Den Pfannkuchen einmal wenden

Während es in England wie in Frankreich in letzter Zeit große nationale Debatten über die Ausrichtung des Geschichts- unterrichts gab, ist das aufgrund der föderalen Struktur in Deutschland seltener. Nur die Diskussion uTossingPancakem den neuen Berliner Lehrplan hat leichte Wellen über die Hauptstadt hinaus geschlagen, wobei es vor allem um Fragen von Aufbau und Strukturierung des Lehrplans ging. In Frankreich wie in England geht es den Beitrag des Geschichtsunterrichts zu einer nationalen Identitätsbildung.

Owen Jones, Kolumnist beim Guardian, fordert eine linke nationale Geschichtserzählung: „We need to reclaim the English identity from the right and challenge the idea that English people are inherently conservative, that being English is all about kings and queens, empire and not being an immigrant.“

Stattdessen sollten frühe soziale und proto-demokratische Bewegungen in den Blick genommen werden, die Geschichte der Nicht-Privilegierten, der Unterdrückten, von unten gegen oben, von Widerstand und Aufständen, erfolgreich oder nicht, in denen Rechte verteidigt, eingefordert oder neu gewonnen wurden.

Das ist der nationalgeschichtliche Pfannkuchen einmal von rechts nach links gewendet. Trotzdem regt er zum Nachdenken an: Natürlich sind die Befähigung zum selbstständigen Denken und eines kritisches Geschichtsbewusstseins als zentrale Ziele eines kompetenzorientierten Geschichtsunterrichts gesetzt, aber vielleicht sollten wir doch noch einmal einen Blick in die neueren Lehrpläne (u.a. NRW, RLP, Berlin) werfen, um zu prüfen, an welchen verpflichtend gesetzten Inhalten gearbeitet wird.

Wo finden sich dort die Geschichte von politischer und rechtlicher Emanzipation, wo sind die sozialen Bewegungen und Kräfte? Wo ist die Geschichte von Minderheiten, Unterdrückung und Aufbegehren dagegen im Geschichtsunterricht? Wo ist der Einblick in Strukturen und Mechanismen (historischer) Formen von Unterdrückung und Ausbeutung? Welchen Raum nehmen sie ein gegenüber dem in den Lehrplänen weiterhin dominierenden traditionellen und konservativen Geschichtsbild mächtiger (nicht mehr nur, aber doch noch überwiegend weißer) Männer?

Die Beschäftigung mit Geschichte ist nicht nur Sachwissen und Kompetenzen, sondern zentral für die Entwicklung einer eigenen Meinung und Haltung, von Moral und Urteilsbildung.

In der Geschichte „von unten“ steckt übrigens die Chance zur Überwindung der nationalen Narrative durch eine europäischen oder gar globalen Zugang im Geschichtsunterricht, gerade auch bei Themen wie z.B. dem Ersten Weltkrieg, die noch stark von nationalen Sichtweisen geprägt sind und diese allenfalls vergleichend nebeneinander stellen.

Daz zwei Beispiele aus dem neuen Teillehrplan Geschichte für die Sekundarstufe I in Rheinland-Pfalz, der ab 2016/17 gilt:

1) Dort werden unter „Inhalten“ zahlreiche Männernamen aufgelistet – von Solon über Maximilian von Habsburg bis zu Gorbatschow -, aber exakt nur eine Frau namentlich erwähnt – in einer optionalen Erweiterung gemeinsam mit ihrem Bruder: Hans und Sophie Scholl. Auch das Frauenwahlrecht wird nirgendwo explizit genannt.

2) Sklaverei kommt zwei Mal im neuen Lehrplan vor: in der Antike „als Wirtschaftsfaktor“ und in der Frühen Neuzeit unter „Erschließung neuer Handelsräume und Märkte“ verbunden mit dem „Grundbegriff“ Dreieckshandel. Abschaffung der Sklaverei? Fehlanzeige.

Tage, Maße und Währungen

Obwohl es außer in der Projektarbeit sicher ein eher marginales Thema im Geschichtsunterricht möchte ich dennoch auf zwei interessante Webseiten hinweisen.  Aus dem Studium sicher noch allen bekannt, gibt es den Grotefend auch online.  Schnupperweise ist der Grotefend sicher im Leistungskursbereich einsetzbar und auch bei Nachfragen von Schülern und zum eigenen Nachschlagen kann das Buch auch für Geschichtslehrern hilfreich sein.

Was Maße und Einheiten in Mittelalter und Neuzeit angeht, bietet der Mittelalter-Rechner ein schönes Angebot. Alf Leue hat für viele, gängige Maße und Einheiten einen Umrechner online gestellt, der zum schnellen Nachschlagen geeignet ist, sollte z.B. im Unterricht im Buch oder bei Auszügen von historischen Romanen entsprechende Daten auftauchen. Das Ganze ist auch hilfreich mit Links und Quellenangaben versehen, so dass auch die Möglichkeit besteht von hier aus mit Schülerinnen und Schüler tiefer in das Thema einzusteigen.

P.S. Dank an Hans-Gerd Ackermann für die Hinweise auf die beiden Seiten.

Indian Ocean in World History

IndianOceanHistory ist ein großartiges, englischsprachiges Portal zur Geschichte des Indischen Ozeans in globaler Perspektive. Das Portal bietet interaktive Karten von der Antike bis heute, über die zunächst der geographische Raum des indischen Ozeans definiert sind und die in jeder Großepoche mit Mouseover-Buttons Informationen zu verschiedenen Schwerpunkten wie Karten, Reisende, Handelsgüter usw. bieten.

Es gibt zudem für Schüler und Lehrer einleitende Texte (im pdf-Format) sowie weitere Leseempfehlungen. Für den Einsatz im Unterricht werden darüber hinaus Unterrichtsanregungen und Aufgaben angeboten.

Für interessierte Schülergruppen mit entsprechenden Englischkenntnissen (d.h. wohl wenn für bilinguale Schulzweige und Leistungskurse) bietet die Seite eine hevorragende Möglichkeit, die eurozentrische Perspektive zu verlassen und eine andere Weltregion vergleichend in den Unterricht hinzuzunehmen. Da davon auszugehen ist, dass auch die wenigsten Geschichtslehrer  sich in der Geographie und der Geschichte des Raums gut auskennen, eignen sich die optisch schön gestalteten Seiten gut, um sich selbst erstmals mit dem Thema und der Region auseinanderzusetzen und damit seinen eigenen Horizont zu erweiteren.