Karikatur-Datierung durch Digitalisierung – zwei Beispiele

Die Projektarbeit in zwei Klassen zu Karikaturen 1848 bzw. in der Weimarer Republik bringt interessante Zwischenergebnisse. Vorab hatte ich für beide Themen mehr Karikaturen zusammengesucht als Schülerinnen und Schüler in der jeweiligen Klasse sind, so dass die Lernende allein oder in Kleingruppen aus den unterschiedlichen Themenschwerpunkten eine Karikatur zur Bearbeitung auswählen konnten.

Auf eine Einlesephase folgt die Recherche zum historischen Kontext und den einzelnen Elementen der gewählten Karikatur (Wer sich für den Ablauf des Projekts interessiert, findet ihr die Übersicht für die Lernenden als ODT-Datei). Für die Recherche müssen dabei verschiedene Suchstrategien, u.a. Phrasen- und Bildersuche, kombiniert werden, um die notwendigen Informationen zu finden. Dabei zeigt sich, dass viele Schülerinnen und Schüler auch noch in den Klassen 9 und 10 keine systematischen Suchstrategien anwenden, sondern einfach Begriffe bei Google eingeben. Durch Betreuung, Beratung und Vormachen besteht in dieser Phase die Möglichkeit, den Lernenden Suchstrategien aufzuzeigen und zu erklären, gerade dann wenn sie nicht selbst weiterkommen und die Hilfe der Lehrkraft anfragen. Zusätzlich hatte ich als Hilfestellung die Doppelseite „Internetrecherche“ aus dem neuen Band 1 von „Das waren Zeiten“ des Buchner-Verlags für Rheinland-Pfalz (S. 24/25) zur Verfügung gestellt, die in schülergerechter Form Recherchetipps aus dem gemeinsamen Artikel mit Christoph Pallaske im Praxisbuch „Spurensucher“ zusammenfasst.

Die Karikaturen hatte ich verschiedenen Internetseiten entnommen. Die Angaben zu Autor, Veröffentlichungsort und -zeitpunkt sind im Netz, übrigens wie auch in Schulbüchern, unterschiedlich vollständig. Die Schülerinnen und Schüler haben die Aufgabe die vorhandenen Angaben zu prüfen und ggf. zu ergänzen. Dadurch dass zahlreiche Zeitschriften mittlerweile vollständig digitalisiert und frei verfügbar sind, wie z.B. der Simplicissimus oder Kladderadatsch, ergeben sich für das Lernen an, mit und über Karikaturen im schulischen Geschichtsunterricht neue Möglichkeiten, auch als Teil einer digitalen und historischen Medienbildung, die ich an zwei Beispielen aus der aktuellen Projektarbeit aufzeigen möchte.

Die erste Karikatur ist von Thomas Theodor Heine aus dem Jahr 1923. Sie  ist teilweise auch in Schulgeschichtsbüchern abgedruckt. Im Netz findet sich die Karikatur über die Google Suche überraschenderweise nur auf einer Seite, jedoch in eher kleiner Auflösung (siehe z.B. hier). Offenkundig ist der Bezug zur (Hyper-) Inflation. Die Frage, wann genau im Jahr 1923 die Karikatur erschienen ist, ist durchaus relevant für die Interpretation. Aufgrund der Selbstbezeichnung als „Millionär“ liegt die Vermutung einer Datierung im September oder Oktober 1923 nahe. In der Tat ist die Karikatur interessanterweise Heine Von Stufe zu Stufe 1923bereits in Heft 18 des Simplicissimus vom 30.07.1923 erschienen. Eine Interpretation, die das zentral abgebildete Brot mit einem Preis in Millionenhöhe zusammenbrächte, würde also zeitlich vorgreifen. Die großartige Seite simplicissimus.info macht die Überprüfung von in dieser Zeitschrift erschienener Karikaturen sehr einfach, da sowohl eine Suche über Begriffe, Phrasen (z.B. den Titel oder einen Teil der Bildunterschrift in Anführungszeichen) wie Autoren möglich ist und nicht alle möglicherweise in Frage kommenden Ausgaben durchgesehen werden müssen. Das Angebot bietet die Seiten der Zeitschrift in guter Auflösung an: Sie können vergrößert, mit einer Lupe im Detail betrachtet und als PDF heruntergeladen werden. Im Vergleich mit der eingescannten Abbildung des erstgenannten Fundes wird deutlich, wieviel mehr Details die Karikatur eigentlich umfasst – Voraussetzung dafür, diese erkennen und deuten zu können, ist, dass sie den Schülerinnen und Schülern in guter Qualität vorliegt.

Das zweite Beispiel ist eine Karikatur, die sich im Artikel „Deutsche Revolution 1848/1849“ in der Wikipedia findet. Dort wird sie ins Jahr 1848 datiert und inhaltlich der „Frage des Scheiterns“ zugeordnet bzw. bei dem entsprechenden Abschnitt zur Forschungsdiskussion zur Illustration der Unentschlossenheit der Revolution als eine Ursache für das Scheitern der Revolution genutzt. Die Metadaten in der Wikimedia zu der Karikatur sind erstaunlich unpräzise und helfen nicht weiter. Es wird weder der Autor noch das genaue Datum oder der Ort der Veröffentlichung genannt. Der Nutzer, der die Karikatur hochgeladen hat, hat sich selbst („Ws-KuLa“) als Autor, das Hochladedatum als Veröffentlichungstag und die Karikatur als „eigenes Werk“ angegeben. Dies zudem noch als Copyfraud unter CC BY SA-Lizenz. Ob diese Angaben so beabsichtigt waren oder aus Unwissenheit resultieren, lässt sich aus der Ferne leider nicht entscheiden.Fliegende Blätter 1847

Auch über die Google Bildersuche findet sich die Karikatur tatsächlich nur in den Wikimedia Commons bzw. in Kopien davon. Es sind also erstmal keine weiteren Informationen zu erhalten. Die beiden Schüler, die diese Karikatur bearbeiten, haben sie jedoch auch in der digitalisierten Zeitschrift ausfindig gemacht – allerdings ohne, dass ihnen klar war, wie hilfreich der Fund für die Beantwortung der Fragen zur Karikatur war. Die Karikatur stammt aus der humoristischen Wochenschrift „Fliegende Blätter“, die seit 1844 erschien und gleichfalls von UB Heidelberg vollständig digitalisiert im Netz steht. Die Karikatur findet sich in der Ausgabe Fliegende Blätter, 6.1847, Nr. 139, S. 152. Damit ist auch klar, wer die Karikatur gezeichnet hat: Kaspar Braun war nicht nur Verleger und Herausgeber, sondern auch für die Illustrationen zuständig. Nur Beiträge von anderen Autoren wurden in der Zeitschrift zunächst namentlich gekennzeichnet.

Pro Jahr erscheinen 48 Ausgaben, mit also einem fast wöchentlichen Rhythmus. Die Nummern 97-144 sind im Jahr 1847 erschienen. Die Karikatur stammt aus dem Heft Nr. 139, ist also gegen Ende des Jahres 1847 veröffentlicht worden. Aufgrund der Datierung kann sich die Karikatur daher weder auf das Vorparlament noch auf die Nationalversammlung 1848 beziehen, auch ein Bezug zu den Treffen der Liberalen und Demokraten im September bzw. Oktober 1847 ist – zudem durch die Nennung von Frankfurt – gleichfalls auszuschließen. Die Karikatur bezieht sich vermutlich auf den ersten Germanistentag, der Ende September 1846 in Frankfurt stattgefunden hatte. Die wissenschaftliche Zusammenkunft war in mehrfacher Hinsicht auch eine politische Demonstration u.a. über die Wahl des Ortes sowie der verhandelten Themen. Diese Zuordnung erlaubt schließlich übrigens auch eine Erklärung und Deutung der am Boden vor der geöffneten Tür liegenden Gegenstände. Die inhaltliche Zuordnung in der Wikipedia beruht ist also falsch, da sie auf einer fehlerhaften Datierung und Interpretation der Karikatur beruht.

Update: In dem Zusammenhang ist uns übrigens noch eine weitere Karikatur aufgefallen, die sich auch in einigen Schulgeschichtsbüchern und auf einigen Websiten (u.a. in der Wikipedia) findet und, soweit ich das gesehen habe, gleichfalls auf 1848 datiert wird. Diese Karikatur stammt gleichfalls aus der Zeitschrift „Fliegende Blätter“ aus einer Ausgabe früher als die obige (6.1847, Nr. 138, S. 142):

Elend Schlesien 1847Sie ist damit auch anders als üblich nicht auf 1848, sondern auf 1847 zu datieren. Was wäre der relativ aktuelle Anlass, um das Thema der Armut und in Schlesien wieder aufzugreifen? „Die schlesischen Weber“ von Heine und diethronverbrennung Verhaftung eines Vortragenden 1846?

Eine weitere Beobachtung ist auch noch Allerdings sind auf derselben Seite unten zwei weitere Bilder, von denen das rechte auf ein Ereignis der Februarrevolution 1848 anspielt (die erwähnte Thronverbrennung soll am 24.2.1848 in Paris stattgefunden haben) – wie kann das sein? Ist die Datierung der digitalisierten Ausgaben auf den Seiten der Heidelberger Universitätsbiblithek wie auch auf anderen Seiten eventuell nicht korrekt? Das würde wiederum die Ausführungen zur Datierungsfrage hinfällig machen…

Krieg in den Medien

Die Bundeszentrale für politische Bildung hat bereits 2007 die DVD-Rom „Krieg in den Medien“ herausgegeben. 2010 wurden die Materialien in Teilen aktualisiert und überarbeitet. Ich kannte die DVD bisher nicht. Vor zwei Wochen nun war ich auf einer Fortbildung, in der die DVD sowie mögliche Einsatzszenarien im Unterricht verschiedener Fächer vorgestellt wurden – und ich muss sagen, ich war und bin begeistert.

Mein spontanes Fazit vor zwei Wochen war: Wenn die Schulbuchverlage solch gelungene multimedialen Materialien erstellen würden, wäre ich durchaus bereit dafür entsprechend Geld auszugeben und sie  im Unterricht einsetzen. Vergleichbares habe ich da im Bereich Geschichte noch nicht entdeckt. Vieles, was dort für teures Geld als interaktiv und/oder  multimedial angeboten wird, ist oft nur eine Zusammenstellung von Powerpoint-Präsentationen (siehe z.B. hier). Eine Frechheit und reine Geldmacherei.

Deshalb soll die DVD „Krieg in den Medien“ hier ausführlicher vorgestellt werden, denn sie scheint mir  zu Unrecht nur wenig bekannt. Zumindest kannte sie keiner der Kollegen, denen ich davon erzählte.

Die DVD gliedert sich in drei Einheiten:

1) Live dabei? Der Krieg und die Medien

2) Medienprodukt Krieg? Die Inszenierung des Krieges in den Bildschirmmedien

3) Alles Propaganda? Medien als Instrument der Beeinflussung

Alle drei Einheiten bieten zunächst eine Einführungstour und anschließend einen Wissensteil. Die Einführungen sind sehr gut durchdacht und didaktisiert und können (je nach Fach und Klasse) eins zu eins als Einstieg in das Thema übernommen werden. Sie enthalten zudem auch einzelne zum Teil hervorragende (Zuordnung verschiedener Sprechertexte zur selben Filmsequenz) und auch weniger gelungene (einfach Bildpuzzle) interaktive Übungen. Die Wissensteile sind informativ, allerdings auch etwas textlastig, und daher nicht unbedingt in dieser Form für alle Schularten und Klassenstufen geeignet. Die Lizenzierung der DVD ist hingegen ideal für Schulen, da mit Erwerb einer DVD die Inhalte auch auf weitere Computer kopiert werden dürfen (dafür ist sogar höchst komfortabel) im Startmenü ein eigener Punkt vorgesehen, so dass alle Schüler an eigenen Rechnern individuell oder in Kleingruppen am Material arbeiten können, ohne dass man eine teure Schullizenz oder einen Klassensatz DVDs erwerben müsste.

Die Medienauswahl ist sehr weit gespannt und reicht von Plakaten über Radioausschnitte, Film und Fernsehen bis zu relativ aktuellen Computerspielen. Vor allem die Fotos und Filmsequenzen sind toll ausgewählt und können direkt, ggf. auch losgelöst von der Einbettung in der DVD, im Unterricht eingesetzt werden. Das erleichtert die Arbeit in der Vorbereitung des Themas für den Unterricht ganz enorm. Etwas schade ist, dass einige der Abbildungen und Filme sehr klein dargestellt. Zumindest für die Filmausschnitte bietet sich hier ein Umweg über das Dateiverzeichnis an, so dass von dort aus direkt in einem anderen Player gestartet werden können.

Geeignet sind die Materialien nicht nur für den Geschichtsunterrichts, sondern ebenso für die Fächer Politik/Sozialkunde, Deutsch, Religion, Ethik oder auch Kunst. Dabei sollte man die DVD durchaus als Steinbruch betrachten, aus dem man für den eigenen Unterricht fertige Einheiten oder eben auch nur aufbereitete und ausgewählte Materialien beziehen kann. Mit diesen lässt sich auch sehr gut am interaktiven Whiteboard arbeiten, z.B. zur Analyse von visuellen Inszenierungen von Krieg.

Neben den genannten Inhalten bietet die DVD noch einige erwähnenswerte Extras, dazu gehören u.a. (soweit gesehen: gelungene) Arbeitsblätter im PDF-Format, die in der Neuauflage auch auf der DVD selbst vorhanden sind, ein Glossar   eine Film- und Spieledatenbank sowie eine Linkliste zum Thema.

Der zeitliche Schwerpunkt liegt auf der zweiten Hälfte des 20. Jahrhundert. Es finden sich aber auch zahlreiche Materialien zum 1. Weltkrieg auf der DVD. Einige Kapitel schlagen sogar einen Bogen bis ins Mittelalter. Das ist allerdings die Ausnahme.

Es bietet sich an je nach Schwerpunktsetzung weitere Materialien hinzuzuziehen. Zu nennen wäre zunächst die hier bereits vorgestellte Seite http://www.conflicthistory.com, die sich u.a. eignet für eine Aktualisierung des Themas, eine Ausweitung der globalen Perspektive oder eigene Recherchen der Lernenden. Ergänzend gibt es auch mehrere Printpublikationen. Im Umfeld der DVD-Produktion gab es eine Tagung, zu der ein lesenswerter Band entstanden ist. Das Inhaltverzeichnis kann beim Verlag eingesehen werden, die didaktischen Materialien können kostenlos auf den Seiten des Instituts für Friedenspädagogik in Tübingen heruntergeladen werden. Anfang diesen Jahres ist zudem bei der BpB eine Lizenzausgabe von Michael Howards Der Krieg in der europäischen Geschichte erschienen. Eine kurze Rezensionsnotiz der NZZ findet sich auf Perlentaucher.

Bestellt werden kann die DVD über die Bundeszentrale für politische Bildung. Sie kostet 7 €. Das Buch von Michael Howard, Der Krieg in der europäischen Geschichte, ist als Band 1106 in der Schriftenreihe der BpB erschienen und für 4,5€ erhältlich.