Unser Leben war viel zu sinnlich, zu lüstern, zu weibisch, zu ausschweifend

…da ist das Feld ein kalter, scharfer Wind geworden, der all dies Unkraut getötet hat.“ So Gorch Fock 1914.

Als Kind dachte ich, dass das Segelschulschiff der deutschen Marine… eigentlich weiß ich nicht mehr, was ich damals dachte, vermutlich, dass das eben der Name des Schiffs sei oder eine Stadt in Norwegen. Nachdem das Schiff diese Woche aus traurigem Anlass wieder einmal in der Presse war, hab ich endlich mal schnell nachgeschlagen – Wikipedia sei Dank:

Gorch Fock war also Schriftsteller, der 1916 verstorben ist und eigentlich Johann Wilhelm Kinau hieß. 1933 wurde ein erstes Segelschulschiff nach ihm benannt. Als die deutsche Marine 1958 ein Segelschulschiff bauen ließ, erhielt dieses gleichfalls seinen Namen zu Ehren des Schriftsteller.

Wer war denn dieser Gorch Fock, dass ihm die Marine gleich zwei Schiffe und dann noch zu so unterschiedlichen Daten widmet?

Hier sei der Wikipedia-Artikel kurz zitiert:

„Seit 1910 verfasste er zahlreiche platt- und hochdeutsche Geschichten und Gedichte, 1913 erschien sein bekanntestes Werk, der hochdeutsche Roman mit plattdeutschem Dialog ‚Seefahrt ist not‘, in dem das Leben der Hochseefischer auf Finkenwerder in heroisierender Weise beschrieben wird. […] Das damals gefragte Pathos, das sich aus der Sehnsucht des Autors nach eigener Seefahrerschaft speiste, macht die sehr einfach strukturierten Abenteuergeschichten für heutige Leser oft beinah ungenießbar.

Im Ersten Weltkrieg […] kämpfte [er …]  in Serbien und Russland, später dann bei Verdun. Im März 1916 kam er auf eigenen Wunsch vom Heer zur Marine […]. In der Seeschlacht bei Skagerrak ging er mit dem Kreuzer unter. […]

Die spätere Vereinnahmung seiner Werke durch die Nationalsozialisten führte dazu, dass der Autor Gorch Fock einseitig als Kriegsverherrlicher und Wegbereiter des Nationalsozialismus wahrgenommen wurde. […] Günter Benjas Biografie stellt heraus, dass Fock unbestreitbar ein Nationalist war, aber durchweg kein Rassist oder Antisemit.“

Man könnte sich fragen, ob ein kriegsverherrlichender Nationalist, auch wenn er „kein Rassist oder Antisemit“ war, einen guten Namenspaten für das Segelschulschiff der heutigen Marine abgibt. Kasernen sind in den letzten Jahrzehnten zahlreiche umbenannt worden. Das Schiff offenkundig nicht. Das wäre doch mal ein interessantes, geschichtskulturelles Thema für eine Diskussion in einem Leistungkurs…

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3 Gedanken zu „Unser Leben war viel zu sinnlich, zu lüstern, zu weibisch, zu ausschweifend

  1. Ich denke, ich habe den Artikel, im Rahmen meiner Möglichkeiten, durchaus ordentlich gelesen. Wenn die Informationen dort stimmen, dann Benja in seiner Biographie herausgearbeitet, dass Kienau Nationalist war – sicher wie viele seiner Zeitgenossen. Das eingangs eingeführte Zitat ist eindeutig kriegsverherrlichend. Insofern ist das Urteil schon zutreffend. Natürlich kann man Kinau weiterhin als Heimatdichter lesen und meinetwegen auch schätzen. Er steht aber eben auch für aus heutiger Sicht zumindest problematische Werte.

    Kann man das voneinander trennen?

    In seiner Zeit ist sein Haltung sicher nicht ungewöhnlich, kann sie aber heute noch Bezugspunkt sein?

    Gerade weil der Fall weniger eindeutig und damit offener in der Deutung ist, denke ich, macht es ihn für eine mögliche Diskussion mit Schülern spannend.

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  2. Update: Artikel der taz zum Museum (bzw. der „wehrgeschichtlichen Sammlung“) der Marineschule Flensburg-Mürwik oder wie schwer sich die Marine mit der eigenen Geschichte tut.

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