Hinweis in eigener Sache: Praxishandbuch veröffentlicht

BernsenKerber.inddSeit heute ist das Praxishandbuch über den Verlag bestellbar. Mein Dank geht zunächst noch einmal an alle Autoren, die mit ihren Beiträgen den Band erst möglich gemacht und die die dann doch leider lange Reifungszeit von der Abgabe der Artikel bis zur Veröffentlichung tapfer durchgestanden haben.

Am Ende sind es 447 Seiten geworden unterteilt in vier Teile:

  • Teil I: Grundlagen historischen Lernens mit digitalen Medien
  • Teil II: Digitaler Wandel in Geschichtswissenschaft, Geschichtskultur und Geschichtslernen
  • Teil III: Digitale Quellen, Darstellungen und Unterrichtsmaterialien für historisches Lernen und Lehren
  •  Teil IV: Kompetenzen, Methoden & Werkzeuge historischen Lernens mit digitalen Medien

    (siehe auch das Inhaltsverzeichnis mit den jeweiligen Beiträgen der vier Teile)

Wir hoffen, dass der Band eine breite Leserschaft finden wird und sind gespannt auf die Rückmeldungen, Rezensionen und die hoffentlich konstruktiv-kontroverse Auseinandersetzung mit den vorgelegten Thesen.

Wir würden uns wünschen, dass das Praxishandbuch in Schule und Lehrerausbildung gerade diejenigen erreicht, die bisher wenig mit digitalen Medien im Unterricht gearbeitet haben oder ihnen sogar ablehnend gegenüberstehen. Wenn es gelungen ist aufzuzeigen, dass der digitale Wandel Geschichtslernen in und außerhalb der Schule nicht nur vor neue Herausforderungen stellt, sondern auch ein großes Potential für historisches Lernen bietet, dann hat sich die viele Arbeit gelohnt.

Der Band eignet sich um die Vorschläge des Strategiepapiers zu „Bildung in der digitalen Welt“ der KMK im Geschichtsunterricht umzusetzen. Ulf und ich gehen sogar soweit, dass wir Geschichte innerhalb des aktuell bestehenden Fächerkanons an Schulen als Leitfach für Medienbildung sehen. Darüber lässt sich sicher streiten. Lasst uns das tun: Unsere Begründung findet sich als erster Aufschlag in der Einleitung und im Theorieteil des Bands 😉

Erinnerungsprojekt: Stolpertweets

Plötzlich taucht er in der Timeline neben zahlreichem Interessantem und Belanglosem auf: ein Stolpertweet. Sehr kurz und nüchtern stehen dort: Name, Informationen zur Geburt, zum Tod und ein Link ist alles, was da steht. Ein virtueller Stolperstein. Durch einen Klick auf den Link kann man mehr über den Menschen erfahren. Sofern mehr bekannt ist. Kurz innehalten, an den Menschen denken, der zwischen 1933-1945 Opfer des Nationalsozialismus wurde. Mit einem Retweet kann man als Nutzer diesen virtuellen Stolperstein auch anderen in den Weg legen, damit diese ihn sehen.

Es geht um die Erinnerung an den einzelnen Menschen. Angelehnt an das Prinzip der Stolpersteine basiert das Projekt vor allem auf den Informationsseiten aus ganz Europa zu lokalen Stolpersteinen und den, soweit möglich, aufgearbeiteten Biographien der Opfer, die jeweils im Tweet verlinkt wird. Es kann der Name sein, der Geburtsort, das Sterbedatum oder die kurze Spanne dazwischen, die einen innehalten lässt und Interesse an der Person weckt. Die Tweets erscheinen am Geburtstag des Menschen, an den erinnert wird. Aktuell sind es jeweils zwei bis drei Tweets pro Tag.

Interview zu TwHistory-Projekten

Im Rahmen eines Didaktikseminars an der Universität zu Köln war auch „Twitter im Geschichtsunterricht“ Thema. Für die Ausarbeitung im Rahmen einer Hausarbeit hatte der Student, Malte Knapp, mir einige Fragen zu den durchgeführten TwHistory-Projekten geschickt, die ich gerne beantwortet habe. Da es offenkundig zugleich ein vergleichsweise großes Interesse an diesen Projekten und einige unklare Vorstellungen über Aufbau, Ablauf und Ziele dieser Projekte gibt, entstand die Idee, das Interview auch hier im Blog zu veröffentlichen. Herr Knapp war dann so nett, das im Rahmen seiner Seminararbeit entstandene Interview auch für die Veröffentlichung hier im Blog freizugeben.


1) Wie war die Mitarbeit von Schülerinnen und Schülern beim „Paulskirchenprojekt“? Waren die Schülerinnen und Schüler motiviert und gab es Ablenkung durch die Arbeit mit Twitter?

Das Paulskirchenprojekt war das erste TwHistory-Projekt, das ich durchgeführt habe. Das war 2009, da war Twitter noch vergleichweise unbekannt, tauchte aber zunehmend in den Fernseh- und Zeitungsnachrichten auf im Zusammenhang mit der „grünen Revolution“ im Iran.

Die Planung des Projekts war sehr lehrerzentriert mit wenig Wahlmöglichkeiten oder kreativen Spielräumen für die Schülerinnen und Schüler. Nichtsdestotrotz ist das Projekt gut angenommen worden. Wichtig war die gemeinsame Reflexion am Ende, die dann in die Planung und Durchführung eines zweiten TwHistory-Projekts mit einer anderen Lerngruppe eingeflossen ist.

Positiv beim Paulskirchenprojekt war für die Schülerinnen und Schüler das Arbeiten mit Computer und Internet, das Kennenlernen von Twitter und die Projektform selbstständigen Arbeitens. Kritisiert wurden vor allem die Länge der Rede-Texte (die dann in Tweets übersetzt werden mussten) sowie die in der Dauer des Projekts Gleichförmigkeit der Arbeit (Reden lesen, verstehen, in Tweets zusammenfassen). Bemängelt wurde auch, dass aufgrund des personalisierten Zugangs über historische Personen am Ende ein Gesamtüberblick über das Thema fehlte.

Beim zweiten TwHistory-Projekt (http://kulturcrash.wordpress.com/) war die Herangehensweise eine andere. Das Projekt fand in der Einführungsphase eines Geschichtsleistungskurses statt und diente der Heranführung an die Denk- und Arbeitsweisen des Fachs. Die Schülerinnen und Schüler haben dabei zunächst das historische Thema selbst gewählt. Zeitgeschichtliche Themen lassen sich auf Twitter besser umsetzen, aber ausschlaggebend war das Interesse der Lerngruppe. Meine Rolle war als Lehrkraft war die eines Lernberaters. Entsprechend habe ich vor der Themenauswahl auch darauf hingewiesen, dass es bei der Umsetzung Probleme mit der Quellengrundlage geben könnte.

Die Motivation im Projekt war sehr hoch. Die Rückmeldungen positiv. Eingebunden in die Projektarbeit war u.a. auch die Nutzung der Schulbibliothek, einer wissenschaftlichen Bibliothek vor Ort sowie eine Einführung in das Bibliographieren und richtige Zitieren.

Ablenkung durch Twitter gab es übrigens weder im ersten noch im zweiten Projekt. Wie ein Schulheft oder Plakat diente Twitter zur Darstellung und Sicherung der Arbeitsergebnisse.

2) Wie lassen sich Ihre Projekte zeitlich mit dem Schulalltag vereinbaren?

Der Lehrplan lässt ausreichend Zeit, Schwerpunkte zu setzen. Dies ist inhaltlich wie methodisch möglich. Zu Beginn des Leistungskurses ist in Rheinland-Pfalz im Lehrplan zudem ein Projekt als Einstieg explizit vorgeschlagen. Projekte lassen sich grundsätzlich natürlich in vier Stunden pro Woche im Leistungskurs besser umsetzen als bei zwei Stunden Unterricht pro Woche im Grundkurs oder in der Mittelstufe, da sich dann ein Projekt oft über sehr lange Zeiträume hinzieht, die in der Regel immer irgendwann das Interesse und die Motivation erlahmen lassen. Entsprechend ist es wichtig bei der Vorbereitung eines Projekts die Rahmenbedingungen mit zu berücksichtigen und ggf. in angemessen kleinerem Umfang zu planen.

3) Im Didaktik Seminar an der Universität zu Köln diskutierten wir im Anschluss an mein Referat Vor – und Nachteile von TwHistory Projekten. Vereinzelt hörte ich den Satz von Kommilitonen „ schon wieder ein Versuch von Lehrern, irgendwas mit Medien zu machen“. Wenn Sie sich kritisch über TwHistory Projekten äußern müssten, wo sähen sie Schwierigkeiten und Probleme dieser Projekte?

Es geht nicht um Twitter und auch nicht darum „irgendwas mit Medien“ zu machen. Der Medieneinsatz muss didaktisch und methodisch sinnvoll und zielführend sein. Ich denke, das leisten TwHistory-Projekte. In anderen Projekten und in anderen Lerngruppen haben wir auch mit Blogs, Social Bookmarking, Videos usw. gearbeitet. Schulhefte, Tafel, Plakate, Schulbücher sind etablierte „Medien“ des Geschichtsunterrichts. Sie können aber erweitert werden.

Twitter diente bei beiden Projekten zur Darstellung von Geschichte. Dabei bedingt Twitter als Medium eigene Darstellungsbedingungen – wie andere Formen wie z.B. Film, Dialog im Heft schreiben, Essay, Plakat übrigens auch. Diese Bedingungen des Mediums gilt es zu reflektieren und eine medienadäquate eigene Darstellung zu produzieren. Dies gilt grundsätzlich. Twitter bietet eine mögliche Alternative eine historische Narration zu erstellen, die besonders geeignet scheint für personalisierte Zugänge zur Geschichte sowie um Interaktionen historischer Personen deutlich zu machen. Dies lässt sich z.B. auf einem Plakat in dieser Weise nicht so gut abbilden.

Auf diese Weise, über die Integration digitaler Medien, kann der Geschichtsunterricht über das Fachliche hinaus einen wichtigen Beitrag innerhalb des schulischen Fächerkanons zur allgemeinen Medienbildung und zur Ausbildung einer kritischen Medienkompetenz leisten.

Nach dem Paulskirchenprojekt war den Schülerinnen und Schülern Twitter und dessen Funktionsweise bekannt. Sie waren damit in der Lage die damals aktuellen Nachrichten über den Iran mit den Hinweisen auf die Nutzung und Vernetzung über „dieses Twitter“ besser zu verstehen.

4) Wenn Schülerinnen und Schüler von Geschichte sprechen, meinen Sie häufig das, was in der Vergangenheit passiert ist. Wie im Didaktik Seminar kritisch hervorgehoben wurde, ist Geschichte jedoch nicht gleich Vergangenheit. Sie ist nur ein Teil davon, an den wir zurückdenken oder erinnert werden. Wie sehen Sie diesen Einwand in Bezug auf TwHistory Projekte?

In den Projekten mussten die Schülerinnen und Schüler an die Quellen zum jeweiligen Thema und eine eigenständige Darstellung erarbeiten (neben den Tweets auch die Biographie ihrer Person auf den begleitenden Blogs). Dass Geschichte nicht Vergangenheit ist, sondern nur eine entsprechende Auswahl, dessen was bis heute überliefert und erinnert wird, lernen die Schülerinnen und Schüler in meinen Kursen explizit spätestens zu Beginn der Oberstufe.

Gerade das Projekt zur Eroberung Mexikos war in dieser Hinsicht hilfreich, weil hier für zentrale Fragen der Schülerinnen und Schüler, für das, was sie teilweise erzählen wollten, gar keine Quellen überliefert sind. Das war durchaus frustrierend, weil sie auch um so gründlicher recherchieren mussten. Die Reflexion in der Gruppe darüber und die daraus gewonnene Erkenntnis über „Geschichte“ war jedoch grundlegend und wertvoll für die weitere Arbeit im Leistungskurs wie auch darüber hinaus. Das ist sicher etwas, was den Schülerinnen und Schüler aus dem Projekt langfristig „hängengeblieben“ ist. Daraus lässt sich aus Lehrersicht auch die Erkenntnis formulieren, dass in diesen Projekten der Arbeits- und Lernprozess wichtiger ist als das (öffentlich einsehbare) Endprodukt.

Für den Unterricht darüber hinaus übrigens überaus interessant und gewinnbringend ist die notwendig im Rahmen eines solchen Projekts zu führende Diskussion, inwieweit die Tweets quellengetreu (Was bedeutet das genau für die Arbeit? Nur Zitate? Sind Kürzungen erlaubt? Ist eine Zusammenfassung mit eigenen Worten noch in Ordnung?) oder auch nachempfunden fiktiv (i.S. einer Perspektivübernahme wie beim Schreiben eines Tagebucheintrags oder eines Briefs aus der Sicht einer historischen Person im Unterricht) sein können, dürfen oder sogar müssen. Es geht also um Grundfragen von Geschichtsdarstellungen, die dann auch z.B. auf historische Spielfilme oder Romane übertragen werden können.

5) Wie sehen Sie die Zukunft von TwHistory Projekten in deutschen Klassenzimmern? Sind TwHistory-Projekte eine Modeerscheinung oder wird mit ihnen auch noch in 10 Jahren im Geschichtsunterricht gearbeitet werden?

Das hängt sicher von der weiteren Entwicklung von Twitter ab. Wobei Twitter selbst meines Erachtens, wie oben dargelegt, nebensächlich ist. Für meinen Unterricht habe ich mit dem Kulturcrash-Projekt ein Modell für Projektarbeit mit Twitter im Oberstufenunterricht gefunden, das ich als methodische Alternative immer wieder einmal einsetzen werde.

Interessanterweise haben die Twhistory-Projekte ein vergleichsweise großes mediales Interesse gefunden (siehe z.B. Zeit, DRadio Wissen, Hyperland/ZDF), die Reaktionen von Geschichtslehrkräften tendieren hingegen gegen Null. Mir sind auch keine weiteren Twhistory-Projekte an anderen Schulen im deutschsprachigen Raum bekannt.

Es scheint also kein für die Kolleginnen und Kollegen interessantes oder umsetzbares Unterrichtsmodell zu sein. Das ist schade, weil ich durchaus ein Potential für den Geschichtsunterricht sehe. Es ist aber nicht dramatisch, letztlich sind TwHistory-Projekte nur eine mögliche methodische Alternative mit einem vielleicht zur Zeit noch etwas ungewöhnlichen Lernprodukt.

6) In Ihrem Blog verweisen Sie im Artikel „Twitter-Geschichtsprojekte“, der am 24. November 2011 veröffentlicht wurde, auf Jan Hodel, der sich kritisch über das Projekt RealTimeWWII äußerte. Wie stehen Sie zu dem Projekt des englischen Historikers?

Im Gegensatz zu den Twhistory-Projekten gibt es hier nur einen Account, der vermischt „Informationen“ an den jeweiligen Jahrestagen veröffentlicht, ohne dass Perspektive oder Quellengrundlage klar wäre. Ich kann verstehen, dass der Account viele Follower hat, ähnlich wie die zahlreichen Accounts mit dekontextualisierten historischen Bildern; aus geschichtsdidaktischer und geschichtswissenschaftlicher Sicht sind diese Angebote jedoch überaus kritisch zu sehen. Das Potential, das Twitter bietet, z.B. für eine multiperspektivische Darstellung, wird zudem nicht genutzt.

7) Das Projekt „Heute vor 75 Jahren – @9Nov38“ erhielt in deutschen Medien viele positive Bewertungen. Der Münchener Geschichtsprofessor Wessel sagte jedoch: „Wenn mit dem Projekt ein Bildungsanspruch verbunden ist, müssen die Tweets auch in den Kontext eingeordnet werden. Dafür seien 140 Zeichen in einem Tweet meist zu wenig. Für ein Geschichtsverständnis, das den Kontext umfassen und einordnen soll, sind andere Formen wie Aufsätze und Bücher sicherlich geeigneter.“ Wie sehen Sie das Projekt und die Aussage von Herrn Wessel?

Wer nur die Tweets wahrnimmt, hat das Projekt nicht richtig erfasst. In einem begleitenden Blog wurden die Tweets kontextualisiert, die Quellengrundlage offengelegt und die Projektarbeit reflektiert. Das hat für mich auch die besondere Qualität des Projekts ausgemacht.

Gleiches gilt meines Erachtens auch für Schulprojekte. Nur ein paar Tweets mit historischem Bezug zu schreiben und zu veröffentlichen, macht noch kein Twhistory-Projekt. Bei den durchgeführten Projekten ist das zum Teil durch die begleitenden Blogs erfolgt, wobei ein Teil der Dokumentation, z.B. über Literaturangaben zu verwendeten Internetseiten und Büchern, nur von mir eingefordert und gesichtet, nicht aber veröffentlicht worden ist.

8) Gibt es Ihrer Meinung nach ein Buch oder einen Aufsatz, der unverzichtbar ist, wenn man über TwHistory-Projekte schreiben möchte?

Zu Twhistory-Projekten gibt es bislang nicht viel. Bester Ausgangspunkt ist vermutlich weiterhin die Seite http://twhistory.org/, von deren Macher die Idee und der Name stand. Dazu gibt es die Darstellungen und Diskussionen in den bereits referierten Blogs. Soweit ich das überblicke wird es nächstes Jahr dazu wissenschaftliche Publikationen geben, u.a. die Ausarbeitung eines Vortrags von Sandra Aßmann und Bardo Herzig auf der Tagung #gld14 (http://dwgd.hypotheses.org/gld14), die sich aus mediendidaktischer Sicht mit dem Ansatz beschäftigt haben.

Twitter im Geschichtsuntericht: Virtuelles Reenactment oder kreatives Schreiben von Geschichte(n) im Netz

Ehrlich gesagt, verwundert mich das Interesse und die Debatte über die Nutzung von Twitter in der Schule.  Wenn man mal die Bedeutung digitaler Medien, besonders von Twitter, in verschiedenen Aufständen und Revolutionen im Iran und im arabischen Frühling beiseite lässt, so ist doch die Bedeutung als Nachrichtenkanal beim Durchzappen durch verschiedene Fernsehkanäle sofort evident. Tweets haben selbst mitlerweile Nachrichtenwert oder dienen als Bild-Belege in Nachrichtensendungen. So zuletzt gesehen in den Heute-Nachrichten auf dem ZDF, wo die Aussage, dass die internationalen Schauspielerkollegen um Philip Seymour Hoffman trauen, visuell mit Bildern von Tweets gestützt wurde. Allgegenwärtig und meines Erachtens reichlich nervig ist der Versuch „Stimmungen“ des Publikums über das Vorlesen von Tweets während Livesendungen einzufangen.

Auch im Wissenschaftsbereich findet sich zahlreiche Experimente bei Konferenzen und öffentlichen Debatten über digitale Medien Rückanäle für Fragen und eine Partizipation des Publikums besonders bei Livestreams von dem jeweiligen Empfangsgerät aus einzubinden. Auch hier spielt Twitter eine wesentliche Rolle (siehe z.B. History@Debate – Europa1914. Schlafwandler oder Brandstifter? vom 24.1.2014).

Man könnte also durchaus sagen, ob sie das nun selbst nutzen oder nicht, ist es für Jugendliche relevant für das Verständnis und Einordnen von Nachrichten sowie als eine Partizipationsmöglichkeit Twitter zu kennen, die Funktionsweise zu verstehen und ggf. selbst nutzen zu können. Twitter ist gegenwärtig ein wichtiger Teil unserer medialen Lebenswelt, und daher wichtig zu verstehen, was es ist und wie es funktioniert.

Nachdem verschiedene Geschichtsprojekte auf Twitter nicht nur viel Aufmerksamkeit erhalten haben (besonders @9Nov38), sondern zum Teil auch kontrovers diskutiert wurden (z.B. @1914 im Blog von Moritz Hoffmann), folgen hier noch einmal ein paar Gedanken zur Arbeit mit der Methode ¨virtuelles Reenactment¨ im schulischen Geschichtsunterricht.

Im Kern handelt es sich bei solchen Projekten im Geschichtsunterricht (siehe z.B. hier) um alternative Formen des kreativen Schreibens. Dazu gibt es für den Geschichtsunterricht eine Reihe von Veröffentlichungen und Unterrichtsvorschläge (u.a.Memminger 2007; Geschichte lernen 4/2009). Dabei geht es nicht um das für historisches Lernen in der Tat problematische Nachfühlen oder Nacherleben des realer Reenactment-Versuche, sondern um quellenbasierte Perspektivübernahmen.

Im Unterricht, besonders der jüngeren Klassen, sind diese Formen des kreativen Schreibens von Tagebucheinträgen, Briefen, Reden usw. schon länger angekommen und etabliert. Die Übernahme historischer Rollen, das Schreiben und Publizieren in sozialen Netzwerken oder in Blogs ist zunächst einmal nur eine andere Art kreativen Schreibens. Sie bietet allerdings durch z.B. das Hinzufügen von Fotos, Audio- oder Videodateien sowie die Möglichkeiten der Interaktion zwischen verschiedenen Akteuren zugleich auch erweiterte Darstellungs- und Ausdrucksformen.

Die Spannbreite möglicher Ansätze reicht dabei von einem sehr quellennahen, nacherzählend-zusammenfassenden Schreiben und damit von einem vergleichsweise niedrigen Anforderungsniveau, das aber dennoch helfen kann das Verständnis von Quelleninhalten und Zusammenhängen zu verstehen, bis hin zu relativ freien Formen der Auseinandersetzung. Bei letzteren können sowohl Quellen wie Darstellungen Grundlage der Einarbeitung in die Rolle sein. Zentral ist die parallele oder anschließende Reflexion und Begründung, inwieweit die verfassten Erzählungen historisch triftig und plausibel ist.

Eine Gefahr besteht bei diesem Ansatz in der Fokussierung auf historische Personen, die Gefahr läuft einem personalisierten Geschichtsverständnis Vorschub zu leisten und historische Prozesse wieder auf die Geschichte ¨großer Männer¨ zu reduzieren. Dem ist jedoch mit einer entsprechenden Vorbereitung und Einbettung der Projekte im Unterricht leicht entgegenzuwirken.

Die Conquista als TwHistory-Projekt

kulturcrash ist der Arbeitstitel des TwHistory-Projekts des 11er LK Geschichte am Eichendorff-Gymnasium, das heute startet. Es geht um die Eroberung Mexikos, das Aufeinandertreffen von Spaniern und Azteken und letztlich den Untergang des Reiches der Azteken und ihrer Kultur. Auf der Homepage des Projekts finden sich die ersten Kurzbiografien der Protagonisten. Die Schüler des Leistungskurses schlüpfen in die Rollen der historischen Personen und werden aus ihrer jeweiligen Perspektive, als Azteke oder Spanier,  auf Twitter über die Begegnung von Azteken und Spaniern und die Eroberung des Aztekenreiches berichten. Alle weiteren Informationen zum Projekt sowie alle Tweets vom 15. September 1520 bis zum Fall Tenochtitláns am 13. August 1521 finden sich auf dem Projektblog.