Kurz notiert: Individualarbeiten & Auswahl der Inhalte

In den letzten Jahren habe ich zahlreiche Individualarbeiten von Schülerinnen und Schüler betreut  – als Facharbeit oder Besondere Lernleistung in der Oberstufe oder als Beiträge für den Geschichtswettbewerb. Bei der Wahl eines Thema für eine Individuarbeit berate ich die gadbadpoetrywomanLernenden, insbesondere bei der Einschätzung der Machbarkeit (Zeit, Umfang etc.) der Fragestellung, gebe – falls nötig – Hinweise zu Quellen, Literatur und Arbeitsmethodik, lasse ihnen aber komplet freie Wahl bezüglich des Thema.

Themenvorgaben oder -vorschläge gibt es meinerseits nicht, ich erwarte, dass sie, wenn sie so eine Arbeit angehen wollen, auch eine eigene Fragestellung entwickeln. Das ist für mich ein sehr wichtiger Teil des Lern- und Arbeitsprozesses. Vielen Lernenden fällt dies schwer. Am Ende steht mit der Formulierung eines eigenen Thema nach einem längeren Prozess vor der Beginng der Arbeit damit in der Regel ein Thema und ein Interesse an diesem, das über mehrere Wochen oder gar Monate trägt.

Bei den betreuten Arbeiten waren u.a. Themen wie die deutsche Minderheit in Schlesien im sozialistischen Polen, das Zusammenleben von Deutschen und Rumänen in Siebenbürgen, Leben und Werk Atatürks, die deutsche Beteiligung am Völkermord an den Armeniern, Alltagsleben im Vietnamkrieg. Diese Themen wurden alle explizit mit Begründung mit persönlichem Interesse in der eigenen Familiengeschichte begründet. Gleichzeitig sind dies alles Themen, die – zumindest in den Lehrplänen in Rheinland-Pfalz – nicht vorkommen.

Was ich mich frage: Ist die Beobachtung verallgemeinerbar, dass Lernende bei inhaltllich völlig freigestellten Individualarbeiten, sich mit weniger mit Themen der Lokalgeschichte oder des Lehrplans auseinandersetzen, sondern ihr Interesse an historischen Themen vor allem in ihrer eigenen Biographie wurzeln? An den Beiträgen zum Geschichtswettbewerb müsste sich das eigentlich gut ablesen lassen, ist das mal untersucht worden?

Wenn dem so ist, müssten wir dann, wie bereits mehrfach von verschiedener Seite gefordert, aber in der Schule nicht angekommen, die Lehrpläne geöffnet werden, individuelle Fragestellungen und Projektarbeit in den Mittelpunkt rücken?

Einhergehend mit einer konsequenten Kompetenzorientierung, die die Lernenden nach und nach immer besser in die Lage versetzt, historische Fragen zu formulieren und sich selbstständig und kritisch mit diesen auseinanderzusetzen?

Das mag banal klingen, ist aber Lichtjahre entfernt von dem, was im schulischen Geschichtsunterricht üblicherweise passiert.

Ein Gedanke zu „Kurz notiert: Individualarbeiten & Auswahl der Inhalte

  1. Ja klar, genau das ist es doch: Persönlicher Sinn. Und das ist nicht zu verwechseln mit „Lebenswelt“ der Schüler oder Lokalgeschichte, obwohl die auch zum Träger von Sinn werden kann. Wenn man völlig frei historische Themen erfinden lässt, ist der biografische Ansatz sicher sehr naheliegend. Wenn man aber das Politische historisch denken lässt (also historisch-politischen Unterricht statt Geschichte oder Politik machen), dann kommen auch Themen mit Sinn raus, die weniger direkt biografisch angebunden sind. Denn nicht nur die SuS mit griechischem Migrationshintergrund sind zB von der aktuellen Auseinandersetzung um die Austeritätspolitik persönlich betroffen. Und verstehen lässt sich die nur mit historischem Blick.
    Wenn man große Gegenstände (komplexe Themen) als Lerngegenstand vorgibt und Raum und Struktur dafür liefert, können diese persönl Sinnbildungen und eigenen Fragen zur Leitlinie für die Schülerarbeit werden – manchmal direkt biografisch orientiert, manchmal weniger offensichtlich mit der Person d Lernenden verknüpft.

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