Lehrplanentwicklung: Dialog zwischen Geschichtswissenschaft, Geschichtsdidaktik, Schule und Bildungspolitik

In einem Beitrag für Public History Weekly forderte Holger Thünemann vor einigen Wochen „einen intensiven Dialog zwischen Geschichtswissenschaft, Geschichtsdidaktik, Schule und Bildungspolitik über Inhalts- und Relevanzfragen und nicht zuletzt darüber, was es eigentlich heißt, historisch zu denken“ im Hinblick auf die Gestaltung von schulischen Lehrplänen. Das wäre in der Tat überaus wünschenswert und eigentlich darüber hinaus auch notwendig. Thünemann diskutiert den neuen, bereits in Kraft getretenen Kernlehrplan Geschichte in NRW. So begrüßenswert die Initiative ist, sie kommt zu spät. Naheliegenderweise lassen sich im Vorfeld viel eher noch Einfluss nehmen und ggf. Änderungen bewirken als nach Inkrafttreten. Nachbesserung sind natürlich möglich, aber schwieriger umzusetzen.

Ebenso lesenswert wie der Beitrag sind die drei Kommentare, wobei ich besonders Christian Schmidtmann zustimme, dass die Vorgaben für Prüfungen die Unterrichtsgestaltung in bezug auf Inhalte und Methoden mindestens ebenso stark, wenn nicht sogar noch stärker bestimmen als die Lehrpläne. Wenn am Ende eine Klausur steht, dann ist offene Projektarbeit weniger zielführend als gezielte Klausurenvorbereitung durch die Bearbeitung schriftlicher Aufgaben. Anders sieht es aus, wenn eine Klausur z.B. durch einen Vortrag oder eine Ausarbeitung als Ergebnis einer längeren Projektarbeit ersetzt werden kann.

Wenn bei der Erarbeitung von Lehrplänen in einigen Bundesländern offenkundig aus den Universitäten weder Fachwissenschaftler noch Fachdidaktiker zu Rate gezogen werden, es gleichzeitig aber Kritik an diesen Lehrplanentwürfen gibt, frage ich mich, wo sind die Verbände der Historiker wie auch der Geschichtsdidaktiker, die sich mit öffentlichen Stellungnahmen in die Debatte einmischen könnten?

Es droht sonst neben den in Beitrag und Kommentaren genannten Fragen und Problemen übrigens auch eine Perpetuierung schulischer „Selbstläufer“, bei denen u.a. der „Absolutismus“, „Germanen“ sowie neuerdings auch „das Lehnswesen“ zu nennen sind.

Angesichts der Klage über die Gestaltung der Lehrpläne und mangelnde Einbeziehung von Fachdidaktik und -wissenschaft ist es bedauerlich, dass Angebote zur öffentlichen Diskussion, wie sie beim neuen Lehrplanentwurf Geschichte für die Sekundarstufe I in Rheinland-Pfalz gemacht wurden, nicht angenommen werden. Der Entwurf steht seit Oktober 2013 online auf den Seiten des rheinland-pfälzischen Geschichtslehrerverbands verbunden mit der ausdrücklichen Aufforderung zu Kommentaren und Kritik. Seit letztem Jahr hat Kommissionsmitglied Christian Sieber ein Blog eingerichtet, wo er die überarbeitete, aktuelle Version des Lehrplanentwurfs zum Download anbietet und einzelne Elemente des Entwurfs zur Diskussion stellt.

Die Einführung des Lehrplans ist für das Schuljahr 2016/17 geplant. Noch befindet sich der Entwurf im Anhörungsverfahren, die Einspruchsfrist und damit die Möglichkeit für Änderungen endet in Kürze.

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7 Gedanken zu „Lehrplanentwicklung: Dialog zwischen Geschichtswissenschaft, Geschichtsdidaktik, Schule und Bildungspolitik

    • In der Regel wird vom jeweiligen Bildungsministerium im Bundesland eine Lehrplankommission beauftragt. Die Mitglieder werden vom Ministerium benannt. Die Zusammensetzungen können unterschiedlich sein. In Rheinland-Pfalz bestand die Kommission aus mehreren Geschichtslehrern aus dem Land, die teilweise zugleich auch andere Funktionen wie z.B. Fachleiter in der Ausbildung für Referendare am Studienseminar haben.

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    • Ok. Präziserweise müsste es im Text oben heißen: universitäre Fachdidaktiker. Habe das entsprechend ergänzt. Übrigens könnte man ähnlich argumentieren, dass alle Lehrkräfte an weiterführenden Schulen ausgebildete Fachwissenschaftler sind, das ist aber trotzdem nicht dasselbe.

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    • Fachleiter sind die Ausbilder der Referendare am Studienseminar in einem Fach, wie z.B. Geschichte. Insofern war der Hinweis schon richtig und eine Präzisierung notwendig: Es sind natürlich auch Fachdidaktiker.

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  1. Pingback: Schulbuchentwicklung zum neuen Lehrplan Geschichte in RLP | Medien im Geschichtsunterricht

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