GeschichtsApp: Überarbeitung und Weiterentwicklung

logo3-defaultÜber zwei Jahre nach dem Launch der App in die Geschichte ist es nun durch eine private Spende möglich, die zahlreichen Rückmeldungen zur Nutzung der App umzusetzen.

Einige Verbesserungen sind seit gestern online für alle Nutzer verfügbar:

  • Das Login und die Neuregistrierung für Lehrkräfte sind nun auch direkt verlinkt.
  • Die selbst erstellten, interaktiven und multimedialen Zeitleisten können nun exportiert und per Link öffentlich geteilt werden. Ein Beispiel findet sich hier.
  • Das öffentliche „Archiv“ bleibt Archiven vorbehalten, die hier digitalisierte Archivalien für Schulen zur Verfügung stellen können. Lehrerinnen und Lehrer können aber jetzt eigene Quellen oder andere Dokumente nicht öffentlich in ihrem Bereich hochladen und einer bestimmten Lerngruppen zur Verfügung für alle Funktionen der App (Mapping Game, Tagging Game, Zeitleisten) zur Verfügung stellen.

Während der aktuellen Projektzeit an der IGS Pellenz arbeiten 15 Schülerinnen und Schüler mit der App in Plaidt und werden im Lauf der Woche Ideen und konkrete Vorschläge für weitere Funktionen der App in die Geschichte erarbeiten und Freitag in der Schule vorstellen. Das Projekt wird auf einem begleitenden Blog unter dem von den Lernenden selbst gewählten Titel „ThePastPoint“ sowie über einen gleichnamigen Twitteraccount dokumentiert.

Fundstück: Genau so …. nicht.

20141109_202225Es ist mir heute erst aufgefallen: Zur Illustration des Titels wurde die Abbildung einer mittelalterlichen Handschrift gewählt. Im Buch habe ich keinen Bildnachweis gefunden und meine Kenntnisse reichen nicht aus, um zu identifizieren, was auf genau dem Titelblatt abgebildet ist. Das ist letztlich weniger wichtig. Der Punkt ist: Genau so sehen Quellen in Geschichtschulbüchern eben nicht aus!

Die schönste mittelalterliche Handschrift verwandelt sich einen kleine Bleiwüste. Dabei sind Schulbücher heutzutage drumherum attraktiv und (für manche zu schon zu) bunt gestaltet. Die Quellen jedoch verlieren alle ihre äußeren Merkmale und gleichen in der Form einer der anderen: gedruckte Texte, die transkribiert, ggf. übersetzt, oft sprachlich vereinfacht und gekürzt sind.

Selbstverständlich können Schülerinnen und Schüler nicht das Original lesen. Es kann und wird auch nicht Ziel des schulischen Geschichtsunterrichts sein, paläographische Grundkenntnisse zu vermitteln. Was allerdings möglich wäre, ist neben dem gedruckten Quellenauszug auch noch eine Abbildung der Originalquelle zu zeigen.

Dem sind in Schulbüchern enge Grenzen gesetzt. Die Digitalisierung eröffnet hier aber bislang kaum genutzte Möglichkeiten; gerade auch in der Zusammenarbeit mit Archiven und der Nutzung von deren digitalisierten Beständen. Ein schönes Projekt in dieser Hinsicht, war im Landeshauptarchiv Rheinland-Pfalz begonnen worden, hat aber leider keine Fortsetzung gefunden.

Nicht nur, dass digitalisierte Quellen, wenn auch vermutlich nicht im gleichen Maße wie die Originale im Archiv, Schülerinnen und Schüler doch durch die ihnen eigene Ästhetik faszinieren können. Das Fremde der Handschrift, ggf. der Bebilderung, kann Interesse wecken und einen anderen Zugang zum Quellenmaterial bieten, den die gedruckten Quellenauszüge nicht leisten.

Darüber hinaus erwerben Schülerinnen und Schüler so auch einen Überblick über den Wandel der Schrift- und Kommunikationskultur: ein Brief auf dem frühen Mittelalter sieht anders aus als einer aus dem 19. Jahrhundert, eine Telegramm hat eine andere Form als eine E-Mail. Handelt es sich um einen Entwurf mit eingefügten Korrekturen oder um eine veröffentliche Rede? usw. Das gilt für alle schriftlichen Quellen.

Die äußere Form kann so auch im Unterricht neben den Inhalten Teil der Beobachtung, der Analyse und Bewertung werden. Der Geschichtsunterricht würde auf jeden Fall gewinnen und quasi nebenbei auch grundlegende Einblicke in die Geschichte von Kommunikation und Medien vermitteln.

Bringt die Schätze aus den Archiven als Digitalisate in die Schulen!

App in die Geschichte – Trailer auf youtube

Im Rahmen der Aktion Tagwerk haben Schülerinnen und Schüler einer 10. Klasse am Eichendorff-Gymnasium einen kurzen Film zur GeschichtsApp erstellt. Die meiste Arbeit hat dabei Jannis Both geleistet, auf dessen Youtube-Kanal der Film aktuell zu sehen ist.

Mobiles Geschichtslernen: App in die Geschichte online

2014-04-24_005634So sieht sie aus die Startseite der „App in die Geschichte“. Das Konzept hatte ich hier im Blog Ende September bereits kurz vorgestellt. Zur Nutzung durch Schule und Archive steht nun ein erster, in seinen Funktionen reduzierter, aber voll einsatzfähiger Prototyp zur Verfügung. Die „App in die Geschichte“ ist der bisher, soweit ich sehe, erstmalige und bislang auch einmalige Versuch, mobiles Lernen mit digitalisierten Quellen aus Lokal- und Regionalarchiven zu verbinden, speziell für den schulischen Geschichtsunterricht eine eigene Anwendung dafür zu entwickeln und kostenlos bereitzustellen. Zum Vergleich, was es für Apps im Bereich Geschichte bislang gibt, sei auf den Überblicksbeitrag von Kristin Oswald sowie die Beiträge von Studierenden im Blog geschichte zwopunktnull verwiesen.

Die „App in die Geschichte“ hat in hohem Maße explorativen Charakter, weswegen wir auf Kritik und Rückmeldungen angewiesen sind, um das Angebot zu verbessern und weiterzuentwickeln. Wir sprechen zwar von „App“, präziser formuliert handelt es sich bei dem Programm um eine Web-Applikation oder WebApp. Diese kann über jeden Webbrowser aufgerufen werden und passt sich in der Darstellung je nach verwendetem Gerät optisch an. So ist die GeschichtsApp sowohl über einen PC, zum Beispiel im Computerraum der Schule, als auch mobile über kleine Smartphone-Bildschirme gut nutzbar. Es braucht keinerlei Installation oder Download aus einem „App“-Laden, was aus Schülersicht vielleicht weniger „cool“ ist, aber die schulische Nutzung vermutlich vereinfacht, da keine Administratorenrechte auf den verwendeten Geräten benötigt wird.

Die App in die Geschichte findet sich unter: http://app-in-die-geschichte.de/

Die Anwendung umfasst ein „Archiv“ für digitalisierte Quellen, das frei, d.h. ohne Anmeldung, zugänglich ist und zur Zeit fast 80.000 Digitalisate unter CC- und PD-Lizenz enthält. Nach Anmeldung sind darüber hinaus das Mapping Game, das Tagging Game sowie eine Zeitleistenfunktion nutzbar. Für Archive und Schulen haben wir einen Reader (PDF Download) erstellt, der die grundlegenden Funktionen erklärt und erste Ideen für mögliche Unterrichtszenarien liefert. Am Ende der Handreichung findet sich auch eine Anleitung zur Registrierung als Lehrkraft. Für Archivare oder Archivpädagogen gibt es eine eigene Handreichung mit kurzer Information zu Nutzen und Registrierung (PDF Download).

Soweit ich das überblicke, bietet die GeschichtsApp als erste ein Werkzeug zur Erstellung digitaler Zeitleisten auf Deutsch. Alle übrigen Angebote wie xtimeline etc. sind englisch- oder französischsprachig. Für den Geschichtsunterricht gerade mit jüngeren Lernenden kann ein deutschsprachiges Angebot hilfreich sein. Die spielerischen Elemente wie auch die Highscore sollen gleichfalls eher jüngere Lernende ansprechen und zur Auseinandersetzung mit historischen Inhalten motivieren. Ob das gelingt, ist zu prüfen. Parallel zur Testphase läuft in zwei Klassen eine Befragung von Schülerinnen und Schülern.

Die übrigen Funktionen stellen einen ersten Versuch dar, Angebote mobilen Geschichtslernens besonders für den Schulbereich zu gestalten. Das ist alles andere als perfekt. Weitere konzipierte Funktionen, vor allem zum digital storytelling, konnten wir bislang mit der verfügbaren Finanzierung noch nicht umsetzen.

Vom ersten Treffen über die Konzeptentwicklung und Umsetzung bis zum jetzigen Zeitpunkt ist weniger als ein Jahr vergangen, was nur dank der hervorragenden Zusammenarbeit aller beteiligten Partner möglich war. Das allererste Treffen hat Mitte Mai 2013 im Stadtarchiv Koblenz stattgefunden, vor etwas mehr als einem Monat haben wir bei einem Seminar im Bundesarchiv in Koblenz den Prototypen in kleiner Runde vorgestellt und diskutiert.

Im Nachgang haben die Programmierer zumindest noch einen Teil der Rückmeldungen und Verbesserungsvorschläge umsetzen können. Die übrigen haben wir notiert und hoffen zu einem späteren Zeitpunkt nachbessern zu können. Die Finanzierung ist nun ausgelaufen. Bis mindestens September steht die Anwendung online. Sie ist für alle Nutzer kosten- und werbefrei. Für die Nutzung und vor allem die Weiterentwicklung über September hinaus suchen wir zur Zeit nach Konzepten und vor allem nach einer Finanzierung. Das ist im Bildungsbereich schwierig.

Ein ersten Lichtblick in dieser Hinsicht gibt es seit heute: Unsere Bewerbung beim Europeana Creative Challenge hat es in die Endrunde geschafft! Kommenden Dienstag werden fünf vom Veranstalter vorausgewählte Projekte in Brüssel im Bereich “history education” vorgestellt. Anschließend wird die Jury entscheiden, eines davon durch ein Beratungs- und Coachingpaket zu unterstützen. Herr Dr. Müller wird unser Projekt vor Ort vertreten. Ich bin sehr gespannt und drücke die Daumen für eine erfolgreiche Präsentation!

Weiterlesen ausführlich: Funktionen und Unterrichtsideen

Weiterlesen Kurzfassung: Die GeschichtsApp ausprobieren – Kurzanleitung und erste Schritte

App in die Geschichte

In Kooperation mit der Internationalen Akademie für Innovative Pädagogik (INA) gGmbH an der FU in Berlin haben wir in den letzten, sehr arbeitsintensiven Monaten das Konzept einer speziellen App für den Geschichtsunterricht entwickelt. Im Unterschied zu allen uns bekannten Apps geht es bei dem Projekt nicht um ein weiteres Angebot von Geschichtsdarstellungen für mobile Geräte.

Vielmehr sollen die mobilen Endgeräte mit ihren verschiedenen Funktionen zu Werkzeugen für das historisches Lernen werden, dieses unterstützen und damit helfen den Geschichtsunterricht in mehrfacher Hinsicht (u.a. inhaltlich, methodisch und räumlich) zu öffnen. Die App ist so konzipiert, dass Schülerinnen und Schüler sie inner- und außerhalb der Schule zum selbstständigen, entdeckenden und kollaborativen Lernen und Arbeiten nutzen können, sie aber auch phasenweise als Ergänzung zur Arbeit mit dem Schulbuch im Unterricht durch eine Lehrkraft eingesetzt werden kann. Mit dem Schwerpunkt der Arbeit mit digitalisierten lokalen und regionalen Archivalien bietet die App darüber hinaus einen innovativen Ansatz für die Archivpädagogik.

Die Grundfinanzierung für den Prototyp steht, der Programmierer ist beauftragt. Das Ergebnis wird ein Open Source-Produkt sein. Nun wird das Konzept am Donnerstag erstmals öffentlich vorgestellt bei der Konferenz „Zukunft gestalten – 40 Jahre Situationsansatz“. Ab Februar soll die Online-Anwendung pilotiert werden mit einer Erprobung u.a. in der BYOD-Klasse des Eichendorff-Gymnasiums und nach und nach für mehr Schulen zur Verfügung stehen. Die Folien für meinen Kurzvortrag auf der Tagung, der das Konzept umreisst, stelle ich hiermit vorab in das Blog und freue mich über konstruktives Feedback.

Mittelalterliche Siegel – eine Unterrichtsidee

Nach Toni Diederich (Siegelkunde 2012, 12ff.) sind Siegel als Medien zu verstehen: Sie dienen ihrem Träger dazu, einem bestimmten Publikum durch Bild und Schrift eine Botschaft vermitteln. Siegel bilden somit ein wichtiges Element der der Außen- und Selbstdarstellung ihrer Träger. Dies umso mehr als sie vor allem den Rang des Siegelträgers in einer Gesellschaft bekunden, in der Rang ein konstitutives Merkmal der Gesellschaftsordnung gewesen ist: „Der Person ‚als Ganzes‘ wurde in ihrer Eigenschaft als Mitglied eines bestimmten Verbandes ein konkreter in der Gesellschaft zu gewiesen.“ (Arlinghaus, in: Späth 2009, 37) Die symbolische Repräsentation einer Person musste dies widerspiegeln, was erklärt, warum Siegel nicht Individualität des Trägers, sondern Gruppenzugehörigkeit und Rang fokussieren.

Die zunehmende Bedeutung von visuellen Zeugnissen reflektiert die Visual History, die Bilder „als eigenständige Gegenstände der historiografischen Forschung“ betrachtet (zur Einführung siehe z.B. Gerhard Paul, Visual History auf docupedia). In der Schule dominiert der Textzugang zur Vergangenheit, Bilder gewinnen allerdings nach und nach an Bedeutung, Siegel hingegen spielen weiterhin kaum eine Rolle für den Geschichtsunterricht.

Unterrichtsideen zu Siegel sind selten (vgl. siehe den Beitrag im Blog hier und im FNZ-Blog – beides ist ohne Resonanz geblieben). Dies ist angesichts der wachsenden Bedeutung bildlicher Quellen und der Zunahme von Abbildungen in Schulgeschichtsbüchern durchaus verwunderlich, sind doch Siegel zwar in ihrer Symbolik oft dicht und daher schwer entschlüsselbar, zugleich sind viele Siegelbilder aber auch in höchstem Maße anschaulich und, sofern als Abguss verfügbar, auch haptisch erlebbar.

Wachsabgüsse finden sich z.B. im Archivkoffer des Landeshauptarchivs Rheinland-Pfalz. Auch in vereinzelten Unterrichtsvorschlägen finden sich Siegelbilder abgebildet z.B. in Geschichte lernen Nr. 135/136 „Herrschaft im Mittelalter“ auf einem Arbeitsblatt (S. 68), wo sie explizit als „Ausdruck der Herrschaftsform“ thematisiert und in Aufgaben eingebunden sind. Abgebildet sind das Siegel von Franeker (1313) (PDF) sowie das Reitersiegel Heinrichs des Löwen („vor 1163“). Die Siegelabbildungen sind zu beschreiben und daraus die unterschiedliche Formen der Herrschaft in Friesland und in Sachsen zu erläutern.

In Geschichtsschulbüchern sind Siegelabbildungen selten. Noch vergleichsweise häufig finden sich Abbildung des Wappensiegels von Lübeck (1256) zur Illustration von Aussehen und Bedeutung einer Kogge. Eine Ausnahme bildet der neu erschienene Band 2 von „Geschichte entdecken“ (Buchner) in der Ausgabe für Hessen (S. 23). Dort gilt es herauszufinden, wo Siegel heute noch verwendet werden und diese mit den abgebildeten mittelalterlichen Siegeln zu vergleichen. Abgebildet sind das oben bereits genannte Reitersiegel des Herzogs Heinrichs des Löwen sowie das spitz-ovale Siegel „des Magdeburger Bischofs Wichmann“ (vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Wichmann_von_Seeburg ?)

Es stellt sich die Frage, wie Siegelbilder über die Illustration hinaus gewinnbringend für ein tieferes Verständnis des Mittelalters und der Frühen Neuzeit didaktisch genutzt werden können, ohne dass die fremde Symbolhaftigkeit allzu verständnishindernd wirkt. Aus den vorangehenden Überlegungen soll hier ein Vorschlag für Unterrichtseinsatz vorgestellt werden, der sich fachlich vor allem an dem von Markus Späth herausgegebenen Sammelband Die Bildlichkeit korporativer Siegel im Mittelalter (2009, Rezension bei h-soz-u-kult) orientiert.

Abbildungen von Siegeln finden sich zahlreich z.B. in den Wikimedia Commons, die aufgrund ihrer Lizensierung auch für den Unterricht weiter nutzbar sind. Hier vier Beispiele für Stadtsiegelbilder aus dem 13. und 14. Jahrhundert:

Kiel_Siegel 1365

Siegel der Stadt Kiel von 1365

Köln_Stadtsiegel 1268

Stadtsiegel Köln 1268

Leipzig_Stadtsiegel 13 Jhd

Stadtsiegel Leipzig 13. Jahrhundert

Coesfeld_-_großes_Stadtsiegel 1246

Großes Stadtsiegel von Coesfeld 1246

Besonders Stadtsiegel bieten sich für den Unterrichtseinsatz an. „Das Konzept einer juristischen Person als Trägerin von Rechten und Pflichten unabhängig von der sie konstitutierenden Personengruppe wurde erst im 12. Jahrhundert entwickelt.“ (Groten, in: Späth 2009, 68). Die Bilder korporativer Siegel der Städte sind abgesehen von religiösen Stiftungen „die erste Form visueller Gruppenrepräsentation“ (Spät 2009, 19). Daher unterlagen die neuen Stadtkommunen in ihrer institutionellen Selbstdarstellung keinen festen Darstellungs-konventionen, sondern mussten eigene Ausdrucksformen erst noch finden. Ihnen fehlte der oben fest zugewiesene Platz innerhalb der bestehenden Ständeordnung. Die Versuche, die eigene Identität nach außen darzustellen, bewegen sich zwischen der Abbildung des Eigenwahrnehmung und der Herstellung von Differenz zu anderen.

Dies könnte man nun z.B. in eine Doppelvertretungsstunde in der Mittelstufe aufnehmen. Voraussetzung sollten Grundkenntnisse über Herrschaft, Ständeordnung und Entstehung des Städte im Mittelalter sein. Die Schülerinnen und Schüler können zunächst aufgefordert werden, ein graphisches Zeichen für sich zu entwerfen. Einige Entwürfe werden vorgestellt. Ausgehend von der Frage, ob die Klassensprecher ihre Logos nutzen dürften, um die Klassen z.B. in der Schülerversammlung oder im Jahrbuch der Schule zu repräsentieren, wird die Idee einer gemeinsamen Gruppenrepräsentation entwickelt.

In Kleingruppen gestalten die Schülerinnen und Schüler für ihre Klasse nun ein „Logo“. Die Entwürfe werden wiederum kurz vorgestellt. Eventuell kann über die beste Idee auch abgestimmt werden. Anschließend wird gemeinsam überlegt, was allen Entwürfen miteinander verbindet, um daran festzumachen, dass sie Verbindendes für die Gruppe und Abgrenzendes zu anderen Gruppen beinhalten.

Davon ausgehend können mehrere Siegelbilder betrachtet werden. Darunter sollten Personen- und Städtesiegel sein. Eventuell bietet es sich an, die Siegelträger kurz auf einer Karte zu verorten. Die Schülerinnen und Schüler ordnen nun die Siegelbild den beiden Gruppen: Personen- bzw. Gruppensiegel zu. Im Vergleich mit ihren eigenen Gestaltungserfahrungen verstehen sie die Personensiegel Repräsentationen von Rang und Gruppenzugehörigkeit und erschließen sich das Selbstverständnis mittelalterlicher Stadtgemeinden als gemeinsam handelnde Korporationen. Die rechtliche Qualität von Siegeln im Vergleich zu heutigen Logos kann anschließend mit einem kurzen Text vertiefend erarbeitet werden.

Geschichtsunterricht 2.0 und Archive 2.0 – Teil 3

Dritter und letzter Teil des Vortragsmanuskripts zur Tagung Archive 2.0 in Bloghäppchenform mit Verlinkungen

5. Durch die vereinfachte Verfügbarkeit von Informationen und medialen Inhalten sowie die Digitalisierung der jugendlichen Lebenswelten kommen Schülerinnen und Schüler auch immer wieder mit unterschiedlichsten Deutungsangeboten zur Geschichte in Kontakt. Sei es nun in Spielfilmen, Dokumentationen, Werbung, in der Wikipedia oder politischen Argumentationen. Das ist alles nicht neu, erhält aber eine wachsende Bedeutung und nun auch zunehmend Aufmerksamkeit der Geschichtsdidaktik. Der Geschichtsunterricht wird diese Elemente aufnehmen und weniger versuchen, Schüler zu Historikern auszubilden, sondern sie kompetent im Umgang mit den verschiedenen Formen der Geschichts- und Erinnerungskultur zu machen. Dabei geht es um aktive und kritische Teilhabe. Insgesamt wird dies eine Aufwertung der Bedeutung von Zeugnissen der aktuellen Geschichtskultur mit sich bringen, die bisher eine völlig untergeordnete Rolle spielen und z.B. in den Schulgeschichtsbüchern kaum vorkommen.

6. Die veränderte Aufgabenkultur und das Erstellen eigener Geschichtsprodukte unterstützen eine weitere Entwicklung, die zunächst vielleicht etwas widersprüchlich erscheinen mag: die wachsende Bedeutung von Lokal-/Regionalgeschichte für historisches Lernen in der Schule. Hier kann anschaulich und exemplarisch gelernt werden, ohne dass die Ergebnisse bereits fertig abrufbar im Netz stehen. Schüler auch können selbst Arbeiten und Beiträge leisten für die Geschichtskultur vor Ort.

Gesellschaftlich und politisch, letzteres bestimmt ja weiterhin die Vorgaben für die Curricula, geht die Entwicklung in eine stärkere Ausrichtung auf Europa und die Welt im Sinne einer verflochtenen Globalgeschichte als Bezugsrahmen. Das heißt, es kommt zu einem Rückgang der Dominanz einer nationalen Meistererzählung als Orientierung und Leitfaden des Unterrichts, der die viele Lehrpläne in Deutschland wie auch anderen europäischen Ländern weiterhin bestimmt.

Die beiden Entwicklungen scheinen zunächst widersprüchlich, sind es aber nicht. Sie sind vielmehr komplementär, sowohl im Sinne einer integrativen Geschichte vor dem Hintergrund zunehmender Migration als auch bei einer Didaktisierung der Globalgeschichte, in der es nicht um zusätzliche Inhalte, sondern um das Aufzeigen von Verflochtenheit geht. Um das nicht zu abstrakt, sondern altersgerecht zu machen, bietet sich die eigene Region als Ausgangspunkt an, nicht um die Besonderheiten und Leistungen, sondern um in einem transkulturellen Ansatz das Typische und die Verknüpfungen herauszuarbeiten:

in dem man [Zitat] „Prozesse interkulturellen Austauschs in der europäischen Geschichte in den Blick [nimmt], die über staatliche, nationale und kulturelle Grenzen hinauswirkten“ und „Europa als einen stets in Wandlung befindlichen Kommunikationsraum [zu beschreiben], in dem vielgestaltige Prozesse der Interaktion, Zirkulation, Überschneidung und Verflechtung, des Austauschs und Transfers, aber auch von Konfrontation, Abwehr und Abgrenzung stattfanden.“

Beispiele dafür liefern auf wissenschaftlicher Ebene das EGO-Portal (Europäische Geschichte Online) des Leibniz-Instituts aus Mainz, aus dessen Selbstdarstellung auch das obige Zitat stammt, sowie auf schulischer Ebene das Projekt Classroom4.eu [Seite existiert nicht mehr].

7. Dies alles bedingt eine Veränderung des Unterrichts mit einer Zunahme von offenen und projektartigen Formen mit einer Hinwendung zu mehr Verantwortung für die eigenen Lernprozesse durch die Lernenden. Die Ideen sind nicht neu, in ihren Ansätzen reichen sie oft über 100 Jahre zurück bis in die frühe Reformpädagogik. Wesentlich scheint aber, dass diese Formen heute zu der sich verändernden Lebens- und Arbeitswelt passen, an der sich Schule und Unterricht orientieren müssen. Zudem gibt es zwischen Formen offenen Lernens und Projektunterricht eine hohe Schnittmenge mit den Ideen und Möglichkeiten, die hinter den Begriffen von Web 2.o bzw. Social Media stehen. Die „Methode des Projektlernens und die Voraussetzungen des digitalen Zeitalters” (#pb21) passen gut zusammen. Lisa Rosa definiert als 4 wichtigsten Merkmale dieses Lernens: Lernen ist selbstbestimmt, personalisiert, kollaborativ und vernetzt.

Die Technik ist dabei aus schulischer Sicht der Didaktik nachgeordnet und hat einen unterstützenden Charakter, aber sie vereinfacht und ermöglicht diese Lernformen. Die Ausstattung der Schulen ist allerdings ein Hemmnis auf diesem Weg. Hier ist angesichts der knappen Kassen auch in der Breite keine Besserung in Sicht. Gleichzeitig ist aber zu beobachten, dass immer mehr Jugendliche eigene mobile Endgeräte (vor allem Smartphones, aber auch Tablets) besitzen, die sie in die Schule mitbringen und dort in der Regel aufgrund eines geltenden „Handy-Verbots“ nicht nutzen dürfen. Diese Geräte sind mittlerweile nicht selten schneller und leistungsstärker als die veralteten schulischen Computer. Für die Schulen stellt sich in den nächsten Jahren die Herausforderung auf didaktischer, organisatorischer und rechtlicher Ebene, diese mobile Endgeräte der Lernenden in den Unterricht und schulische IT-Infrastruktur zu integrieren.

8. Sollten die kurz skizzierten Entwicklungen zutreffen, so folgt in einer zugegebenermaßen sehr optimistischen Einschätzung eine insgesamt (wieder) höhere Bedeutung des Geschichtsunterrichts innerhalb des schulischen Fächerkanons. In den letzten Jahren ist es wiederholt zu Reduktionen der Stundenzahlen und Zusammenlegen mit anderen Fächern zugunsten anderer Fächergruppen gekommen. Die Aufwertung des Fachs liegt nicht in einem wie immer zu gestaltenden inhaltlichen Kanon, sondern im Erlernen von grundlegenden Kompetenzen für die Wissens-/Informationsgesellschaft, die das Fach bietet. Nur Geschichte, und das ist eines der Alleinstellungsmerkmale des Fachs, ist immer ausschließlich medial vermittelt. In einer digitalen, also vor allem medialen Welt darf sich das Fach Geschichte in der Schule auf die fachspezifischen Methoden und Inhalte konzentrieren und muss aber beginnen, deren gesellschaftliche Bedeutung zu kommunizieren.

Natürlich gibt es auch Faktoren, die den beschriebenen Entwicklungsmöglichkeiten entgegenwirken, So u.a.:

– Das Zentralabitur (nicht in Rheinland-Pfalz), das in der Oberstufe lokal-/regionalgeschichtliche Themen weitgehend verhindert, weil sie nicht abiturrelevant sein können, es sei denn die Region wird als Ebene des Bundeslandes verstanden.

– Die genannten Stundenkürzungen des Faches sowie das Zusammenlegen mit anderen Fächern und die Schulzeitverkürzung im Rahmen von G8. Lernen, und besonders komplexes historisches Lernen, braucht Zeit.

– Zu beobachten sind zudem seit einigen Jahren (europaweit) Tendenzen einer politischen Re-Nationalisierung, die einhergehen mit entsprechenden Forderungen an Geschichtsunterricht.

– Zur Zeit fehlt das Digitale noch weitgehend in der Lehreraus- und teilweise auch -weiterbildung. Jahrzehntelange Lehr- und Arbeitsroutinen unterstützen Abwehrhaltungen gegenüber digitalen Geräten in vielen Schulen, die oft noch fälschlich als reine Unterhaltungsmedien wahrgenommen werden, hohe Arbeitsbelastung, die nicht immer Zeit lässt, sich in Neues einzuarbeiten: Wandel benötigt Zeit und Arbeit.

zu 3) Wie könnten sinnvolle Angebote von Archiven 2.0 für den Geschichtsunterricht 2.0 aussehen?

Online-Angebote von Archiven, die über das Betreiben einer Internetseiten und das Bereitstellen von Informationen hinausgehen und im Sinne des Web 2.0 auf Öffnung, Austausch und Kommunikation ausgelegt sind, bieten Lehrkräften zunächst einmal vereinfachte Kontaktangebote. Die Chance, Lehrer so zu erreichen, ist relativ groß, da die meisten, wie beschrieben, zumindest privat soziale Medien nutzen und sich in der Regel auch über das Berufliche hinaus für Geschichte interessieren.

Allerdings findet man auch bei Facebook und Twitter vor allem das, was man sucht und bereits kennt. Zentrale Frage muss also sein, wie die Angebote der Archive bei Lehrkräften als einer Zielgruppe bekannt gemacht werden können. Abzuraten ist z.B. von Flyern und Wettbewerben – das ist nicht innovativ und Schulen werden davon regelrecht überflutet. Die meiste davon landet sofort im Mülleimer.

Wichtig ist die zeitaufwendige Pflege der Kommunikation, die eben nicht im Sinne einer „Faxmentalität“ beim Senden bzw. Veröffentlichen von Nachrichten stehen bleiben darf, sondern Gegenseitigkeit benötigt: Jeder Kanal ist ein Kommunikationsangebot. Wird darauf von Nutzern mit Fragen oder Bemerkungen eingegangen, verlangt das eine Antwort und Reaktion.

Das erwähne ich so ausführlich, weil gerade der Verband der Geschichtslehrer Deutschlands (VGD) mit seiner Social Media-Nutzung ein Beispiel dafür bietet, wie man es nicht machen sollte. Facebook und Twitter werden nur zum Verlinken von Nachrichten auf der Homepage genutzt. Nachfragen und Anregungen bleiben unbeantwortet. Das zeigt, dass auf Verbandsebene, und das ist vermutlich auf einen Großteil der Lehrkräfte verallgemeinerbar, das grundlegende Prinzip „sozialer“ Medien nicht verstanden ist.

Der Gang ins Archiv mit Schülern ist trotz der fantastischen Möglichkeiten für historisches Lernen in vielen Fällen schwierig. Das hat schulorganisatorische und gesellschaftliche Gründe (Thema: Unterrichtsausfall) Natürlich geht jede Schule anders damit um. Aber für eine große Zahl sind Online-Angebote eine große Chance, wenn natürlich die Arbeit mit digitalisierten Archivalien den Gang ins Archiv nie voll ersetzt.

Für Geschichtslehrer auf jeden Fall gewinnbringend ist es, wenn Archive Teilbestände digitalisieren und online unter Creative Commons-Lizenzen bereitstellen, evtl. mit kurzen Handreichungen. Die rheinland-pfälzischen Landesarchive hatten begonnen, eine Reihe ausgewählter Archivalien als Unterrichtsmaterialien aufzubereiten und zur Verfügung zu stellen, das Projekt aber leider nach wenigen Monaten aus Mangel an Ressourcen abgebrochen.

Durch Web 2.0-Präsenzen von Archiven wird die Möglichkeit geboten und die Hemmschwelle gesenkt, hierzu Nachfragen zu stellen, und ergänzende Informationen einzuholen. Denkbar und sinnvoll erscheint umgekehrt aber auch gelungene Arbeiten von Schulen durch Verlinkung oder Präsentation auf den Archiv-Seiten aufzunehmen (recherchierte Informationen zu Fotos, digitale Themenkarten, Stadtrundgänge etc.) Die Weitergabe der Lernprodukte an das Archiv kann als Gegenleistung für das Bereitstellen der Materialien verstanden werden und bereichert dauerhaft das eigene archivpädagogische Online-Angebot. Schulische Produktionen sind so nicht mehr nur für Klassenraum, für Noten, Lehrer oder Schublade gedacht, sondern als längerfristig verfügbare Produkte für eine potentiell größere Öffentlichkeit.

Es ist allerdings nicht erwarten, dass gauf Online-Angebote von Archiven gleich viele Zugriffe von Schulen erfolgen. Die skizzierte Entwicklung braucht Zeit. Schulen als System, und Geschichtsunterricht als Teil dessen, sind schwerfällig und wandeln sich nur langsam.

Darüber hinaus lassen, wenn das auch mit höherem Aufwand verbunden ist, Projekte selbst initiieren. Allerdings werden Schulen, wie bereits gesagt, überhäuft mit Angeboten zu Schülerwettbewerben. Sich hier zu platzieren ist außerordentlich schwieirg. Um Schulen zu erreichen, auch im Zeitalter des Web 2.0, scheinen weiterhin persönliche Kontakte und Bindungen entscheidend. Dazu eignen sich Kooperationen mit regionalen Fachberatern oder Lehrerfortbildungsinstituten. Web 2.0 Angebote der eigenen Institution bieten im Anschluss die Chance lose Kontakt zu halten, der dann bei Bedarf einfacher reaktiviert werden kann.

Schließlich gibt es Möglichkeiten der Kooperation, die leider nicht immer gesehen werden. Als Beispiel sei hier der gerade erschienen „Stadtführer: Koblenz im Nationalsozialismus“ genannt, der ein Anknüpfen und Erweitern des kurz vorgestellten Google Maps-Projekts erlaubt hätte. Solche Projekte sind in vielfältiger Art und Weise möglich und können von Schulen und Archiven gemeinsam angegangen oder doch zumindest unterstützt werden z.B. regionale Stadt-Wiki-Projekte, virtuelle Ausstellungen, z.B. der 1. Weltkrieg in eigener Region/Stadt mit Beteiligung verschiedener Schulen/Klassen oder Geocaching-Projekte, die über das Digitalisieren bestehender Infostelen in der Stadt hinausgehen.

Natürlich sind solche Projekte aufwendig und sprengen oft den Rahmen der regulären Arbeit. Das gilt für beide Seiten.  Sowohl Archiv als auch Schule können in mehrfacher Hinsicht von solchen Kooperationen profitieren:

– als archivpädagogische Angebote sind die Ergebnisse längerfristig online, und verschwinden nicht in der Schublade, sondern können von anderen genutzt werden;

– Archive erschließen sich neue Nutzergruppen und zeigen sich als offene Einrichtungen des Kulturerbes;

– beiden Partner gelingt über die Kooperation das Herstellen einer größeren Öffentlichkeit für die Ergebnisse der eigenen Arbeit.

Einschränkend ist zu sagen: Es ist schön projekt- und produktorientiert zu arbeiten, aber wer liest bzw. nutzt die erstellten Produkte? Nur die Veröffentlichung auf einer Interetseite erzeugt noch kein Publikum. Von Beginn an ist daher bei der Planung und Durchführung Zielgruppe zu berücksichtigen. Das Herstellen einer Öffentlichkeit ist ebenso zentral wie schwierig, weil Aufmerksamkeit begrenzt und hart umkämpft ist. Kooperation und Vernetzung sind hilfreich, weil sie die Chancen für Schneeballeffekte bzw. virale Verbreitung erhöhen.

Schule 2.0 ist ebenso selten wie umstritten wie Archive 2.0. Die Argumente der Debatten ähneln sich dabei (u.a. keine Zeit, andere Aufgaben, rechtliche Fragen). Aber Schulen müssen sich ändern. Für Archive kann ich das nur vermuten und das wird sicherlich in den zwei Tagen hier noch intensiv diskutiert werden. Die skizzierten Ideen sind als Chance zu begreifen. Sie können zu einer wohl für Archive ebenso wie für Schulen aus meiner Sicht wünschenswerten Öffnung beider Institutionen wesentlich beitragen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Geschichtsunterricht 2.0 und Archive 2.0 – Teil 2

Teil 2 des Vortragsmanuskripts zur Tagung Archive 2.0

Wer das Netz privat und beruflich auf diese Weise nutzt, also einen beruflichen und/oder fachlichen Gewinn sieht, versucht diesen auch für Schüler gewinnbringend im Unterricht zu integrieren. Wie das in Praxis aussehen kann, möchte ich an drei Beispielen aufzeigen:

 – In Koblenz sind vor rund zwei Jahren aus einem Projekt mit einer 10. Klasse eine Google Maps Karte zur Geschichte der Stadt Koblenz im Nationalsozialismus sowie eine dazugehörige Handreichung für Lehrkräfte entstanden. Aktuell läuft ein Geocaching-Projekt zur Gründung und den ersten Jahren des Landes Rheinland-Pfalz in Koblenz. Die von Schülern eines 11er Leistungskurses Geschichte erstellten Caches werden in den nächsten zwei Wochen online gestellt.

– Digital storytelling: Das Erstellen von Geschichts-Videos durch Lehrkräfte oder Lernenden (z.B. Alexander der Große? am Theodor Heuss Gymnasium Sulzbach)

– Wikis als interaktive Online-Schulbücher zur Förderung propädeutisch wissenschaftlichen Arbeitens in der Oberstufe (z.B. classroom4.eu)

Das sind sicher noch erste Versuche, Arbeit mit digitalen Medien nicht nur punktuell, sondern dauerhaft in den regulären Unterricht zu integrieren. Es handelt sich dabei also nicht um außergewöhnliche Projekte nach Notenschluss am Schuljahrsende. – Das scheint mir wichtig festzuhalten. Aufbauend auf diesen und anderen Beispielen will ich versuchen, gemeinsame Merkmale herauszuarbeiten und – auch, wenn man sicher damit vorsichtig sein – mögliche Entwicklungen des schulischen Geschichtsunterrichts aufzuzeigen.

Unter Punkt 2) folgt nun also ein Blick auf Veränderungen des Geschichtsunterrichts unter Bedingungen der digitalen Welt. Das ist im Zusammenhang mit der Fragestellung deshalb wichtig, weil Angebote von Archiven sich nicht an kurzfristigen Moden orientieren können, sondern aufgrund des damit verbundenen Aufwands immer längerfristig ausgerichtet sein müssen. Die beschriebenen Entwicklungen sind nicht trennscharf, sondern besitzen teilweise Überschneidungen und starke Interdependenzen.

Acht Entwicklungstendenzen des Geschichtsunterrichts – Oder wie sich der Geschichtsunterricht unter den Bedingungen der Digitalisierung verändert.

 1. Veränderte Aufgabenkultur

Die ubiquitäre Verfügbarkeit von Informationen muss zu veränderten Aufgaben führen. Wenn ich eine Antwort in wenigen Sekunden googlen kann, dann ist nicht Google schlecht, sondern die Aufgabenstellung. Damit einher geht die Entwicklung in Richtung Kompetenzorientierung des Unterrichts. Das heißt nicht, dass es keine Inhalte mehr geben wird oder dass nichts mehr auswendig gelernt werden würde, aber es bekommt eine andere Funktion.

Das lässt sich mit dem Lernen einer Fremdsprache vergleichen: Jahreszahlen, Namen sind wie Vokabeln, die Kompetenzen bieten eine Art Grammatik, die das sinnvolle Verknüpfen von Daten und Namen zu einer Geschichte ermöglicht. Wenn ich in einem Gespräch im Ausland jede Vokabel nachschlagen muss, kommt kein Gespräch zustande: Das gilt in Analogie auch für Geschichte.

Was sich verschiebt sind die Schwerpunkte der Aufmerksamkeit, die nun viel stärker auf die Konstruktion von Geschichtserzählungen gerichtet ist und dafür muss der Geschichtsunterricht das Handwerkzeug liefern.

2. Narrativität als zentrale Kategorie bzw. De-/Rekonstruktion als Vorgehensweisen des Unterrichts

Der Geschichtsunterricht wird noch weniger als bisher auf 1-Wort-Antworten oder das Nennen von Jahreszahlen zielen, sondern das Verfassen eigener Geschichtsdarstellungen als Form der Re-Konstruktion sowie die De-Konstruktion bestehender Narrationen in den Mittelpunkt stellen.

Mit der Digitalisierung stehen nun neue mediale Formen von Quellen und Darstellungen zur Verfügung, die zudem viel leichter zugänglich sind. Letztlich erweitert die Digitalisierung auch die Ausdrucksmöglichkeiten der Schüler (Lehrer sprechen hier auch von Lernprodukten). Die Schülerinnen und Schüler sind nicht mehr darauf beschränkt, sich mündlich, schriftlich in einer Klausur, einer Wandzeitung oder einem Hefteintrag zu äußern, hinzunkommen nun selbst erstellte Videos auf Youtube, Tweets, Wikis, Blogs usw. Die Reichweite von Schülerbeiträgen war im Alltag bis auf wenige Ausnahmen auf die Klassen-, mit kleinen Ausstellungen im Foyer vielleicht noch die Schulgemeinschaft limitiert. Diese Grenzen werden nun aufgehoben. Es stellt sich allerdings immer jeweils die Frage nach einem möglichen Zielpublikum für die Schülerproduktionen, aber das ist ein anderes Thema.

3. Schülerinnen und Schüler haben nun – wie alle anderen Menschen, im Sinne des mit Schlagwort ‚Web 2.0‘ bezeichneten Phänomens der selbst erstellten Inhalten – neue, veränderte und erweiterte Ausdrucks- und Veröffentlichungsformen: Einfach und ohne weitere Kosten können nun multimediale Geschichtsdarstellungen erstellt und veröffentlicht werden (digital storytelling). Schülerinnen und Schüler können sehr einfach zur Begleitung oder als Ergebnis ihres Lernprozesses ein Blog, Wiki oder ein Quiz/Spiel erstellen, ein Podcast oder Video aufnehmen und aus dem Klassenraum heraus öffentlich zugänglich machen.

4. Damit einher geht eine veränderte Bedeutung des Schulbuchs für den Unterricht. Vom Leitmedium des Geschichtsunterrichts als Lesebuch und Nachschlagewerk wird das Schulbuch zu einem Arbeitsmittel bei wachsender Bedeutung anderer Materialien, wie vor allem Open Educational Resources, die auch für das Erstellen eigener Lehr- (auf Lehrerseite) und Lern-Produkte (auf Schülerseite) ermöglichen.

Für Geschichte bietet sich bereits jetzt ein riesiger und immer weiter wachsender Fundus an z.B. freien Bildquellen und Kartenmaterial in den Commons der Wikimedia aber auch auf Flickr, wo in beiden Fällen Archive und Museen dazu beigetragen haben, die Sammlungen deutlich zu vergrößern. Diese Angebote wie auch die lokaler und regionaler Einrichtungen scheinen wenig bekannt bei den Lehrkräften. Was sich mit unter Creative Commons lizenzierten Materialien bereits heute urheberrechtlich einwandfrei gestalten lässt von Arbeitsblättern über interaktive Aufgaben bis hin zu eigenen Videos, zeigt eindrucksvoll das Segu-Projekt am Historischen Institut der Uni Köln.

Geschichtsunterricht 2.0 und Archive 2.0 – Teil 1

Manuskript meines Vortrags vom 22.11. auf der Tagung „Offene Archive? Archive 2.0 im deutschen Sprachraum (und im europäischen Kontext)“ in Speyer (Prezi zum Vortrag siehe hier). Leider konnte ich nur an einem der beiden Tage teilnehmen, fand die Beiträge und Diskussion auch als Außenstehender auf der gut organisierten Tagung aber als sehr anregend. Besonders die Beispiele aus Frankreich und den Niederlanden, wo Nutzern Vertrauen geschenkt und Verantwortung übertragen wird, haben mich sehr beeindruckt. Ohne Anmeldung oder Registrierung kann in beiden Fällen direkt auf den Archivseiten mitgearbeitet werden. Interessant war die Nachfrage von deutschen Teilnehmern nach Fällen Vandalismus, die beide Referenten zunächst nicht zu verstehen schienen und dann nur übereinstimmend erklären konnten, dass so etwas noch nicht vorgekommen sei. Was ich daraus gelernt und von der Konferenz mitgenommen habe: Social Media ist vor allem eine Frage der Einstellung. Und das lässt sich auch auf das Lernen und Arbeiten in der Schule übertragen!

Mein Vortrag steht unter der Frage: Was erwarten Geschichtslehrer von Archiven 2.0?

Geht man davon aus, dass Geschichtslehrkräfte dafür beruflich als aktive Nutzer im Web 2.0 unterwegs sein müssten, ist die Frage sehr einfach zu beantworten:

Sie erwarten nichts.

Das wäre aber zu einfach. Eingeladen wurde ich, um eine schulische Perspektive zu geben. Einschränkend muss ich sagen: Die Bedingungen und Möglichkeiten archivischer Arbeit kenne ich nur aus einer sehr vagen Außensicht. Deshalb mag das ein oder andere vielleicht unrealistisch oder überzogen sein, aber so können Erwartungen nun einmal sein. Die sicher nicht ganz einfache Aufgabe zu beurteilen, was umsetzbar und realistisch ist, bleibt Ihnen überlassen und hängt vermutlich sehr stark vom einzelnen Archiv ab.

Mein Beitrag gliedert sich in drei Teile:

1) Zunächst möchte ich einen kurzen Einblick geben, wie Geschichtslehrer das Internet zur Zeit nutzen.

2) Danach werde ich versuchen eine Prognose zu wagen und zu beschreiben, wie sich der Geschichtsunterricht durch digitale Medien verändern könnte

3) Abschließend soll ein Ausblick stehen, der die beiden Perspektiven mit dem Thema der Tagung zusammenführt: Wie könnten sinnvolle Angebote von Archiven 2.0 für den Geschichtsunterricht 2.0 aussehen?

zu 1)

Die meisten Lehrkräfte, und damit auch der Geschichtslehrer, nutzen das Netz wohl im Web 1 Punkt 0 – Modus, das heißt vor allem zur Informationsentnahme. Für fast alle Lehrkräfte gehört der PC mit Internetanschluss zur selbstverständlichen Ausstattung ihres heimischen Schreibtischs. Ich sage fast alle, da vor kurzem noch Kopien von Matritzenvorlagen aus dem Jahr 1982 in Schulen gesichtet wurden. Lehrer nutzen Computer und Internet zur Unterrichtsvorbereitung: Sie schlagen Begriffe und Jahreszahlen in der Wikipedia nach, suchen Anregungen in veröffentlichten Unterrichtseinheiten, fertige Arbeitsblätter, Quellen und Darstellungstexte für den Einsatz im Unterricht.

Im Unterricht eingesetzt wird der Computer hingegen selten. Die Gründe dafür sind vielfältig.

Falls die Schüler mal mit dem Internet arbeiten sollen, handelt es sich in der Regel um eine einfache Internetrecherche: „Informiert euch über… .“, was in mehrfacher Hinsicht problematisch  ist. Weitgehend gängig dürfte auch das situative Nutzen von mobilen Endgeräten der Schüler im Unterricht sein. Während eine große Mehrheit der weiterführenden Schulen auf ein mehr oder minder restriktives „Handy“-Verbot (darunter fallen in der Regel alle Arten mobiler elektronischer Geräte vom Mp3-Player bis zum Laptop) setzen, scheint es selbst für weniger technikaffine Lehrer kein Problem, in Einzelfällen bei einer ad hoc auftauchenden Frage den Gebrauch im Unterricht zuzulassen, um einzelne Informationen (Daten, Namen etc.) nachzuschlagen.

Während alle Schüler wie auch viele Lehrer soziale Netzwerke privat nutzen, scheint noch eine Mehrheit der Geschichtslehrer davon überzeugt zu sein, dass diese in der Schule nichts zu suchen haben, keinen Mehrwert für ihre eigene Arbeit und keine sinnvollen Einsatzszenarien für (historisches) Lernen bieten.

Soweit zur Mehrheit. Daneben gibt es eine wachsende Zahl von Lehrkräften, die das Internet aktiv auch zur Kommunikation, zum fachlichen Austausch, zur Produktion und Publikation nutzt. Und das in verschiedener Weise: öffentlich oder in geschlossenen Gruppen, alleine oder zum Austuausch mit Kollegen, eben auch über Schul- und Landesgrenzen hinaus. Dass sich in etwas tut, zeigen auch die beiden für das kommende Jahr angekündigten Konferenzen: geschichte lernen digital Anfang März in München und Nutzung digitaler Medien im Geschichtsunterricht im Mai 2013 in Salzburg.

Was erwarten Geschichtslehrer von Archiven 2.0?