Geschichtsunterricht 2.0 und Archive 2.0 – Teil 1

Manuskript meines Vortrags vom 22.11. auf der Tagung „Offene Archive? Archive 2.0 im deutschen Sprachraum (und im europäischen Kontext)“ in Speyer (Prezi zum Vortrag siehe hier). Leider konnte ich nur an einem der beiden Tage teilnehmen, fand die Beiträge und Diskussion auch als Außenstehender auf der gut organisierten Tagung aber als sehr anregend. Besonders die Beispiele aus Frankreich und den Niederlanden, wo Nutzern Vertrauen geschenkt und Verantwortung übertragen wird, haben mich sehr beeindruckt. Ohne Anmeldung oder Registrierung kann in beiden Fällen direkt auf den Archivseiten mitgearbeitet werden. Interessant war die Nachfrage von deutschen Teilnehmern nach Fällen Vandalismus, die beide Referenten zunächst nicht zu verstehen schienen und dann nur übereinstimmend erklären konnten, dass so etwas noch nicht vorgekommen sei. Was ich daraus gelernt und von der Konferenz mitgenommen habe: Social Media ist vor allem eine Frage der Einstellung. Und das lässt sich auch auf das Lernen und Arbeiten in der Schule übertragen!

Mein Vortrag steht unter der Frage: Was erwarten Geschichtslehrer von Archiven 2.0?

Geht man davon aus, dass Geschichtslehrkräfte dafür beruflich als aktive Nutzer im Web 2.0 unterwegs sein müssten, ist die Frage sehr einfach zu beantworten:

Sie erwarten nichts.

Das wäre aber zu einfach. Eingeladen wurde ich, um eine schulische Perspektive zu geben. Einschränkend muss ich sagen: Die Bedingungen und Möglichkeiten archivischer Arbeit kenne ich nur aus einer sehr vagen Außensicht. Deshalb mag das ein oder andere vielleicht unrealistisch oder überzogen sein, aber so können Erwartungen nun einmal sein. Die sicher nicht ganz einfache Aufgabe zu beurteilen, was umsetzbar und realistisch ist, bleibt Ihnen überlassen und hängt vermutlich sehr stark vom einzelnen Archiv ab.

Mein Beitrag gliedert sich in drei Teile:

1) Zunächst möchte ich einen kurzen Einblick geben, wie Geschichtslehrer das Internet zur Zeit nutzen.

2) Danach werde ich versuchen eine Prognose zu wagen und zu beschreiben, wie sich der Geschichtsunterricht durch digitale Medien verändern könnte

3) Abschließend soll ein Ausblick stehen, der die beiden Perspektiven mit dem Thema der Tagung zusammenführt: Wie könnten sinnvolle Angebote von Archiven 2.0 für den Geschichtsunterricht 2.0 aussehen?

zu 1)

Die meisten Lehrkräfte, und damit auch der Geschichtslehrer, nutzen das Netz wohl im Web 1 Punkt 0 – Modus, das heißt vor allem zur Informationsentnahme. Für fast alle Lehrkräfte gehört der PC mit Internetanschluss zur selbstverständlichen Ausstattung ihres heimischen Schreibtischs. Ich sage fast alle, da vor kurzem noch Kopien von Matritzenvorlagen aus dem Jahr 1982 in Schulen gesichtet wurden. Lehrer nutzen Computer und Internet zur Unterrichtsvorbereitung: Sie schlagen Begriffe und Jahreszahlen in der Wikipedia nach, suchen Anregungen in veröffentlichten Unterrichtseinheiten, fertige Arbeitsblätter, Quellen und Darstellungstexte für den Einsatz im Unterricht.

Im Unterricht eingesetzt wird der Computer hingegen selten. Die Gründe dafür sind vielfältig.

Falls die Schüler mal mit dem Internet arbeiten sollen, handelt es sich in der Regel um eine einfache Internetrecherche: „Informiert euch über… .“, was in mehrfacher Hinsicht problematisch  ist. Weitgehend gängig dürfte auch das situative Nutzen von mobilen Endgeräten der Schüler im Unterricht sein. Während eine große Mehrheit der weiterführenden Schulen auf ein mehr oder minder restriktives „Handy“-Verbot (darunter fallen in der Regel alle Arten mobiler elektronischer Geräte vom Mp3-Player bis zum Laptop) setzen, scheint es selbst für weniger technikaffine Lehrer kein Problem, in Einzelfällen bei einer ad hoc auftauchenden Frage den Gebrauch im Unterricht zuzulassen, um einzelne Informationen (Daten, Namen etc.) nachzuschlagen.

Während alle Schüler wie auch viele Lehrer soziale Netzwerke privat nutzen, scheint noch eine Mehrheit der Geschichtslehrer davon überzeugt zu sein, dass diese in der Schule nichts zu suchen haben, keinen Mehrwert für ihre eigene Arbeit und keine sinnvollen Einsatzszenarien für (historisches) Lernen bieten.

Soweit zur Mehrheit. Daneben gibt es eine wachsende Zahl von Lehrkräften, die das Internet aktiv auch zur Kommunikation, zum fachlichen Austausch, zur Produktion und Publikation nutzt. Und das in verschiedener Weise: öffentlich oder in geschlossenen Gruppen, alleine oder zum Austuausch mit Kollegen, eben auch über Schul- und Landesgrenzen hinaus. Dass sich in etwas tut, zeigen auch die beiden für das kommende Jahr angekündigten Konferenzen: geschichte lernen digital Anfang März in München und Nutzung digitaler Medien im Geschichtsunterricht im Mai 2013 in Salzburg.

2 Gedanken zu „Geschichtsunterricht 2.0 und Archive 2.0 – Teil 1

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