies bildet den Ausgangspunkt für die Formulierung von Fragen oder Hypothesen für die weitere Arbeit.

Das Spiel eignet sich auch für Exkursionen und Klassenfahrten. Die Lehrkraft stellt eine Auswahl von thematisch ausgewählten Stadtansichten für die Lerngruppe zusammen. Anstatt oder auch vorbereitend zu einer Stadtführung erkunden die Lernenden die unbekannte Stadt mit Hilfe der Fotos und einem Stadtplan, indem sie die fotografierten Orte im heutigen Stadtbild wiederfinden und fotografieren. Die Fotos können dann zu einer Nachbereitung und Vertiefung des Ausflugs im Unterricht dienen.

Ansätze für thematische Fokussierungen sind vielfältig denkbar. So können u.a. chronologische Zugänge gewählt werden (die Stadt im Mittelalter, in der Frühen Neuzeit, im 19. Jahrhundert oder im Zweiten Weltkrieg), ebenso wie Bauwerke (Kirchen, Befestigungen etc.), Kunst-Epochen (Romanik, Gotik etc.), biographische (Geburtshaus, Schule, Gedenkplatten etc.) oder kategoriale Aspekte (wie Repräsentationen von Herrschaft im Stadtbild: Burg, Rathaus etc.). Falls keine Bilder im App-Archiv zur jeweiligen Stadt vorhanden sind, kann eine Kooperation mit dem jeweiligen Stadtarchiv angefragt werden, oft ist auch eine Online-Suche z.B. in den Wikimedia Commons hilfreich.

Unabhängig von der Verortung auf einer Karte kann mit selbst hochgeladenen Foto-Ikonen, Karikaturen oder Gemälden auch anders gearbeitet werden: Die Schülerinnen und Schüler erhalten dann den Auftrag, dasselbe oder verschiedene Bilder in einem eigenen Standbild nachzustellen und dieses als Referenzfoto hochzuladen. Alle Mitglieder der Lerngruppe können die selbst gemachten Fotos anschließend im Hinblick darauf bewerten, ob die Umsetzung gelungen ist.

Die Standbilder und Fotos sind natürlich kein Selbstzweck, sondern dienen der Annäherung an das Original und dessen Deutung. Es geht insbesondere um das Erkennen von Haltungen und dem Verhältnis der Personen zueinander, bei deren Erschließung ein Vergleich von Standbildern, Beobachtungen beim Standbildbau und die eigenen Empfindungen als Beteiligte im Standbild helfen können.

Weiterlesen: Funktionen und Unterrichtsideen Teil 3 – Tagging Game

Bild Mapping Game