Lesen von Ganzschriften?

Lektüren, im Sinne von Lesen ganzer Bücher, ist im Deutsch- und im Fremdsprachenunterricht eine Selbstverständlichkeit. In Geschichte ist das nicht unmöglich, aber in der Regel nicht vorgesehen. Seit dem anregenden Vortrag von Simone Rauthe auf der Tagung geschichtdidaktik empirisch 09, in dem sie unter dem Titel „Historiografie im Geschichtsunterricht“ ihr Habilitationsprojekt vorgestellt hat, denke ich darüber nach, das einmal im Unterricht auszuprobieren. Nun habe ich einen (sehr guten) Leistungskurs, mit dem ich die Idee endlich in die Tat umsetzen möchte.

Darstellungen und Quellen finden sich in den Schulgeschichtsbüchern oft als „Schnipsel“, die nur die Entnahme von Einzelinformationen, aber nicht das Nachvollziehen ganzer Argumentationsstränge ermöglichen. Ich habe nun damit begonnen, mit dem LK zunächst einen ganzen wissenschaftlichen Artikel zu lesen. Nach den Ferien würde ich dann gerne mit der Lektüre und Analyse einer Ganzschrift einsteigen.

Theoretisch gibt es einige Argumente, die für den Einsatz von Ganzschriften im Geschichtsunterricht sprechen. Hier wären u.a. zu nennen: intensive Auseinandersetzung mit einem Thema, (in der gymnasialen Oberstufe) Spaß am Lesen und damit Motivation für das Fach, Kennenlernen einer typischen fachspezifischen Darstellungsform, Einüben textkritischer Analyse, Förderung der Entwicklung eigener narrativer Kompetenz. Hier ist sicher weniger an die umfangreichen Werke von Nipperdey oder Wehler zu denken, als inhaltlich interessante und vom Umfang her überschaubare Bücher, wie es sie z.B. in der Reclam-Geschichtsreihe gibt.

Mich würde interessieren, habt jemand das schon mal ausprobiert und Erfahrungen gesammelt mit dem Einsatz von Ganzschriften im Geschichtsunterricht? Und wenn ja, wie sehen diese aus? Welche Bücher sind gegebenenfalls empfehlenswert?

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4 Gedanken zu „Lesen von Ganzschriften?

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  2. Das hört sich sehr spannend an. Ich habe auch schon mal überlegt, ob durch eine Ganzschrift nicht ein viel prägenderer Zugang zu einem historischen Kontext geschaffen werden kann. Ich selbst erinnere mich noch heute an meine (allerdings im Fach Deutsch der 6. Klasse) Lektüre von „Damals war es Friedrich“ – ein Buch, das mir im Deutschunterricht einen altersgerechten Einblick in das Thema Judenverfolgung gab und viel vermittelte, was ein Verfassertext oder das übliche Quellenmaterial der Schulgeschichtsbücher kaum vermitteln kann: Empathie und damit persönliche Ergriffenheit von historischen Prozessen.

    Ich freue mich auf Berichte über das Vorhaben. Ich selbst überlege in Hinblick auf das Medium Spielfilm. „Danton“ (mit Gerard Depardieu) war ein ebenfalls einschneidendes Erlebnis in meiner Schulzeit. Mein Lehrer hat damals das Thema franz. Rev. um diesen Film herum angelegt und immer wieder darauf bezogen (inkl. filmanalytischer Untersuchungen hinsichtlich der Aussagen des Spielfilms).

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  3. Ok, der Tweet ist nicht so wahnsinnig aussagekräftig, ich wollte aber mal die neue Funktion hier bei WordPress ausprobieren, die das einfache Einbetten von voll funktionsfähigen Tweets erlaubt (bisher war das nur als Bild möglich).
    Der Inhalt stimmt aber: Wir mussten das Buch in der 7. Klasse lesen und ich konnte als Schüler nichts damit anfangen, wobei ich im Nachhinein vermute, dass das weniger mit dem Buch als mit der Art und Weise zu tun hatte, wie unsere Deutschlehrerin (die zugleich auch Philosophie/Ethiklehrerin war) versucht hat, uns die „Geschichte“ nahezubringen. Es war Mitte der 80er Jahre, es ging um Moral und Betroffenheit, und ja bitte ihr Lieben mobbt auch bitte nicht eure Mitschüler. (Wobei ich hinzufügen möchte, dass ich dieselbe Lehrerin in der Oberstufe in Philosophie hatte, und dort einen interessanten Unterricht hatte, bei dem ich ne Menge gelernt habe, aber das gehört nicht hierhin.)
    Als Lektüre für den LK habe ich jetzt folgendes Buch ausgewählt:
    Johannes Arndt, Der Dreißigjährige Krieg 1618-1648, Stuttgart (Reclam) 2009 (Rezension in Sehepunkte).
    Das passt zum Kursverlauf und Lehrplan sehr gut. Ich werde den Schülern das Buch morgen vorstellen und sie können das dann schon über die Sommerferien vorab komplett zu lesen.
    Historiografische Werke eignen sich, denke ich, allenfalls für die Oberstufe. Historische (Jugend-) Romane auch für die Unter- und Mittelstufe, wobei es dazu mittlerweile auch einige didaktische Veröffentlichungen und regelmäßige Hinweise in den einschlägigen Zeitschriften gibt. Der Einsatz fiktionaler Literatur (aber auch von Filmen) scheint mir vergleichweise etabliert in der Praxis des Unterrichts.

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