5. Bloggeburtstag

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Am 12. Juli 2009, also morgen vor fünf Jahren, habe ich dieses Blog eröffnet und den ersten Beitrag geschrieben. Geburtstage und Jahrestage sind immer ein Anlass, um zurückzuschauen, Bilanz zu ziehen, Statistiken zu wälzen. Statistiken liefert einem WordPress jede Menge. Ein kleiner Auszug als Blick hinter die Kulissen:

Dieser Beitrag ist (zufällig genau) der 600. in diesem Blog, d.h. ca. 120 Beiträge pro Jahr oder anders formuliert alle drei Tage ein Beitrag. Seit 2009 gab es insgesamt mehr als 200.000 Zugriffe. Akismet hat dieses Blog vor bislang 14.907 Spam-Kommentaren bewahrt. Zugelassene und freigeschaltete Kommentare finden sich 823. Die am meisten angeklickten Beiträge über die ganzen fünf Jahre sind:

Unterrichtseinheit: Karl der Große – Teil 1
Unterrichtseinheit: Karl der Große – Teil 2
Ist die Erde rund? Über den Wandel des Weltbildes
Bismarcks Bündnissystem
Asterix und die Heeresreform des Marius
Der Teppich von Bayeux als Animationsvideo
ZDF-Serie “Die Deutschen” im Geschichtsunterricht?

Aus meiner Sicht sind das nicht die besten Beiträge. Die Liste zeigt meines Erachtens vielmehr: Gesucht werden online Unterrichtsmaterialien. Didaktische und methodische Fragen und Diskussionen werden weit weniger gelesen. Bei der Frequenz der Kommentare ist es genau umgekehrt. Eine Schlussfolgerung könnte sein: Wer viele Besucher und Zugriffe haben will, sollte Unterrichtsmaterialien veröffentlichen.

Kuriosum am Rande: Der in der Statistik von WordPress noch aufgeführte Artikel mit dem kleinsten Aufrufzahl verweist übrigens auf den Entwurf des neuen Geschichtslehrplans für die Sekundarstufe I in Rheinland-Pfalz und den Aufruf des Geschichtslehrerverbandes diesen zu diskutieren. Der Beitrag ist zugegebenermaßen nur eine schnöde Verlinkung, der Entwurf wäre meines Erachtens aber in der Tat diskussionswürdig.

Als ich mit diesem Blog angefangen habe, gab es schon einige „Edu“-Blogs, deren Zahl allerdings noch überschaubar waren (siehe die schöne, chronologische Übersicht zu Lehrerblogs im Zum-Wiki). Deutschsprachige Blogs zu Geschichte und Geschichtsunterricht waren noch mehr oder weniger an zwei Händen abzählbar. Die Geschichtsblogosphäre hat sich seitdem gewandelt. Blogs, wie die von Alexander König, die mich zum Bloggen gebracht haben, stehen still, einige sind ganz abgeschaltet, andere sind hinzu gekommen, in den wenigsten wird regelmäßig geschrieben. Die zum Teil aufgeregten Debatten der ersten Jahre gehören der Vergangenheit an. Wie Christoph Pallaske vor kurzem zu Recht auf Twitter feststellte, ist es ruhig geworden in der Geschichtsblogosphäre.

Ist das zu bedauern? Ein wenig melancholisch ist mir beim Schreiben schon zumute. Andererseits kann man mit Recht heute schreiben: Der „digitale Wandel“ ist als Thema in der Geschichtsdidaktik angekommen. Es gibt Tagungen, die sich dem Thema widmen (München, Salzburg, Köln), eine Arbeitsgemeinschaft in der KGD, die sich des Themas angenommen hat. Entsprechende Beiträge fehlen auch nur noch selten bei anderen Tagungen und Publikationen, die keinen expliziten Schwerpunkt „Digitales“ ausweisen.

Die Akzeptanz von Blogs wurde deutlich erhöht wesentlich durch das Blogportal hypotheses. Michael Schmalenstroer hat mit Planet History einen „Blog-Aggregator“ eingerichtet, der alle Beiträge aus „Geschichtsblogs“ bündelt. Allein für den deutschsprachigen Raum werden dort zur Zeit über 180 (!) Blog mit Geschichtsbezug gelistet.

Auch die Geschichtsdidaktik hat mit Public History Weekly ein redaktionell betreutes und von mehreren Autoren gefülltes Blogjournal, dem es gelungen ist, die universitäre Geschichtsdidaktik zur Publikation und Diskussion von Miszellen im Netz zu bringen. Keine geringe Leistung. Und dort wird diskutiert. Dass die Beiträge und Kommentare darüber hinaus auch von Wissenschaftlern der Nachbardisziplinen kommen, bereichert das Projekt und ist der aktiven Arbeit der Redaktion zu verdanken.

Die Themen und Diskussionen sind also nicht weniger geworden, sie haben sich verlagert. Die „wilden Zeiten“ sind vorbei. Blogs haben ihre Unschuld schon lange verloren. Sie sind als Marketing-Instrument entdeckt worden und es gibt mehr als einen, der, wenn auch selbst nicht in Blogs oder sozialen Netzwerken aktiv, peinlich genau darüber wacht, was über ihn und sein Schaffen dort geschrieben wird. Was insgesamt sich beobachten lässt, ist eine Normalisierung und Institutionalisierung der Diskussion über das so lange erst unbekannte und dann fremde Digitalistan. Damit ist ein Thema etabliert, dass von vielen vor wenigen Jahren, von einigen allerdings auch bis heute, nicht als solches wahrgenommen wurde.

Auch wenn es in den einzelnen Blogs zu Geschichtsdidaktik und -unterricht sehr ruhig geworden ist, fällt der Blick in die Zukunft also positiv aus. Wichtige Debatten wurden angestoßen und werden uns auch zukünftig beschäftigen, z.B. über den Medienbegriff in Geschichtsdidaktik und -unterricht (siehe zuletzt den Beitrag von Christoph Pallaske bezeichnenderweise nicht in seinem Blog, sondern auf PH Weekly veröffentlicht).

Zu dieser speziellen Debatte abschließend noch ein Gedanke: Nach meinem Eindruck ist übrigens an der Frage nach dem „Medienbegriff“ wenig Fachspezifisches, sieht man mal von dem Unterschied von Quellen und Darstellungen ab. Einen spezifisch geschichtsdidaktischen Medienbegriff kann es eigentlich nicht geben. Daher ist die Frage für alle Fächer und Schule insgesamt relevant. Ein Blick über den Tellerrand wäre interessant, ob in den anderen Fachwissenschaften oder der allgemeinen Erziehungswissenschaft überhaupt schon erkannt ist, dass es ein Problem gibt mit dem verbreiteten schulischen Medienbegriff. Ich könnte mir gut vorstellen, dass die Geschichtsdiaktik zwar noch disktuiert, aber doch schon einen guten Schritt weiter ist als andere Fachdidaktiken….

…ist im Grund der Herren eigner Geist, in dem die Zeiten sich bespiegeln.

Bundesarchiv, Bild 183-R90909 / CC-BY-SA

Nationaltheater Weimar, Wiedereröffnung am 28.8.48 Goethe-„Faust“-Studierzimmerszene, Faust und Famulus Wagner
Bundesarchiv, Bild 183-R90909 / CC-BY-SA

Für die meisten Leserinnen und Leser mit Sicherheit nichts Neues, für mich gerade ein schöner Zufallsfund. Ein Zitat aus Goethes Faust (V. 575ff.):

Wagner:

Verzeiht! es ist ein groß Ergetzen,
Sich in den Geist der Zeiten zu versetzen;
Zu schauen, wie vor uns ein weiser Mann gedacht,
Und wie wir’s dann zuletzt so herrlich weit gebracht.

Faust:

O ja, bis an die Sterne weit!
Mein Freund, die Zeiten der Vergangenheit
Sind uns ein Buch mit sieben Siegeln.
Was ihr den Geist der Zeiten heißt,
Das ist im Grund der Herren eigner Geist,
In dem die Zeiten sich bespiegeln.

P.S. Eine Google-Suche, wer sich wie der Zitate bedient und wer sie in welchem Zusammenhang anders interpretiert ist übrigens überaus kurzweilig.

Sommerpause

rg1024_beachNach fast vier Jahren geht das Blog nun bereits in die dritte Sommerpause. Die nächsten Wochen wird es hier keine neuen Beiträge geben. Die Pause wird sicher auch länger sein als die Sommerferien. Mit dem neuen Schuljahr wird sich die Einrichtung einer BYOD-Klasse am Eichendorff-Gymnasium auch mein Arbeitsschwerpunkt etwas verschieben. Wen das Thema BYOD und überhaupt das Arbeiten mit mobilen Endgeräten in der Schule interessiert, kann in unserem Projektblog gerne mitlesen.

Allen Leserinnen und Leser erholsame Ferien, eine entspannte vorlesungsfreie Zeit oder einfach nur schöne Sommertage!!!

Hinweis: Webinar zur Erinnerungsbildung in der Migrationsgesellschaft

Unter dem Titel „Erinnerungsbildung in der Migrationsgesellschaft auf dem Hintergrund von Rassismus und Antisemitismus“ findet heute ein Web-Seminar mit Prof. Astrid Messerschmidt statt.

Die Migrationsgesellschaft bildet den allgemeinen Kontext, von dem aus Geschichte erinnert wird. Erinnerungsbildungsarbeit kann dazu beitragen, die NS-Geschichte nicht als Element nationaler Identität zu beanspruchen, sondern als Herausforderung, jede abstammungsbezogene Gemeinschaftsdefinition in Frage zu stellen.

Dieses Webinar bildet den Auftakt zu einer Reihe zum Themenbereich Diversity/ interkulturelles, historisches Lernen. Weitere Informationen zur Veranstaltung und zur notwendigen Technik: http://lernen-aus-der-geschichte.de/Online-Lernen/content/11252

Astrid Messerschmidt ist Professorin für Interkulturelle Pädagogik/Lebenslange Bildung an der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe. Moderiert wird die Online-Fortbildung von Birgit Marzinka und Alexander König.

HEUTE: 17. Juni 2013 um 17.00 Uhr

Link zum Webinar: https://webconf.vc.dfn.de/erinnersbildung/

Der Ärger mit LdL bei der Umsetzung in die Praxis

Ich finde das Konzept super, die Schüler äußern sich positiv und sind mehrheitlich mit Eifer und Engagement dabei, selbst ein Kollege, der mich letzte Woche vertreten hat, brauchte sich nur in die Klasse setzen und den Schülern dabei zuzuschauen, wie sie sich selbst unterrichten und fand das – trotz einiger notwendiger Interventionen zur Herstellung einer konzentrierten Arbeitsatmosphäre – so spannend, LdL vielleicht selbst einmal im Unterricht auszuprobieren.

Ein echtes Problem ist aber die Planung. Mich würde interessieren, wie andere damit in der Praxis umgehen. Die Schülerinnen und Schüler haben ihre Stunden gemeinsam im Unterricht vorbereitet. Ich habe mir die Stundenkonzepte angeschaut, beraten und geholfen, wo das nötig war. Die einzelnen Stunden haben wir auf die kommenden Wochen verteilt und jede Gruppe hat einen festen Termin bekommen. Nun musste ich dieses Plan bereits zum vierten Mal korrigieren, neu erstellen und die Stunden nach hinten verschieben, da ich jede zweite Woche eine „Stattstunde“ in dieser Klasse bekommen: Das ist (oft kurzfristiger) Vertretungsunterricht, für den die Schüler dann z.T. kein Material dabei haben und für den dann in der Folge eine andere reguläre Stunde, die am Rand des Stundenplan liegt –  in diesem Fall dienstags die erste –  ausfällt.

Die für den Dienstag geplante Schülerstunde verschiebt sich dann damit auf die Folgewoche und damit verschieben sich auch alle weiteren Stunde nach hinten. Von Mitte Mai für das vorgesehene Ende der LdL-Reihe sind wir mittlerweile bei Ende Mai angelangt. Vielleicht tritt das Phänomen in anderen Schulen weniger auf, es ist aber für mich zur Zeit ein ebenso banales wie ärgerliches Problem, das Formen der langfristig angelegten, schülerorientierten Unterrichtsplanung – gleiches würde ja auch für Wochenplanarbeit, Stationenlernen u.ä. gelten – bei einem zweistündigen Fach ganz erheblich erschwert.

„Netzaktivisten“ als „neue geschichtsdidaktische Spezies“?

Laut Wikipedia ist ein Aktivist „eine Person, die in besonders intensiver Weise, mit Aktivismus, für die Durchsetzung bestimmter Ziele eintritt“. Den Eintrag „Netzaktivist“ gibt es nicht, aber entsprechend der allgemeinen Wortbildungsregeln, soll es sich dabei wohl um jemanden handeln, der sich nachdrücklich für „Netze“ einsetzt. Auch das wieder im Zusammenhang betrachtet, ist mit „Netz“ als Metapher für „das Internet“ gemeint. Also ist ein Netzaktivist jemand, der sich für das Internet einsetzt. Wenn ich glaube, dass es Menschen gibt, die das tun, dann versucht man diese auch als Gruppe zu benennen und ist bei der Idee, dass es so etwas gibt wie eine „Netzgemeinde“, die Sascha Lobo mal als „hocheffektive Lobbygruppe“ beschrieben hat.

Warum schreibe ich darüber? Die Antwort ist schnell gegeben: In seinen einleitenden Worten zur Tagung „Geschichte lernen digital“ hat Marko Demantowsky auf „Netzaktivisten“ verwiesen und diese als „neue geschichtsdidaktische Spezies“ bezeichnet. Gemeint sind damit, das wird im Zusammenhang klar, u.a. Alexander König, Thomas Spahn und ich. Das ist nachzuhören und zu sehen, sobald die Videos der Konferenz im April beim LISA-Portal online stehen.

Das war und ist vermutlich nicht böse gemeint. Ich muss aber sagen, dass mich diese Apostrophierung ärgert. Vielleicht war es Absicht, dann ist es gelungen; vielleicht steckt dahinter aber auch ein Missverständnis. Vielleicht auch ein bisschen von beidem.

Zunächst einmal sehe ich mich selbst nicht als „Aktivist“. Zuschreibungen können natürlich immer, sind es auch meist, Fremdzuschreibungen sein. Warum ich blogge, habe ich vor ein paar Tagen in einem Beitrag versucht darzustellen und das brauche ich deshalb an dieser Stelle nicht zu wiederholen. In einem beruflichen, fachlichen Zusammenhang bin ich zunächst einmal Lehrer, hier um genau zu sein als Geschichtslehrer anzusprechen, und dazu auch noch Berater für das Fach in meinem Schulaufsichtsbezirk.

Wenn man sich die Definition von Aktivist in der Wikipedia weiter anschaut, heißt es dort: „Ein Aktivist unterscheidet sich vom Politiker vor allem darin, dass er seine Ziele nicht über direkte Teilhabe an dem formellen politischen Prozess erreichen will, etwa durch Anstreben eines politischen Amts, sondern auf eher informelle Art und Weise“ – nun würde ich das Unterrichten als Lehrer in der Schule in Bezug auf den Geschichtsunterricht nicht gerade als „informelle Art und Weise“ ansehen.

Allerdings ließe sich das aus Sicht der Geschichtsdidaktik durchaus so betrachten. Das setzt jedoch voraus, dass man die eigene Disziplin als getrennt von Lehrern, Schule und Unterricht ansieht. Folgt man diesem Gedankengang macht das Statement Sinn: Da sind Leute, die versuchen, von außen Inhalte in die Geschichtsdidaktik zu tragen. Dass dieses mentale Konzept zutreffen könnte, lässt sich zusätzlich daran festmachen – am Ende der Tagung wurde es auch ausdrücklich thematisiert -, dass gerne unterschieden wird zwischen Praktikern, also den Lehrern, und den Geschichtsdidaktikern. Geschichtslehrer sind also trotz Studium, Ausbildung und Praxis keine Didaktiker, auch wenn sie, wie z.B. im Fall von Ulf Kerber oder Alexander König gar nicht mehr an der Svhule arbeiten, einen Lehrauftrag für Geschichtsdidaktik an der Uni haben und an Promotionsvorhaben in diesem Bereich arbeiten, diese aber eben noch nicht abgeschlossen haben.

Dass diese Trennung wenig Sinn macht, darauf hat Lisa Rosa schon ausführlich in ihrem Nachklapp zur Tagung hingewiesen. Als Reaktion auf das Explizitmachen dieses Abgrenzungsdiskurses auf der Tagung wurde sogleich versichert, dass man sich auf Augenhöhe begegne. Auch das bildlich schön, weil darin eben eine Begegnung von zwei unterschiedlichen Wesen kenntlich gemacht wird. Nun mag das auf viele überspitzt oder kleinkariert wirken. Mir scheint aber, dass sich dahinter grundlegende Wahrnehmungsunterschiede verbergen, die eine Verständigung über die Inhalte schwierig macht.

Ehrlich gesagt habe ich erstmal darüber nachdenken müssen, was wohl mit einer „neuen geschichtsdidaktischen Spezies“ gemeint sein könnte. An einen zufällig gewählten oder spontan erfundenen Begriff glaube ich nicht. Zudem ergibt sich im Zusammenhang durchaus ein schlüssiges Konzept. Ich will mich nicht damit aufhalten, dass ‚Spezies‘ als biologischer Artenbegriff unglücklich gewählt ist. Punkt ist: Verstehen kann man die Aussage nur, wenn man von dem beschriebenen Exklusionsvorstellungen ausgeht. Sonst wird nämlich nicht klar, was daran neu sein soll,

  • dass sich Geschichtslehrkräfte mit Didaktik beschäftigen,
  • dass sie Unterrichtsmaterialien und -entwürfe erstellen und publizieren,
  • und dass sie an geschichtswissenschaftlichen und -didaktischen Debatten teilnehmen.

Das haben Lehrkräfte schon immer gemacht und ihre Beiträge bilden einen wichtigen Teil der eigenen Fachgeschichte und natürlich auch der Gegenwart. Eine Sache ist aber sehr wohl neu, nun ja, in historischen Dimensionen zumindest. Dies betrifft aber keine „Spezies“, sondern die Kommunikation: das Schreiben, Veröffentlichen und Kommentieren über Blogs und Twitter. Ich finde, das sollte man präzise benannt werden. Die offenkundige Überraschung, dass sich in den letzten Jahren (weitgehend – die bekannten Ausnahmen vorausgesetzt) abseits der universitären Geschichtsdidaktik mit der Blogsphäre ein neuer, weiterhin sehr ausbaufähiger Kommunikationsraum gebildet hat, lässt sich nun schlecht als „Aktivismus“ oder neue „Spezies“ beschreiben.

Damit sind wir meines Erachtens beim Kern der Sache: Es sind die Bedingungen des Digitalen, die das wissenschaflichen Arbeiten und den wissenschaftlichen Diskurs verändern. Das war vor, auf und ist auch nun nach der Tagung, für die deutsche Geschichtsdidaktik wohl erstmalig, schön zu erleben.

Die Bedingungen des Digitalen haben wir auf der Tagung in einer Art experimenteller Versuchsanordnung ausprobiert, an den Schulen erleben wir sie alltäglich – mit entsprechenden Spannungen, Ängsten und Verbotsdiskussionen, aber natürlich auch vielen positiven Erlebnissen. Nicht nur die Wissenschaft ändert sich unter diesen Bedinungen, sondern auch Lebenswelt, Schule und Unterricht, und damit natürlich auch der Geschichtsunterricht. Es geht dabei eben nicht vorrangig und noch weniger ausschließlich – das scheint mir ein wesentliches Missverständnis während der Tagung gewesen zu sein – um den Einsatz von digitalen Medien als Mittel zur Unterrichtsoptimierung.

Dass nun gerade in der Schule die Auswirkungen bemerkt werden, scheint durchaus plausibel, vielleicht sogar naheliegend. Auch wenn Schule als Sytem einige Probleme mit dem digitalen Wandel hat und sich in aufreibende Rückzugsgefechte verstrickt, ignorieren oder ausschließen kann sie die Folgen nicht.

Auf diese Veränderungen, von denen nicht die Existenz, sondern allenfalls Umfang und Bedeutung im andauernden Wandelprozess strittig sind, auch für Geschichtsunterricht und -didaktik hinzuweisen und sie zu diskutieren, hat dann aber nichts mit einer „politischen“, vermeintlich durchschaubaren Strategie zu tun. Das in meinen Augen negative Etikett eines „Netzaktivismus“ ist daher weder zutreffend noch angebracht.

Auf dem Weg und noch nicht am Ziel…

Lisa Rosa hat vor zehn Tagen einen ebenso beeindruckend offenen wie mutigen Artikel in ihrem Blog veröffentlicht. Wie es sich manchmal so ergibt, hatten wir über das Thema am Rande der #gld13-Tagung gesprochen. Sie hat mich ermutigt, auch über meinen Weg zu schreiben. Eigentlich versuche ich meine Person beim Schreiben zurückzunehmen, weil mir die Inhalte wichtig scheinen und ich die Erfahrungen gerne teilen und diskutieren möchte.

Nachdem ich bei der #ICM13-Konferenz in Marburg angefangen habe, zu erklären, warum ich überhaupt nach anderen Lernformen suche, und nach der ausdrücklichen Ermutigung durch Lisa, möchte ich das hier kurz erzählen. Vielleicht kann die Geschichte, auch wenn sie nicht so tief und schmerzhaft ist wie die von Lisa, dem einen oder der anderen Mut machen.

Wenn ich überlege, wann und warum ich angefangen habe, nach Alternativen zu der im Referendariat erlernten Unterrichtsgestaltung zu suchen, fallen mir wenige Erlebnisse ein, letztendlich eigentlich nur eines, das mir im Rückblick als Schlüsselszene erscheint. Ich wollte schon immer nicht „was mit Medien“, sondern etwas mit Geschichte machen. Das Fremdsprachenstudium war für mich ein interessantes, aber vor allem notwendiges Beiwerk, da mindestens zwei Fächer nötig waren. Lehrer werden wollte ich bis zum Ende des Studiums eigentlich nie. Mir war aber immer klar: Geschichte ist mein Fach. Auch wenn ich als Schüler schon die Erfahrung gemacht hatte, dass mein privates Interesse an Geschichte irgendwie nicht mit dem Unterricht in der Schule zusammenpassen wollte.

Im Referendariat habe ich gelernt und wohl ganz passabel umgesetzt, was vorgegeben und erwartet wurde. Ich fand diesen Unterricht selbst eher langweilig. In meiner Examensarbeit 2003 habe ich ein Online-Projekt via Mail und Chat mit einer litauischen Partnerklasse durchgeführt. Es war schön, das ausprobieren zu dürfen, auch wenn vieles nicht geklappt hat. Interesse hat das Projekt damals auch weder bei meiner Fachleiterin noch bei meinen Mitreferendaren geweckt.

Als Junglehrer habe ich dann nicht zuletzt wegen der hohen Stundenzahl meinen Geschichtsunterricht meistens so geplant, wie ich es gelernt hatte.

Langweilig? Ja, das fand ich meistens. Das Verhalten und die Rückmeldungen der Schülerinnen und Schüler bestätigten mir dies.

Unbefriedigend, weil die eigene Begeisterung nicht den Unterricht trägt? Ja, auch das war so, eine Erkenntnis, die ich mit einiger Resignation für mich zu gewinnen schien. Auch aus den Erinnerungen an meine Schulzeit dachte ich, das muss vielleicht so sein. Interesse und Begeisterung für Geschichte funktionieren im Rahmen von Schule eben nicht. Von wenigen Highlights abgesehen schien der Geschichsunterricht ein von den meisten Schülern als ziemlich langweilig empfundenes Fach. Auf das Urteil der Schüler über Unterricht sollte man nicht so viel geben, hatten wir im Referendariat gelernt und bestätigt wurde die Beobachtung durch empirische Untersuchungen, die das Auseinanderklaffen des Interesses an Geschichte und am Unterricht belegen.

Im Rückblick zentral waren dann die letzten fünfeinhalb Jahre. In zwei parallelen Leistungskursen hatte ich ab 2007 vier Schülerinnen zugleich in Französisch und Geschichte. Die armen! 9 Stunden pro Woche denselben Lehrer. Da ergibt sich aus Schülersicht der Vergleich von selbst. Und irgendwann platzte es förmlich aus ihnen heraus: „Französisch ist so toll bei Ihnen. Das macht so viel Spaß! Aber Geschichte… pfff…..“

– „Das liegt nicht an Ihnen, das ist das Fach“ fügten sie schnell hinzu, das sei so zäh und langweilig. Das war ebenso ehrlich wie nett gemeint. Aber ich war wie vor den Kopf gestoßen. Französischunterricht bei mir soll „toll“ sein? Das war der Unterricht, über den ich mir, ehrlich gesagt, nie besonders viel Gedanken gemacht hatte. Es war ja nur mein „zweites“ Fach. Auch im Referendariat hatte ich da schlechtere Noten und nach meinem Eindruck auch die schlechtere Ausbildung. Also war ich davon ausgegangen, da auch ein schlechterer Lehrer zu sein. Ok, der Geschichtsunterricht schien auch mir langweiliger, aber da hatte ich ja schwarz auf weiß bescheinigt bekommen, dass ich das gut und richtig unterrichten kann.

Das mag banal klingen und letztendlich ist es das auch. Aber von heute aus betrachtet war genau das, die in meinen Augen vernichtende Rückmeldung der Lernenden, der Anstoß für mich, etwas zu ändern.

Das fing mit dem Vergleich meines Unterrichts und der Struktur der beiden Fächer an. Der Rest war und ist im wesentlichen Trial and Error. In einigen Vorhaben lagen gute Ansätze, andere sind gescheitert. Viele haben mich, aber auch die Schülerinnen und Schüler, übermäßig Kraft, Zeit und Arbeit gekostet. Aus den Misserfolgen habe ich versucht zu lernen, die guten Projekte versucht zu wiederholen, zu verbessern und die Erfahrungen mit anderen zu teilen. Daraus ist dieses Blog entstanden. Erst in letzter Zeit habe ich angefangen, auch nach Modellen und theoretischer Fundierung der Erfahrungen zu schauen.

Nicht, dass ich heute alle Schülerinnen und Schüler für Geschichte interessieren oder begeistern könnte. Nicht, dass ich behaupten würde, durchweg tollen oder interessanten Unterricht zu machen. Nein, ich suche weiterhin, aber der Geschichtsunterricht ist für die Lernenden, zu denen ich mich nun auch zähle, interessanter geworden. Die Rückmeldungen der Schülerinnen und Schüler im Unterricht und mit kurzen Evaluation am Ende jedes Halbjahres, zum Teil auch der Eltern, zeigen das und motivieren weiter den eingeschlagenen Weg zu gehen, auch wenn ein Ziel noch nicht absehbar ist. Vielleicht ist aber, auch wenn als Metapher reichlich abgegriffen, auch der Weg das Ziel…